Fluchhafen Berlin, Stuttgart 21 oder Elbphilharmonie werfen kein gutes Licht auf das Projektmanagement im angehenden 21. Jahrhundert. Untersuchungen wie der CHAOS-Report der Standish Group über den Erfolg von IT-Projekten sprechen eine noch deutlichere Sprache: nur etwa 16% aller untersuchten Projekte waren vollständig erfolgreich, ca. 53% scheiterten wenigstens in einer der Dimensionen Zeit, Kosten oder Qualität und 31% scheiterten komplett (Quelle: Wikipedia). Um es mit Shakespeare zu sagen: »Es ist etwas faul im Staate Dänemark.«
Paul Watzlawick schildert in seinem immer wieder lesenswerten Buch »Anleitung zum Unglücklichsein« die folgende Geschichte:
Unter einer Straßenlaterne steht ein Betrunkener und sucht und sucht. Ein Polizist kommt daher, fragt ihn, was er verloren habe und der Mann antwortet: »Meinen Schlüssel.« Nun suchen beide. Schließlich will der Polizist wissen, ob der Mann sicher ist, den Schlüssel gerade hier verloren zu haben, und jener antwortet: »Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.«
Bei allen Bemühungen das Projektmanagement weiterzuentwickeln, zu professionalisieren und zu standardisieren, bei unserer Suche nach dem richtigen Vorgehensmodell und unseren hitzigen Diskussionen im »Maschinenraum des Projekts« (Olaf Hinz) über den richtigen Schraubenschlüssel, sollten wir uns die Frage stellen, ob wir tatsächlich an der richtigen Stelle suchen, und ob folglich mehr desselben tatsächlich das richtige Rezept ist. Paul Watzlawick nennt zwei Regeln, um sich mit diesem mehr desselben richtig unglücklich zu machen:
Erstens, es gibt nur eine mögliche, erlaubte, vernünftige, sinnvolle, logische Lösung des Problems, und wenn diese Anstrengungen noch nicht zum Erfolg geführt haben, so beweist das nur, dass man sich noch nicht genügend angestrengt hat. Zweitens, die Annahme, dass es nur diese einzige Lösung gibt, darf selbst nie in Frage gestellt werden; herumprobieren darf man nur an der Anwendung dieser Grundannahme.
Wesentliches Merkmal von Projekten ist erstens eine klare Begrenzung der Dauer und des Umfangs sowie zweitens die Abgrenzung zur regelmäßigen Tätigkeit einer Organisation. Letzteres setzt eine gewisse Stabilität in der Tätigkeit und in dem Aufbau von Organisationen voraus. In den trägen Märkten des Industriezeitalters mag diese Stabilität zutreffend gewesen sein, aber ich bezweifle, ob diese Grundannahme in den sehr schnelllebigen Märkten des Wissenszeitalters immer noch zutrifft und wir folglich mit mehr desselben überhaupt erfolgreich sein können.
Kein Zweifel besteht an der Notwendigkeit Projekte durchzuführen. Jedenfalls in dem Sinne, dass es neben den regelmäßigen, wertschöpfenden Tätigkeiten einer Organisation, der Arbeit im System, Tätigkeiten und Vorhaben geben muss, welche die Organisation verbessern, anpassungsfähig und letztendlich überlebensfähig machen, die Arbeit am System. Beides muss in einer gesunden Organisation in ausgewogenem Maße vorhanden sein, geplant und ausgeführt werden. Im momentanen Übergang ins Wissenszeitalter verlagert sich allerdings der Schwerpunkt von der Arbeit im System zur Arbeit am System also von regelmäßiger Tätigkeit zur Projektarbeit. Die Ausnahme wird zur Regel, die kontinuierliche Veränderung zur überlebensnotwendigen Pflicht. Nicht umsonst räumen Unternehmen wie Semco, Google oder Gore genau für diese Arbeit am System ihren Mitarbeitern mehr oder weniger große Spielräume ein.
Das einzig Beständige ist der Wandel.
Vielleicht ist es für erfolgreiche Unternehmen des Wissenszeitalters ja gar nicht so wichtig, Projekte nach den herkömmlichen Maßstäben erfolgreich durchzuführen? Vielleicht ist es in einem schnelllebigen Umfeld viel wichtiger, anpassungsfähig und beweglich zu bleiben anstatt einmal gefasste Ziele stur umzusetzen? Vielleicht braucht es dazu eben eine Vielzahl von Optionen und Ideen anstatt geradliniger Pläne. Vielleicht ist genau diese Vielfalt und Redundanz überlebensnotwendig und keine Verschwendung? Vielleicht gibt es gar keine Projekte, sondern nur verschiedenartige Tätigkeiten, die es innerhalb eines Unternehmens zur organisieren gilt?
Wirkliche Führung beginnt dort, wo das Rechnen aufhört.
– Fredmund Malik
Bildnachweis: Das Artikelbild wurde von -heureux- unter dem Titel „licht ins dunkel…“ auf Flickr unter eine Creative Commons Lizenz (CC BY-SA 2.0) veröffentlicht.
2 Kommentare
Braucht es unbedingt diese Großprojekte, die selbst wieder zu Zentralisierung führen? Und damit zu mehr Unbeweglichkeit?
Mir sieht das meist nach einer Pofilierung auszusehen, um sich damit ins rechte Licht für das jeweils nächste Projekt setzen zu können. Und da der Initiator häufig schon lange vor den ersten großen Problemen das Sprungbrett benutzt hat, darf der Nachfolger retten, was noch zu retten ist.
Sollte Führung dann doch eher so aussehen, dass es im Stillen verläuft und eher die Anderen machen lässt? Nur, in hierarchischen Strukturen werden dann die Unteren versuchen, sich durch wieder ihre eigenen Projekte zu profilieren, um nach oben zu gelangen?
Brauchen wir dann also eine andere Be-WERT-ung für den Erfolg? So dass die Vielzahl (Diversität aber auch Redundanz) kleiner agiler, überschaubarer und damnit besser steuerbarer Projekte den Erfolg darstellen können?
Sicher braucht es mehr Leistung, um den entstehenden Flohzirkus zu bändigen. Aber sollte im Gegenzug durch die höhere Flexibilität nicht mehr Kraft zum Überleben gegeben sein? Wäre das dann nicht wirklich nachhaltiger, als der Blick auf die Quartalszahl der eingesparten Kosten?
Es bleibt noch viel nachzudenken. Jedenfalls vielen Dank für den wichtigen Denkanstoß, Marcus!
Herzlich, Martin
Vielen Dank für Deine weiterführenden Gedanken, Martin!