Blinder Optimismus

Opti­mis­mus ist sicher uner­läss­lich für Füh­rungs­kräf­te, aber wie bei allem gilt auch hier die Regel von Para­cel­sus: „Die Dosis macht das Gift.“ Blin­der und somit unrea­lis­ti­scher Opti­mis­mus tri­via­li­siert die zu bewäl­ti­gen­den Auf­ga­ben, negiert die Mög­lich­keit des Schei­terns und demo­ti­viert die Mitarbeiter.

Das Gegen­teil von gut ist gut gemeint.
Kurt Tuchol­sky

Das Pro­jekt tief­rot, hek­ti­scher Aktio­nis­mus und Taskforces haben schon lan­ge die geord­ne­te Arbeit abge­löst, aber das Manage­ment betont bei jeder Gele­gen­heit: „Wir schaf­fen das!“. Die Mit­ar­bei­ter, wel­che die Pro­ble­me ja genau­es­tens ken­nen, sind dann einer­seits fas­sungs­los über so viel Nai­vi­tät und Welt­fremd­heit. Ande­rer­seits sind sie demo­ti­viert und ent­täuscht, weil in der gut gemein­ten Bot­schaft (beab­sich­tigt oder nicht) mit­schwingt: „Das ist doch nicht so schwer. Stellt euch nicht so an!“

The basis of opti­mism is sheer terror.
Oscar Wil­de

Unrea­lis­ti­scher Opti­mis­mus ist wie das Pfei­fen im dunk­len Wald, eine Beru­hi­gung der ver­ängs­tig­ten Mana­ger­see­le. Was nicht sein darf wird schön­ge­re­det. Das Schei­tern wird so lan­ge negiert bis das tote Pferd zu rie­chen beginnt und manch­mal sogar noch lan­ge dar­über hin­aus. Alles auf dem Rücken der Betei­lig­ten, die schon lan­ge nicht mehr an die­ses Todes­marsch-Pro­jekt glau­ben, dafür aber umso mehr ange­trie­ben werden.

In pro­ject manage­ment, a death march is a pro­ject whe­re the mem­bers feel it is desti­ned to fail, or requi­res a stretch of unsus­tainable over­work. The gene­ral feel of the pro­ject reflects that of an actu­al death march becau­se the mem­bers of the pro­ject are forced to con­ti­nue the pro­ject by their supe­ri­ors against their bet­ter judgment.
Quel­le: Wiki­pe­dia

Die eigent­li­che Füh­rungs­auf­ga­be ist es, die anver­trau­ten Mit­ar­bei­ter in die Lage zu ver­set­zen, gemein­sam Her­aus­for­de­run­gen zu bewäl­ti­gen. Ent­schei­dend dabei sind die Sinn­haf­tig­keit des Vor­ha­bens und das Selbst­ver­trau­en der Mit­ar­bei­ter. Der Ein­satz muss sich loh­nen und die Akteu­re müs­sen dar­an glau­ben, es schaf­fen zu kön­nen. Wer die Her­aus­for­de­run­gen aber mit blin­dem Opti­mis­mus klein­re­det oder mit ganz viel Micro­ma­nage­ment bei der Bewäl­ti­gung unter­stützt, hilft nicht son­dern demo­ti­viert und ent­mün­digt sei­ne Mitarbeiter.

Anstatt bei jeder Gele­gen­heit unrea­lis­ti­schen und unge­recht­fer­tig­ten Opti­mis­mus zu ver­sprü­hen tun Füh­rungs­kräf­te gut dar­an, denn Sinn des Vor­ha­bens in den Mit­tel­punkt zu stel­len und jeden Mit­ar­bei­ter zu unter­stüt­zen, für sich selbst Sinn dar­in zu fin­den. Dar­über­hin­aus ein­fach ehr­lich an die Mit­ar­bei­ter glau­ben und sie ernst­haft befä­hi­gen, die Auf­ga­ben zu bewäl­ti­gen und an ihnen zu wach­sen. Und ansons­ten ein­fach vom toten Pferd abstei­gen, dar­aus ler­nen und was Sinn­vol­le­res machen.

Eine Kri­se ist ein pro­duk­ti­ver Zustand. Man muss ihr nur den Bei­geschmack der Kata­stro­phe nehmen.
Max Frisch

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Sehe ich hier einen Fin­ger­zeig auf die aktu­el­le Situa­ti­on der Flücht­lings­wel­le? Nur dass wir hier gar nicht so schnell aus­stei­gen kön­nen, woll­ten wir die Men­schen nicht vor unse­rer Gren­ze zu Grun­de gehen las­sen. Aber das Gefühl, die­se vor der Gren­ze sich auf­tür­men­de Wel­le bedürf­ti­ger Men­schen – über 50 Mil­lio­nen sei­en unter­wegs, wenn auch nicht alle nach Deutsch­land – nicht bewäl­ti­gen zu kön­nen, ist aller­dings schon nach­voll­zieh­bar. Ich habe Bekann­te bei der Poli­zei, die schon seit Wochen am Anschlag ihrer Kräf­te sind. Ande­re Bekann­te sind bei jenen Orga­ni­sa­tio­nen beschäf­tigt, die sich um die Flücht­lin­ge küm­mern. Auch von hier höre ich, dass vie­le Betreu­er es nicht mehr schaf­fen und gehen.

Es gibt aber auch ande­ren Mel­dun­gen, die auf­zei­gen, was in sol­chen Situa­tio­nen zu tun ist, so dass die Bewäl­ti­gung sol­cher gefühlt unlös­ba­ren Auf­ga­ben doch funk­tio­nie­ren, siehe:

Gemein­de Alte­na im Sau­er­land: ein agi­les Bei­spiel für die Orga­ni­sa­ti­on der Flüchtlingsaufnahme

Ich den­ke, dass es in die­sem Fall gut wäre, doch den Opti­mis­mus zu behal­ten. Andern­falls käme es wohl zu Cha­os und Gewalt.

In der Regel stim­me ich aber zu, dass es bes­ser ist, rea­lis­tisch zu sein und vom toten Pferd zu stei­gen und das Pro­jekt zu beenden.

Ich wün­schen noch ein fro­hes Rest-Osterfest
Martin

p.s.: … und dass wir bald auch von den weni­ger schö­nen Pro­jek­ten der Krie­ge (inkl. Wirt­schafts­krie­ge via IWF) las­sen. Jesus, des­sen wir gera­de wie­der geden­ken, hät­te die­se Krie­ge sicher nicht gut gehei­ßen. Ich wun­de­re mich immer wie­der, dass Chris­ten im Namen der Men­schen­rech­te noch immer Krie­ge befürworten :-(

Nein, Mar­tin, eigent­lich kein Fin­ger­zeig auf die Flücht­lings­wel­le. Obwohl ich da schon auch Par­al­le­len sehe und die Füh­rungs­auf­ga­be tat­säch­li­chen wäre immer wie­der auf den Sinn zu pochen: es ist unse­re mensch­li­che Pflicht ande­ren in Not zu hel­fen. Natür­lich reicht auch hier blin­der Opti­mis­mus nicht, die Hel­fen­den an vor­ders­ter Front dür­fen nicht allein gelas­sen wer­den oder sogar in ihrer Arbeit büro­kra­ti­sche behin­dert werden.

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