Wissensarbeit in den Strukturen des Industriezeitalters

Nicht immer hat man in gro­ßen hier­ar­chisch orga­ni­sier­ten Unter­neh­men das Gefühl, dass alle am glei­chen Strang zie­hen und ein gemein­sa­mes Unter­neh­mens­ziel ver­fol­gen. Viel­mehr ver­pufft ein nicht zu ver­nach­läs­si­gen­der Teil der ein­ge­setz­ten Ener­gie der Mit­ar­bei­ter ohne einen Bei­trag zur Wert­schöp­fung durch poli­ti­sche Kämp­fe der ein­zel­nen Silos um Macht und Ein­fluss. Gegen einen frucht­ba­ren Dis­sens unter Spe­zia­lis­ten im Rin­gen für die gemein­sa­me Sache ist nichts ein­zu­wen­den, wohl aber gegen die­se unfrucht­ba­re Kon­kur­renz im täg­li­chen Grabenkampf.

Infor­ma­ti­on is data endo­wed with rele­van­ce and pur­po­se. Con­ver­ting data into infor­ma­ti­on thus requi­res know­ledge. And know­ledge, by defi­ni­ti­on, is specialized.
Peter F. Dru­cker, The coming of the new organization

Wis­sens­ar­beit bedingt einen hohen Grad an Spe­zia­li­sie­rung und die ziel­ge­rich­te­te Zusam­men­ar­beit vie­ler Spe­zia­lis­ten mehr oder weni­ger auf Zuruf nach Bedarf der kon­kre­ten Auf­ga­ben. Die Orga­ni­sa­ti­on von Wis­sens­ar­beit mit den klas­si­schen Mit­teln des Indus­trie­zeit­al­ters ist dafür zu starr. Die bekann­ten Hier­ar­chien gren­zen per Defi­ni­ti­on ab und för­dern prin­zi­pi­ell die Kon­kur­renz. Befeu­ert wird die­ser Kampf durch Pro­zes­se der Bud­get­zu­tei­lung und dem Füh­ren durch (wider­stre­ben­de) Zie­le. Wol­len wir die Zusam­men­ar­beit in einem gemein­sa­men Unter­neh­men mit einem gemein­sa­men Unter­neh­mens­zweck und gemein­sa­men Zie­len wirk­lich immer noch als Null­sum­men­spiel orga­ni­sie­ren? Passt das zur Wissensarbeit?

Peter F. Dru­cker pos­tu­lier­te in sei­nen Über­le­gun­gen zur rich­ti­gen Orga­ni­sa­ti­ons­form für das Zeit­al­ter der Wis­sens­ar­beit schon im Jah­re 1988, dass die Unter­neh­men der Zukunft weni­ger den Indus­trie­un­ter­neh­men mit ihren Hier­ar­chien und Befehls­struk­tu­ren, son­dern eher Kran­ken­häu­sern oder Sym­pho­nie­or­ches­tern glei­chen wer­den. Die Zuge­hö­rig­keit zu einer Abtei­lung wird daher immer unwich­ti­ger, weil die Auf­ga­ben die über­grei­fen­de Zusam­men­ar­beit der Spe­zia­lis­ten ver­schie­de­ner Abtei­lun­gen in mehr oder weni­ger spon­tan gebil­de­ten Teams erfordern.

Tra­di­tio­nal depart­ments will ser­ve as guar­di­ans of stan­dards, as cen­ters for trai­ning and the assign­ment of spe­cia­lists; they won’t be whe­re the work gets done. That will hap­pen lar­ge­ly in task-focu­sed teams.
Peter F. Dru­cker, The coming of the new organization

An die Stel­le von immer sper­ri­ge­ren Hier­ar­chien tre­ten Netz­wer­ke von Spe­zia­lis­ten zum Aus­tausch inner­halb eines Spe­zi­al­ge­biets mit eher noma­di­scher Füh­rung und direk­tem Berichts­weg zur Unter­neh­mens­füh­rung sowie inter­dis­zi­pli­nä­re Teams von Spe­zia­lis­ten, die sich nach Bedarf der Auf­ga­ben for­men und auf­lö­sen. Ent­schei­dend dabei ist die Fokus­sie­rung auf ein gemein­sa­mes Ziel an dem sich die Zusam­men­ar­beit ori­en­tie­ren kann. Das ist die wesent­li­che Füh­rungs­auf­ga­be mit obers­ter Prio­ri­tät (eigent­lich schon immer), für die ohne die Kämp­fe um Bud­gets und Macht auch genü­gend Zeit sein dürfte.

Infor­ma­ti­on-based orga­niza­ti­ons, in other words, requi­re clear, simp­le, com­mon objec­ti­ves that trans­la­te into par­ti­cu­lar actions. At the same time, howe­ver, as the­se examp­les indi­ca­te, infor­ma­ti­on-based orga­niza­ti­ons also need con­cen­tra­ti­on on one objec­ti­ve or, at most, on a few.
Peter F. Dru­cker, The coming of the new organization

Der Schlüs­sel zur Orga­ni­sa­ti­on pro­duk­ti­ver Wis­sens­ar­beit liegt in der Ermög­li­chung und För­de­rung von inter­dis­zi­pli­nä­rer Koor­per­a­ti­on zur Errei­chung eines gemein­sa­men Ziels. Die klas­si­schen Hier­ar­chien des Indus­trie­zeit­al­ters bewir­ken das Gegen­teil indem sie zu Abgren­zung und Macht­kämp­fen füh­ren. Die Spe­zia­lis­ten auf Arbeits­ebe­ne leben täg­lich mit dem Wider­spruch zwi­schen dem was eigent­lich getan wer­den müss­te, sie aber nicht tun kön­nen oder dür­fen ohne um Erlaub­nis gefragt zu haben. Sicher­lich ist die­ser Kon­flikt der Leis­tungs­be­reit­schaft in hin­der­li­chen Struk­tu­ren gepaart mit einer grund­sätz­li­chen Ten­denz zur Infan­ti­li­sie­rung der Mit­ar­bei­ter nicht unschul­dig an der Zunah­me von stress­be­ding­ten psy­chi­schen Erkran­kun­gen in den letz­ten Jahrzehnten.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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