Projekt-Management: Ein Widerspruch?

In sei­nem lesens­wer­ten Kurs­buch „Kaput­t­op­ti­mie­ren und Tot­ver­bes­sern. Eine kur­ze Geschich­te des Manage­ments als Schar­la­ta­ne­rie“ (Ama­zon Affi­lia­te Link) brand­markt Niels Pflä­ging die gän­gi­gen Prak­ti­ken des moder­nen Manage­ments als Kur­pfu­sche­rei und stellt sie auf eine Stu­fe mit dem vor­wis­sen­schaft­li­chen Ent­wick­lungs­stand der Medi­zin im Mit­tel­al­ter. Zwar hat­ten die Metho­den zu Beginn des Indus­trie­zeit­al­ters auf­grund der spe­zi­el­len his­to­ri­schen Situa­ti­on gro­ßen Erfolg, aber man muss sich fra­gen ob die Metho­den noch ins heu­ti­ge Umfeld der Wis­sens­ar­beit pas­sen. Ins­be­son­de­re soll­te man sich fra­gen, ob die­ses Manage­ment zu Pro­jek­ten passt und je gepasst hat und ob Pro­jekt-Manage­ment nicht schon ein Wider­spruch in sich ist.

Die Ideen von Fre­de­rick Win­slow Tay­lor stell­ten zu ihrer Zeit eine ver­lo­cken­de Lösung für die Nöte der auf­stre­ben­den Indus­trie­kon­zer­ne dar.

Immer etwas bes­ser wer­den, immer etwas bil­li­ger – das war das Mot­to des Tay­lo­ris­mus, das zu den neu ent­ste­hen­den, wei­ten und trä­gen Märk­ten des Indus­trie­zeit­al­ters wie ein Maß­an­zug passte.

Niels Pflä­ging

Der Erfolg des Tay­lo­ris­mus und in sei­ner Kon­se­quenz der Betriebs­wirt­schaft ist nur in die­sem his­to­ri­schen Kon­text begreif­bar. Für die Pro­ble­me der dama­li­gen Zeit war die wis­sen­schaft­li­che Betriebs­füh­rung den Hand­werks­be­trie­ben über­le­gen und geeig­net die Pro­duk­ti­vi­tät um ein Viel­fa­ches zu erhö­hen. Der Preis war aller­dings hoch.

Arbei­ter wur­den so – frei­wil­lig oder unfrei­wil­lig – vom Den­ken befreit. Sie konn­ten dank tay­lo­ris­ti­scher Metho­de als Mensch-Maschi­ne ein­ge­setzt oder nach Belie­ben aus­ge­tauscht werden.

Niels Pflä­ging

Seit­her wur­den die Metho­den des Manage­ments ver­fei­nert und aus­ge­baut ohne jedoch die grund­le­gen­den Prin­zi­pi­en der per­so­nel­len Tei­lung (Den­ken­de vs. Aus­füh­ren­de), der zeit­li­chen Tei­lung (Zeit­li­che Ent­kopp­lung des Denk­pro­zes­ses durch Stan­dar­di­sie­rung, Pla­nung und Kon­trol­le) und der funk­tio­na­len Tei­lung (Spe­zia­li­sie­rung in Funk­ti­ons­be­rei­che) grund­le­gend in Fra­ge zu stel­len. Expe­ri­men­te mit Alter­na­ti­ven Metho­den fan­den in den letz­ten Jahr­zehn­ten genü­gend statt (Toyo­ta, Gore, Sem­co, Who­le­foods, um nur eini­ge zu nen­nen) ein radi­ka­les Umden­ken auf brei­ter Basis ist aller­dings nicht in Sicht, statt­des­sen wird flei­ßig kaput­t­op­ti­miert. Wir sind noch ein gan­zes Stück von der Auf­ga­be ent­fernt, die uns Peter F. Dru­cker einst für das 21. Jahr­hun­dert auf den Weg gab:

The most important […] con­tri­bu­ti­on of manag­ment in the 20th Cen­tu­ry was the fif­ty-fold increase in the pro­duc­ti­vi­ty of the manu­al worker in manu­fac­tu­ring. The most important con­tri­bu­ti­on manage­ment needs to make in the 21st Cen­tu­ry is simi­lar­ly to increase the pro­duc­ti­vi­ty of know­ledge work and the know­ledge worker.

Peter F. Dru­cker, Know­ledge-Worker Pro­duc­ti­vi­ty: The Big­gest Chall­enge. Cali­for­nia Manage­ment Review, 1999

Auch das Pro­jekt­ma­nage­ment hat sei­nen Ursprung im Tay­lo­ris­mus (Hen­ry L. Gantt arbei­te­te bei­spiels­wei­se eng mit Tay­lor zusam­men). Deut­lich sicht­bar sind die per­so­nel­le Tei­lung und die zeit­li­che Tei­lung; die funk­tio­na­le Tei­lung ist auf­grund der gerin­ge­ren Grö­ße weni­ger aus­ge­prägt, wird aber in Form von Rol­len und Unter­tei­lung in Teil­pro­jek­te und Quer­schnitts­funk­tio­nen auf jeden Fall ange­strebt. So logisch sich die tay­lo­ris­ti­sche Metho­de für stan­dar­di­sier­ba­re Pro­duk­ti­on anhört, so frag­wür­dig ist es die­se Metho­den für ein „Vor­ha­ben, das im Wesent­li­chen durch die Ein­ma­lig­keit der Bedin­gun­gen in ihrer Gesamt­heit gekenn­zeich­net ist“ (DIN 69901), vul­go ein Pro­jekt, zum Ein­satz zu brin­gen. Viel­leicht liegt der Grund für das Schei­tern so vie­ler Pro­jek­te dar­an, dass das Werk­zeug nicht zum Pro­blem passt, wir also ver­su­chen mit dem Ham­mer eine Schrau­be in die Wand schla­gen. An die­sem grund­le­gen­den Pro­blem wür­den dann auch kei­ne Zer­ti­fi­ka­te im Häm­mern oder ein ande­rer Ham­mer etwas ändern. Viel­leicht sind die agi­len Metho­den ein Schritt in die rich­ti­ge Rich­tung des grund­le­gen­den Umden­kens. In jedem Fall soll­ten wir vor dem Hin­ter­grund die­ses his­to­ri­schen Bal­lasts alle Metho­den des Pro­jekt­ma­nage­ments täg­lich kri­tisch hinterfragen.

So much of what we call manage­ment con­sists in making it dif­fi­cult for peo­p­le to work.

Peter F. Drucker

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Bild­nach­weis: Das Arti­kel­bild wur­de von Sean Buchan unter dem Titel „Bot­t­le Line“ auf Flickr unter einer Crea­ti­ve-Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

3 Kommentare

Hier noch ergän­zend, wie es Micro­soft geschafft hat, durch schlech­tes Manage­ment alle Chan­cen zu ver­pas­sen. via http://t.co/JZf5FLLa http://www.vanityfair.com/business/2012/08/microsoft-lost-mojo-steve-ballmer?mbid=social_retweet

Wenn man Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on wie folgt sieht, also Pro­jek­te als wis­sens­pro­du­ziern­de tem­po­rä­re Orga­ni­sa­tio­nen, dann ist der Tay­lo­ris­mus sicher total falsch – den beim Wis­sen – gibt es kei­ne Halb­pro­duk­te, die man auf­tei­len könn­te. Bzw. ande­res gesagt – man löst ein Pro­blem, oder löst es nicht. EIne Halb­lö­sung ist kei­ne Lösung

Pro­jekt­orga­ni­sa­ti­on hat zum Ziel, Wis­sen ori­en­tiert an einem Pro­jekt­ziel auf Zeit zusam­men­zu­brin­gen, um neue Pro­blem­lö­sun­gen zu erar­bei­ten (North 2001)

Dan­ke, Hein­rich, für Dei­nen Kom­men­tar. Ich glau­be nicht, dass alle Pro­jek­te pri­mär Wis­sen pro­du­zie­ren. Aber ich bin mir sicher, dass die meis­ten Pro­jek­te ein­ma­li­ge und ein­zig­ar­ti­ge Pro­blem­lö­sun­gen zum Ziel haben. Und dafür ist tay­lo­ris­ti­sches Manage­ment und Krea­ti­vi­täts­apart­heid abso­lut ungeeignet.

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