Führung ist die Kunst des Ermöglichens

Das The­ma Füh­rung vs. Manage­ment und die Fra­ge, ob ins­be­son­de­re Pro­jek­te „over­ma­na­ged“ und „under­led“ sind, beschäf­tigt mich schon eine gan­ze Wei­le. An der Stel­le sei mir ein aktu­el­ler Hin­weis in eige­ner Sache erlaubt: Mein Vor­trag auf dem IF-Forum „Mensch & Manage­ment“ am 11.04.2011 bei der Inter­face AG in Unter­ha­ching beschäf­tigt sich mit IT-Pro­jek­ten im Span­nungs­feld zwi­schen Füh­rung und Manage­ment. Auch wenn der Titel des Vor­trags ein wenig pla­ka­tiv lau­tet „Füh­ren Sie schon oder ver­wal­ten Sie noch?“, bin ich der Mei­nung, dass Pro­jek­te bei­des brau­chen: Füh­rung und Manage­ment. Bei­des hat sei­ne Berech­ti­gung und ins­be­son­de­re sein jewei­li­ges Anwen­dungs­ge­biet: Manage­ment für Leb­lo­ses, Füh­rung für Men­schen. Da sich Pro­jek­te – und ja: auch IT-Pro­jek­te – größ­ten­teils mit Men­schen beschäf­ti­gen, liegt ein wesent­li­cher Erfolg­fak­tor in der Führungsfähigkeit.

Tre­ten wir zunächst eini­ge Schrit­te zurück in das Indus­trie­zeit­al­ter und damit an die Anfän­ge des Manage­ments. Das grund­le­gen­de Para­dig­ma im Umgang mit den Arbei­tern bringt Fre­de­rick Win­slow Tay­lor in den Grund­sät­zen der wis­sen­schaft­li­chen Betriebs­füh­rung fol­gen­der­ma­ßen auf den Punkt (mei­nen Dank an Andre­as Zeuch, der die­ses Zitat in sei­nem sehr lesens­wer­ten Buch „Feel It!“ verwendet):

Einen intel­li­gen­ten Goril­la könn­te man so abrich­ten, dass er ein min­des­tens eben­so tüch­ti­ger und prak­ti­scher Ver­la­der wür­de als irgend­ein Mensch. Und doch liegt im rich­ti­gen Auf­he­ben und Weg­schaf­fen von Roh­ei­sen eine sol­che Sum­me von wei­ser Gesetz­mä­ßig­keit, eine der­ar­ti­ge Wis­sen­schaft, dass es auch für die fähigs­ten Arbei­ter unmög­lich ist, ohne die Hil­fe eines Gebil­de­te­ren die Grund­be­grif­fe die­ser Wis­sen­schaft zu ver­ste­hen oder auch nur nach ihnen zu arbei­ten. (Fre­de­rick Win­slow Taylor)

Der Arbei­ter als aus­tausch­ba­res Räd­chen in einem von ihm selbst prin­zi­pi­ell nicht zu durch­schau­en­den Pro­duk­ti­ons­pro­zess, voll­stän­dig abhän­gig von Anwei­sun­gen eines „Gebil­de­te­ren“. Ich war nie ein gro­ßer Anhän­ger von Karl Marx, aber in dem Kon­text ver­ste­he ich nun sehr gut, was er mit ent­frem­de­ter Arbeit gemeint hat.

Mög­li­cher­wei­se war es in den Anfän­gen des Indus­trie­zeit­al­ters tat­säch­lich so, dass die unge­lern­ten Arbei­ter (zunächst) auf die Hil­fe des Mana­gers ange­wie­sen waren. Jedoch leug­net die­ses Para­dig­ma vom abhän­gi­gen und aus­tausch­ba­ren Arbei­ter jeg­li­ches Poten­ti­al zur Ent­wick­lung im Men­schen. Das war damals bereits ein Irr­tum. Aller­dings ein ver­nach­läs­sig­ba­rer, denn es ging ja in ers­ter Linie um die Arbeits­kraft und an unge­lern­ten Arbei­tern gab es schier uner­schöpf­li­chen Nachschub.

Und heu­te? Uner­schöpf­li­cher Nach­schub: Fehl­an­zei­ge – Fach­kräf­te­man­gel allent­hal­ben. Unge­lern­te Arbei­ter: von wegen – statt­des­sen: hoch­spe­zia­li­sier­te Wis­sens­ar­bei­ter. Es ist völ­lig absurd, die­se nach dem­sel­ben Kon­troll­mo­dell des Indus­trie­zeit­al­ters mana­gen zu wol­len. Hören wir doch end­lich auf Men­schen wie Din­ge zu behan­deln. Die Fol­gen davon ken­nen wir alle: Ent­frem­dung, Pro­zess­sucht und eine Kul­tur des Miss­trau­ens um nur eini­ge zu nen­nen. Men­schen brau­chen Führung:

Füh­rung kon­zen­triert sich auf die Erschaf­fung einer gemein­sa­men Visi­on. Manage­ment ist das Gestal­ten der Arbeit […] Es geht dabei um Kon­trol­le.“ (Geor­ge Weathersby)

Füh­rung und Manage­ment haben spe­zi­fi­sche Anwen­dungs­ge­bie­te: Manage­ment für Leb­lo­ses, Füh­rung für Men­schen. Nicht Manage­ment oder Füh­rung als sol­ches sind das Pro­blem, son­dern deren Anwen­dung auf das fal­sche Objekt. Füh­rung von Din­gen ver­bie­tet sich von selbst: der Lager­be­stand wird allein durch eine schö­ne Visi­on nicht klei­ner wer­den. Und Manage­ment von Wis­sens­ar­bei­tern belei­digt ihre Kom­pe­tenz und igno­riert ihr Potential.

Zum Schluss noch eine sehr schö­ne Defi­ni­ti­on von Füh­rung von Ste­ven R. Covey, von dem auch der Titel die­ses Arti­kels stammt:

Füh­rung bedeu­tet, ande­ren so klar zu ver­mit­teln, wel­chen Wert und wel­ches Poten­ti­al sie haben, dass sie sie in sich selbst erken­nen. (Ste­ven Covey. Der 8. Weg: Mit Effek­ti­vi­tät zu wah­rer Grö­ße, S. 120)

Bildnachweis

Das Arti­kel­bild wur­de von Nathan Rus­sell unter dem Titel „Tea­ching“ auf Flickr ver­öf­fent­licht (Bestimm­te Rech­te vor­be­hal­ten).

 

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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