Projektmanagement ohne Excel ist möglich, aber sinnlos!

Hand auf­’s Herz: Wie vie­le Excel-Tabel­len gibt es in euren Pro­jek­ten? Ein paar Anre­gun­gen gefäl­lig: Lis­te offe­ner Punk­te, Pro­duct-Back­log, Anfor­de­rungs­lis­te, Con­trol­ling, Pro­jekt­plan, Risi­ko­lis­te. Die­se Auf­zäh­lung lie­ße sich bei­na­he end­los fort­set­zen. Jede noch so klei­ne Nische des Pro­jekt­ma­nage­ments hat irgend­je­mand irgend­wann schon ein­mal mit Excel aus­ge­füllt. Oft quick & dir­ty, manch­mal aber auch extrem auf­wän­dig und kom­pli­ziert. Fast macht es den Ein­druck als sei Pro­jekt­ma­nage­ment ohne Excel mög­lich, aber sinn­los. Einer der Grün­de für den flä­chen­de­cken­den Ein­satz von Excel ist aber die fal­sche Vor­ge­hens­wei­se vie­ler Unter­neh­men indem sie über­stürzt Pro­jekt­ma­nage­ment-Werk­zeu­ge ein­füh­ren ohne zuerst die dahin­ter ste­hen­de Metho­dik ver­in­ner­licht zu haben.

Natür­lich wüss­ten wir es bes­ser. Die Viel­zahl an teil­wei­se hoch­in­te­grier­ter Pro­jekt­ma­nage­ment-Soft­ware (sie­he Lis­te auf openPM) spricht Bän­de. Den­noch kommt in der Pra­xis, jeden­falls in mei­ner Pra­xis, doch immer wie­der und fast aus­schließ­lich Excel zum Ein­satz. Ein­zi­ge Aus­nah­me ist oft nur der Pro­jekt­plan in MS Pro­ject, Mer­lin (Affi­lia­te-Link) & Co. – aller­dings meist nur als Fas­sa­de, um sich den Anstrich der Pro­fes­sio­na­li­tät zu geben. Ein metho­disch sau­be­rer und sinn­vol­ler Ein­satz (wie in der Serie Pro­jekt­pla­nung 101 aus­führ­lich beschrie­ben) ist eher sel­ten anzu­tref­fen, in den aller­meis­ten Fäl­len wer­den MS Pro­ject, Mer­lin & Co. genutzt wie Excel: Kei­ne Ver­knüp­fun­gen, dafür fes­te Anfangs- und End­zei­ten und die Bal­ken ein­fach an die gewünsch­te Posi­ti­on schie­ben. So muss Technik!

A fool with a tool is still a fool.
Ame­ri­ka­ni­sches Sprichwort

Es gibt Aus­nah­men. Ich ken­ne eine Rei­he hoch­pro­fes­sio­nel­ler Pro­jekt­ma­na­ger, die MS Pro­ject, Mer­lin & Co. sinn­voll und rich­tig ein­set­zen und in der Lage sind die rich­ti­gen Werk­zeu­ge für das jewei­li­ge Pro­jekt rich­tig anzu­wen­den. Inklu­si­ve Excel. Der Unter­schied liegt näm­lich nicht im Werk­zeug, son­dern in der Her­an­ge­hens­wei­se. Das Werk­zeug steht ganz am Ende. Am Anfang steht die Fra­ge nach der Stra­te­gie und der Metho­dik: Wo ste­hen wir? Wo wol­len wir hin? Wie gehen wir vor? Und was brau­chen wir dafür im Pro­jekt? Neh­men wir an, ein Soft­ware­pro­jekt umfasst eine grö­ße­re Men­ge von rela­tiv klei­nen und im Wesent­li­chen unab­hän­gi­gen Anfor­de­run­gen, die irgend­wann auf­kom­men, bewer­tet und dis­ku­tiert, umge­setzt, getes­tet und aus­ge­lie­fert wer­den müs­sen. Hier­für einen Ablauf­plan zu ver­wal­ten wäre offen­sicht­lich ohne jeden Mehr­wert, wür­de aber erheb­li­chen Auf­wand gene­rie­ren, eine Lis­te der Anfor­de­run­gen reicht völ­lig. Bei genaue­rer Betrach­tung wür­de sich sogar ein web­ba­sier­tes Werk­zeug zur Ver­wal­tung von Anfor­de­run­gen (oder ein Bug­track­ing-Tool) anbie­ten, weil dort die Dis­kus­si­on in Form von Kom­men­ta­ren mit dem jewei­li­gen Ein­trag ver­bun­den ist. Ver­wal­tet man die Lis­te in Excel fin­det die Dis­kus­si­on an ande­rer Stel­le statt, bei­spiels­wei­se in E‑Mails, und lässt sich bei Bedarf nicht mehr oder nicht effi­zi­ent auffinden.

Was für die Aus­wahl der Werk­zeu­ge im Pro­jekt im Klei­nen gilt, näm­lich zuerst Stra­te­gie, dann die pas­sen­de Metho­de, dann das kon­kre­te Werk­zeug dazu, gilt auch für die Unter­neh­men im Gro­ßen und ins­be­son­de­re für die Aus­bil­dung der Mit­ar­bei­ter. Vie­le Unter­neh­men machen es aber genau anders her­um: Aus Grün­den der Stan­dar­di­sie­rung (und weil die fal­schen Men­schen mit­ein­an­der Golf spie­len) wird ein Werk­zeug für alle ver­pflich­tend ein­ge­führt und geschult. Dass wir in der Pra­xis so viel Excel sehen und MS Pro­ject, Mer­lin & Co wie Excel ver­wen­det wer­den, zeigt deut­lich, dass das Werk­zeug ohne Metho­dik nichts bewirkt und höchs­tens Frust und Auf­wand erzeugt. Es bleibt dann alles beim Alten: intern wird wie eh und je mit Excel gear­bei­tet und dann um der Form Genü­ge zu tun mehr oder weni­ger flei­ßig in das neue Stan­dard­werk­zeug übertragen.

Pro­jekt­ma­nage­ment ist nie eine Fra­ge des Werk­zeugs. Ein erfah­re­ner Pro­jekt­ma­na­ger kommt auch mit Excel zurecht und einem uner­fah­re­nen hel­fen auch die bes­ten Werk­zeu­ge nicht. Werk­zeu­ge brin­gen nur dann einen Nut­zen, wenn sie zur Stra­te­gie und Metho­dik passen.

Foto: Das Arti­kel­bild wur­de von zzpza unter dem Titel „Tools“ auf Flickr unter einer Crea­ti­ve Com­mons CC BY 2.0 Lizenz veröffentlicht.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

4 Kommentare

Hal­lo Herr Raitner,

guter Arti­kel. Vie­len Dank für den Impuls. Er bestä­tigt mich in mei­ner Mei­nung. Das PM-Tool muss so kon­zi­piert sein, dass es allen Mit­ar­bei­ter/-innen im Pro­jekt einen Mehr­wert bringt. Das bedeu­tet, zunächst steht das PM Vor­ge­hen (Pro­jekt­pha­sen, Pro­jekt­auf­trag usw.). Das muss ich kön­nen. Und dann erst stellt sich die Fra­ge nach dem Tool. 

Alle „fer­ti­gen“ Tools bie­ten ein PM Vor­ge­hen „out of the box“ an. Bei einem fal­schem (?) Ansatz besteht das Risi­ko, dass der fach­li­che Pro­zess (PM Vor­ge­hen) an das Tool ange­passt wird. Und spä­tes­tens da sind wir wie­der bei Excel. Die Mit­ar­bei­ter/-innen mer­ken das schnell. Der fach­lich not­wen­di­ge Pro­zess (die Rea­li­tät) wird dann via Excel abge­bil­det und das Tool (wie die Golf­pie­ler es so wol­len :-) halt dann auch gepflegt und als Over­head wahr­ge­nom­men. Gut das es ein Pro­jekt Office gibt :-).

Schö­nen Fei­er­tag wünscht
Erwin Zauner

Vie­len Dank Herr Zau­ner für Ihre Zustim­mung und Ergän­zun­gen. Es zeigt mir, dass nicht nur ich die­se Miss­stän­de wahrnehme.

Wir haben bei Opti­mal Sys­tems inzwi­schen ganz gute Ergeb­nis­se mit Smarts­heet erzielt. Qua­si ein Excel in der Cloud, wo auch die Mög­lich­keit der Gant-Dar­stel­lung gege­ben ist. Wich­tigs­ter Punkt ist aller­dings die gemein­sa­me Nut­zung mit Kun­den, um genau die Dis­kus­sio­nen dort zu füh­ren, wo ich dran arbei­te, eben nicht via E‑Mail.
VG Mar­tin Bartonitz

Ja, so gemein­sam an einem Sheet zu arbei­ten, bringt schon Mal rich­tig viel. Goo­g­le­Docs kann das ja auch. Neh­men wir viel für openPM und PM Camp her.

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