Die IT im Wandel: Vom Kostenfaktor zum Innovationstreiber

Seit ihrem Auf­kom­men im letz­ten Jahr­hun­dert wird die Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie (IT), in Deutsch­land ger­ne auch etwas sper­rig Elek­tro­ni­sche Daten­ver­ar­bei­tung (EDV) genannt, rein als Kos­ten­fak­tor behan­delt. Soft­ware wird von der Stan­ge gekauft oder maß­ge­fer­tigt, betrie­ben und gewar­tet. Ihre Auf­ga­be ist die Unter­stüt­zung der Unter­neh­mens­pro­zes­se. Effi­zi­enz und Sta­bi­li­tät lau­ten ihre wesent­li­chen Zie­le. Anpas­sun­gen sind die Aus­nah­me und erfol­gen im Rah­men von Pro­jek­ten. In einer Zeit, die sich tref­fend mit dem Akro­nym VUCA (kurz für vola­ti­li­ty, uncer­tain­ty, com­ple­xi­ty und ambi­gui­ty) beschrei­ben lässt, müs­sen sich Unter­neh­men und ihre Pro­zes­se und nicht zuletzt ihre IT deut­li­cher schnel­ler als in der Ver­gan­gen­heit auf neue Chan­cen und Her­aus­for­de­run­gen ein­stel­len kön­nen. Und sich von IT-Pro­jek­ten als Werk­zeug zur Ver­än­de­rung verabschieden.

Infor­ma­ti­on tech­no­lo­gy so far may well have done serious dama­ge to manage­ment, becau­se it is so good at get­ting addi­tio­nal infor­ma­ti­on of the wrong kind. Based upon the 700-year-old accoun­ting sys­tem desi­gned to record and report insi­de data, infor­ma­ti­on tech­no­lo­gy pro­du­ces more data about the insi­de. It pro­du­ces prac­ti­cal­ly no infor­ma­ti­on about any­thing that goes on out­side of the enterprise.
Peter F. Dru­cker, Management’s new paradigms

Die Bedeu­tung von Soft­ware wan­delt sind sich seit Jah­ren in fast allen Bran­chen von einer unter­stüt­zen­den Tech­no­lo­gie hin zu einem immer wesent­li­che­ren Ele­ment in der Wert­schöp­fung. Und das ist erst der Vor­ge­schmack auf ein Inter­net of Things und den mit die­ser Ver­net­zung mög­li­chen Diens­ten. Sehr schön zu beob­ach­ten ist die­ser Wan­del in der Auto­mo­bil­bran­che, wo immer mehr die Soft­ware in den Fahr­zeu­gen (Stich­wort: Auto­no­mes Fah­ren), aber auch die Soft­ware-Öko­sys­te­me, in die die­se Fahr­zeu­ge ein­ge­bet­tet sind (Stich­wort: Over-the-Air-Updates), zum maß­geb­li­chen Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal wird. In gewis­ser Wei­se sind Autos heu­te die Han­dys der Prä-Smart­phone-Ära: auch schon ein biss­chen intel­li­gent und ganz prak­tisch, so rich­tig ver­ste­hen wer­den wir, was uns gefehlt hat, aber erst rück­bli­ckend. Frei­lich wird es dann für eini­ge Her­stel­ler zu spät sein. So wie für Nokia.

An enter­pri­se, whe­ther a busi­ness or any other insti­tu­ti­on, that does not inno­va­te, and does not enga­ge in entre­pre­neur­ship will not sur­vi­ve long.
Peter F. Dru­cker, Management’s new paradigms

Je mehr die Soft­ware im Pro­dukt oder im Öko­sys­tem des Pro­dukts zum Dif­fe­ren­zie­rungs­merk­mal wird, des­to mehr ist die IT gefor­dert zum Inno­va­ti­ons­trei­ber zu wer­den. Ein­mal ent­wor­fe­ne und dann jahr­zehn­te­lang mög­lichst effi­zeit und sta­bil betrie­be­ne Soft­ware­sys­te­me wird es immer weni­ger geben. Statt­des­sen wird auf­grund des unkal­ku­lier­ba­ren Markt­um­felds und der immer zen­tra­le­ren Stel­lung der Soft­ware in der Wert­schöp­fung die Ver­än­de­rung die Regel und nicht mehr die Aus­nah­me sein. Die­sem neu­em Pri­mat der Anpas­sungs­fä­hig­keit und Agi­li­tät muss aber auch struk­tu­rell Rech­nung getra­gen wer­den. Plan­ge­trie­be­ne Pro­jek­te mit lan­gem Vor­lauf zur Geneh­mi­gung wer­den der gefor­der­ten Schlag­zahl eher nicht gerecht werden.

Wir arbei­ten in Struk­tu­ren von Ges­tern mit Metho­den von heu­te an Stra­te­gien für Mor­gen vor­wie­gend mit Men­schen, die die Struk­tu­ren von ges­tern geschaf­fen haben und das Über­mor­gen in der Unter­neh­mung nicht mehr erle­ben werden.
Knut Blei­cher

Die Unter­neh­mens-IT muss ler­nen, in Pro­duk­ten statt in Pro­jek­ten zu den­ken. Wie Goog­le oder Spo­ti­fy. Und Pro­duk­te brau­chen fes­te Teams, die die­se Pro­duk­te per­ma­nent opti­mie­ren; einer­seits auf Anfor­de­rung von außen und ande­rer­seits durch eige­ne inno­va­ti­ve Ideen. Soft­ware ist eben nicht ein­fach – oder jeden­falls nicht mehr – eine Maschi­ne, die betrie­ben und ein biss­chen gewar­tet wer­den muss oder in grö­ße­ren Pro­jek­ten umge­baut wer­den muss. Soft­ware kann, soll­te und wird mehr sein als ein Kostenfaktor.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

12 Kommentare

Die Unter­neh­mens-IT muss ler­nen in Pro­duk­ten zu den­ken“ … Genau so ist es. Und nicht nur die, auch IT-Unter­neh­men, also Unter­neh­men, die da noch viel mehr drin sind, müs­sen das. Und es gibt viel zu tun. Dar­um wer­den selbst­or­ga­ni­sier­te Teams und agi­le Metho­den immer wich­ti­ger. Zeit für jeden sich damit zu beschäftigen.

Die U‑IT muß vor allem ler­nen, in Gesamt­auf­wän­den zu den­ken und sich als Dienst­leis­ter für die Beleg­schaft und das Unter­neh­men zu ver­ste­hen, denen sie die geeig­nets­ten Tools und Umge­bun­gen bereit­stel­len soll.
Ich fin­de die Abgren­zung zwi­schen ‚EDV‘ (Elek­tro­ni­sche Daten­ver­ar­bei­tung, ges­tern) und ‚IT‘ (Infor­ma­ti­ons­Tech­no­lo­gie, Inno­va­ti­ons­Trei­ber, heu­te) zu wich­tig, um die Begrif­fe ein­fach gleichzusetzen.
Dem­entspre­chend set­ze ich die Begrif­fe auch getrennt von­ein­an­der ein, um zwi­schen Bestand (bzw. gut gemeint) und Visi­on (gut getan und nach­hal­tig) zu unterscheiden.

Sich als Dienst­leis­ter für Beleg­schaft und Unter­neh­men zu ver­ste­hen, setzt aber auch vor­aus, dass man der Unter­neh­mens-IT die Mög­lich­keit dazu gibt.
In dem Zusam­men­hang hilft es viel­leicht, sich selbst mit dem Kon­text ver­traut zu machen, in dem sich die IT bewegt: Einer­seits muss sie näm­lich Bestands­pfle­ge machen, also das in Schuss hal­ten, was schon da ist. Ande­rer­seits muss sie aber auch Rech­nung dafür tra­gen, dass sie auch zukünf­ti­gen Anfor­de­run­gen gerecht wird. Allein die Auf­ga­be, bei­des unter einen Hut zu brin­gen, ist schwie­rig. Die Fra­ge, die man sich also stel­len muss, ist: Wie kann man der eige­nen IT-Abtei­lung dabei unter die Arme grei­fen? Ein­fach nur ver­lan­gen, dass sie sich als Dienst­leis­ter sehen soll, wird nicht ausreichen.

Genau dar­um geht es mir, Patrick: die Unter­neh­mens-IT muss natür­lich ent­spre­chend auf­ge­stellt wer­den. Das ist sie heu­te auf­grund der ein­sei­ti­gen Aus­rich­tung auf Effi­zi­enz und den inzwi­schen völ­lig ande­ren Anfor­de­run­gen an Anpas­sungs­fä­hig­keit noch nicht. Und ich weiß aus ers­ter Hand mit wel­chen Pro­ble­men die IT zwi­schen Bestands­pfle­ge (Stich­wort: Zoo) und Inno­va­ti­on zu kämp­fen hat.

Ja, Mar­cus, ich stim­me Dir zu. Jetzt muss ich in mei­nem Kopf zwei Din­ge klar bekommen:

Unter­neh­men haben Pro­duk­te, das steckt IT drin, da darf die IT in Pro­duk­ten den­ken. Kauf ich so

Jetzt trägt nicht alles, was die IT so her­stellt, direkt zu den Unter­neh­mens­pro­duk­ten bei. Indi­rekt sicher und ich bin kein Freund davon den Wert­bei­trag von Office zu prei­sen. Daher darf es noch etwas zwei­tes geben: Die Pro­duk­te der IT – die Ser­vices. Die Dienst, die die Men­schen kon­su­mie­ren, die direkt am Kun­den / Pro­dukt arbeiten.

Rich­tig?

Robert

Auch und gera­de bei den Sys­te­men und Ser­vices die nicht ins End­pro­dukt an den Kun­den gehen muss die IT in Pro­duk­ten den­ken. Die­se bil­den die Geschäfts­pro­zes­se ab und müs­sen sich mit dem Unter­ne­men und den eigent­li­chen Pro­duk­ten schnell wan­deln kön­nen. Schnel­ler als das Groß­pro­jek­te mit Bud­gets in Jah­res­schei­ben zulas­sen. Sicher­lich gibt es in dem Spiel aber auch sehr sta­bi­le Basis­aus­stat­tung zu der ich Office zäh­len würde.

Hal­lo Marcus,

nun hast Du mich inspi­riert ;o)
Ziem­lich knif­fe­lig das Ganze…

Zum Einen den­ke ich dabei an die Dis­kre­panz zwi­schen der betriebswirtschaftlichen
und der tech­ni­schen Sicht:

Die Betriebs­wirt­schaft­li­che betrach­tet das Unter­neh­men als über­ge­ord­ne­tes System.
Mit­ar­bei­ter ver­rich­ten in die­sem, (idea­ler­wei­se) unter­stützt durch die IT (die etwas KOSTET), Ihre Arbeit.

Die tech­ni­sche Sicht sieht das (die) Informationsystem(e) als über­ge­ord­ne­tes System.
Infra­struk­tur, Hard­ware, Soft­ware, Daten und (idea­ler­wei­se) UserNUTZEN
(Ide­al­pro­zes­se: End to End also von Kun­den zum Kun­den) ste­hen im Vordergrund.

Der Groß­teil der Ent­schei­der bevor­zugt me idR die ers­te Sichtweise,
da für sie „das Unter­neh­men“ im Vor­der­grund steht (und nicht die ‑über­grei­fen­den- (Informations)Flüsse).

Man­che (neue­ren) Unter­neh­men haben die Vor­tei­le der zwei­ten Sicht­wei­se erkannt, integriert
und „trans­for­mie­ren“ den NUTZEN in PRODUKTE (zb digi­ta­le Info­pro­duk­te oder Pro­zes­se selbst),
die dann tat­säch­lich (halb) auto­ma­tisch erstellt wer­den können.

ooo

Das bringt mich zum nächs­ten Punkt – dem IT-Produktivitätsparadoxon:
Das IT-Pro­duk­ti­vi­täts­pa­ra­do­xon tritt an der Stel­le auf, wo die ein­ge­setz­te IT,
Din­ge wie Infor­ma­ti­ons­flüs­se und Pro­zess­ab­läu­fe (zB Auto­ma­ti­sie­rungs­mög­lich­kei­ten) ver­bes­sert / erweitert.

Eigent­lich gilt, dass der Ein­satz und Aus­bau der IT KEINEN POSITIVEN Effekt
auf die volks­wirt­schaft­li­che Pro­duk­ti­vi­tät hat.
(Zu gut Deutsch: Wenn man einen Rech­ner auf­stellt und ein Office instal­liert ergibt sich dar­aus kein posi­ti­ver Effekt auf die Produktivität,
aus­ser vlt. dem, dass die Leu­te aus­ge­bil­det wer­den müs­sen und je nach Richtlinien(Rechtvergaben) WENIGER Pro­duk­tiv wer­den. ;o) )

Kön­nen durch die IT aller­dings die (Unternehmens)Prozesse ver­bes­sert werden,
kann das dazu füh­ren, dass das Unter­neh­men nicht nur leis­tungs­fä­hi­ger wird,
son­dern auch NEUE Pro­zes­se (und Pro­duk­te) „initi­ie­ren“ (und hal­ten) kann.
Wenn bei­spiels­wei­se die Pro­dukt­er­stel­lung „gelernt“, sta­bi­li­siert und auto­ma­ti­siert ist,
kann man mehr vom Glei­chen schaf­fen oder sich zB Schu­lun­gen wid­men und damit ein neu­es Pro­dukt (Geschäfts­mo­dell !!) erschliessen.
In die­sen Fäl­len hat also die IT doch – sogar einen MASSIVENPOSITIVEN Ein­fluß auf die Produktivität.
(Wird aber auch zu einem ent­spre­chen­den Risiko…)

In den Fäl­len, in denen so etwas gelingt, soll­te man me auf jeden Fall über ein (zumin­dest internes)Produkt – mit einem ent­spre­chen­dem Team – nachdenken.
Auch wenn die­se Fäl­le oft der Unter­neh­mens-IT zuge­schrie­ben werden,
lie­gen sie aber erfah­rungs­ge­mäß meist eher in gut aus­ge­ar­bei­te­ten Fachkonzepten
oder in enga­gier­ten Fach­be­rei­chen und ent­spre­chen­der Koope­ra­ti­on begründet.
(Sonst wür­de der User­Nut­zen nicht ent­ste­hen – und gehal­ten wer­den – kön­nen ;o) ).

ooo

Das bringt mich zum letz­ten Punkt:
Aus Usa­bi­li­ty ist mitt­ler­wei­le UX (User-eXpe­ri­ence Design) geworden.
Das dar­in ent­hal­te­ne Vor­ge­hens­mo­dell „User Cen­te­red Design“ passt eben­so zu älte­ren ite­ra­ti­ven Metho­den, wie zu den neue­ren „Agi­len“ (like Scrum).
Mit der Pro­dukt­ori­en­tie­rung soll­te man me doch auch die Gebrauchs­taug­lich­keit bzw. (User)Zufriedenheit koppeln!?!
Nicht nur Agi­li­tät, son­dern auch Usability/UX und Sys­tem­er­go­no­mie gehö­ren dann also auf den „Pro­dukt-Radar“ eines sol­chen Teams.

Ansons­ten 100% Zustim­mung, wenn man für jede Ände­rung in einem sol­chen Pro­dukt, Sys­tem, oder Pro­zess erst bud­ge­tie­ren und auf die Ent­schei­dung­ver­fah­ren war­ten soll, wird das Gan­ze zu lang­sam (und der Ver­wal­tungs­auf­wand zu hoch und teuer).

Dan­ke noch­mal für die Inspiration!
Es ist immer­wie­der berei­chernd Dei­ne Bei­trä­ge zu lesen.

Wün­sche Dir wei­ter­hin einen schö­nen Sonntag!
Bernd

Vie­len Dank für dei­nen sehr inspi­rie­ren­den Kom­men­tar (der ja schon län­ger ist wie mein Arti­kel), lie­ber Bernd! Ich habe auch aus der ers­ten Sicht­wei­se argu­men­tiert: Das Unter­neh­men mit sei­nem Zweck und sei­nen (ana­lo­gen oder halb-digi­ta­len) Pro­duk­ten und die IT als Unter­stüt­zungs­funk­ti­on. Wenn sich aber nun das Unter­neh­men schnell anpas­sen muss, dann muss es auch die IT, sonst wird sie zum Fla­schen­hals. Ver­stärkt wird die­ser Effekt – und jetzt kom­me ich zu dei­ner zwei­ten Sicht – dadurch dass die Pro­duk­te und Geschäfts­mo­del­le immer digi­ta­ler wer­den. Inso­fern geht es gar nicht um ent­we­der-oder, son­dern sowohl-als-auch. Für bei­des, also für eine anpas­sungs­fä­hi­ge IT als Unter­stüt­zungs­funk­ti­on als auch für eine IT die Teil der Wert­schöp­fung und der Geschäfts­mo­del­le ist braucht es den Pro­dukt­fo­kus mit agi­len Pro­dukt­teams. Und natür­lich muss für die­se Teams (egal ob Ihr Kun­de der Fach­be­reich oder der End­kun­de ist) UX eine Rol­le spie­len. Gut dass UX und Agi­li­tät so gut zusam­men­pas­sen: Mei­ner Mei­nung nach ist Agi­li­tät eine Vor­aus­set­zung für gute UX.

Das sehe ich 100% genau­so Marcus!
…und Dan­ke, dass Du mei­nen Kom­men­tar beach­tet hast, obwohl er so lang gewor­den ist.

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