Zielvereinbarungen: Ein Spiel mit dem Feuer

Die regel­mä­ßi­gen Leser wis­sen, dass ich kein gro­ßer Freund von Moti­va­ti­on mit­tels mone­tä­rer Anrei­ze bin. Ich hal­te Men­schen für prin­zi­pi­ell leis­tungs­be­reit und moti­viert, falls sie ihren Bei­trag und das Gesamt­vor­ha­ben für sinn­voll hal­ten. Zur Klä­rung der Fra­ge, wie die indi­vi­du­el­le Moti­va­ti­on des Mit­ar­bei­ters sinn­voll in den grö­ße­ren Kon­text des Pro­jekts oder des Unter­neh­mens passt und was dar­aus abge­lei­tet die Auf­ga­ben des Mit­ar­bei­ters sein soll­ten, sind Ziel­ver­ein­ba­run­gen tat­säch­lich ein gutes Füh­rungs­in­stru­ment. Wie jedes Werk­zeug kön­nen und wer­den Ziel­ver­ein­ba­run­gen aber oft miss­braucht durch dar­an gekop­pel­te Anreiz­sys­te­me, um dem Mit­ar­bei­ter Sinn von außen auf­zu­zwin­gen. Ein Spiel mit dem Feuer.

Ori­en­tie­rung zu bie­ten ist eine wesent­li­che Auf­ga­be von Füh­rung. Mit­ar­bei­tern Zie­le und Sinn eines Vor­ha­bens im Dia­log zu ver­mit­teln ist dafür sicher ein guter Ansatz. Lei­der schei­tern vie­le bereits vor­her, weil ein tie­fe­rer Sinn als Gewinn zu erwirt­schaf­ten nicht exis­tiert. Gewinn und direkt damit kor­re­lier­te Mess­grö­ßen wie die Aus­las­tung von Mit­ar­bei­tern kön­nen aber nie­mals der Zweck eines Unter­neh­mens sein, son­dern immer nur ein Indi­ka­tor eines rich­ti­gen Unter­neh­mens­zwecks. Ent­spre­chend kön­nen die­se Grö­ßen per se nie­mals Zie­le eines Mit­ar­bei­ters sein, son­dern höchs­tens Maß­stab für die Zielerreichung.

Sozu­sa­gen als Sinn­pro­the­se wer­den dann auf­wän­di­ge Unter­neh­mens­vi­sio­nen erar­bei­tet. Die­se lee­ren Wor­te ver­hal­len aber unge­hört, weil ihnen die Sub­stanz fehlt. Gera­de bei gro­ßen Dienst­leis­tungs­un­ter­neh­men ist es tat­säch­lich eine Her­aus­for­de­rung, die­sen tie­fe­ren Sinn und Zweck des Unter­neh­mens jen­seits von Aus­las­tung, Umsatz und Gewinn zu fin­den. Zu belie­big und oppor­tu­nis­tisch gewählt sind die Pro­jek­te, als dass ihnen eine gemein­sa­me Rich­tung inne­woh­nen könn­te. Hier beginnt ech­te Füh­rung. Und hier beginnt die Kunst der Zielvereinbarung.

Die eige­ne Klar­heit als Füh­rungs­kraft hin­sicht­lich der Zie­le und des Zwecks sind also eine not­wen­di­ge Bedin­gung für Ziel­ver­ein­ba­run­gen mit Mit­ar­bei­tern. Der Begriff Ver­ein­ba­rung ist dabei bewusst gewählt: Auf der einen Sei­te das Unter­neh­men, Vor­ha­ben oder Pro­jekt mit sei­nem Sinn und Zweck auf der ande­ren Sei­te der Mit­ar­bei­ter mit sei­ner intrin­si­schen Moti­va­ti­on und sei­nen Zie­len. Die Auf­ga­be der Füh­rungs­kraft ist es, best­mög­li­chen zwi­schen die­sen Polen zu ver­mit­teln. Zu oft aber dege­ne­rie­ren sol­che Ziel­ver­ein­ba­run­gen zu blo­ßen Ziel­vor­ga­ben. Aus dem prin­zi­pi­ell frucht­ba­ren Dia­log über Zie­le wer­den dann ein­fach Anwei­sun­gen. Aus Selbst- und Mit­be­stim­mung wird Fremd­be­stim­mung. Da Auto­no­mie aber ein zen­tra­ler Moti­va­tor für Men­schen ist, lei­det die Moti­va­ti­on mas­siv. Um das wie­der zu kom­pen­sie­ren, wer­den mone­tä­re Anrei­ze gebo­ten. Die­se Art der Moti­va­ti­on funk­tio­niert aber nur bei ganz ein­fa­chen manu­el­len Tätig­kei­ten und bewirkt im Fal­le von Wis­sens­ar­beit nach­weis­lich das Gegenteil.

The ans­wer to the ques­ti­on mana­gers so often ask of beha­vi­oral sci­en­tists „How do you moti­va­te peo­p­le?“ is, „You don’t.“
Dou­glas McGregor

Rich­tig ein­ge­setzt fin­de ich Ziel­ver­ein­ba­run­gen also prin­zi­pi­ell ein gutes Werk­zeug. Dabei geht es mir in ers­ter Linie aber um die dia­lo­gi­sche Annä­he­rung zwi­schen dem Indi­vi­du­um, sei­nen Zie­len und sei­ner intrin­si­schen Moti­va­ti­on und den Zie­len und dem Zweck des Gesamt­vor­ha­bens. Das ist deut­lich schwie­ri­ger und auf­wän­di­ger als ein­fach Ziel­vor­ga­ben zu machen, aber auch deut­lich wert­schät­zen­der und moti­vie­ren­der. Der­art ver­ein­bar­te Zie­le kön­nen dann mei­net­we­gen auch mit mone­tä­ren Anrei­zen ver­se­hen wer­den. Die­se soll­ten aber als Bonus gestal­tet wer­den und nicht in Form eines varia­blen Gehalts­an­teils, der auf mich immer wie ein Miss­trau­ens­ein­be­halt und damit eher demo­ti­vie­rend wirkt.

Arti­kel­bild: Mon­te­cruz Foto bei flickr.com (CC BY-SA 2.0)

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

4 Kommentare

Lie­ber Mar­cus, wie­der ein­mal stim­me ich Dir aus vol­lem Her­zen zu. Nach mei­ner Mei­nung soll­ten in einer Ziel­ver­ein­ba­rung, die dem von Dir beschrie­be­nen Anspruch genügt, die quan­ti­ta­ti­ve Metrik (Zah­len) zweit­ran­gig sein und beson­ders die gemein­sa­men qua­li­ta­ti­ven Ansprü­che wesent­lich sein. Nur sind die­se halt schwe­rer zu fin­den und zu for­mu­lie­ren als eine ein­fa­che Zahl …

Lie­ber Roland, vie­len Dank für Dei­ne Bekräf­ti­gung mei­ner Argu­men­te. Lei­der ste­hen in vie­len Unter­neh­men aber allen die Zah­len im Fokus von Ziel­ver­ein­ba­run­gen und zwar als Ziel und nicht als Indi­ka­tor. Auf unters­ter Ebe­ne des ein­zel­nen Mit­ar­bei­ters die indi­vi­du­el­le Aus­las­tung zu ver­zie­len hal­te ich für gro­ben Unfug.

Ich las vor Tagen ein Zitat dar­über, dass Ver­trä­ge grund­sätz­lich kei­nen Sinn mach­ten, außer sich am Ende vor Gericht zu tref­fen. Wer es ernst mit­ein­an­der meint, braucht den Ver­trag nicht, und wer von vorn­her­ein Vor­teil neh­men möch­te, den wird auch ein Ver­trag nicht abhalten.

Und so wird es also bei der Sinn-Kopp­lung blei­ben. Ich wer­de mich dann rich­tig rein­hän­gen, wenn ich den Vor­teil für alle Betei­lig­ten erken­nen kann.

Ich haben den Arti­kel wie­der hier refe­ren­ziert: http://wirdemo.buergerstimme.com/2014/06/zielvereinbarungen/

Vie­le Grü­ße, Martin

Dan­ke Mar­tin für Dei­ne Initia­ti­ve. Ein ähn­li­ches Zitat stammt glau­be ich von Jean Paul Getty:

Wenn man einem Men­schen trau­en kann, erüb­rigt sich ein Ver­trag. Wenn man ihm nicht trau­en kann, ist ein Ver­trag nutzlos.

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