Endlich agil!

Wir leben in einer Zeit, in der es „nor­mal ist, dass vie­les anders ist und immer schnel­ler anders wird“, wie der Zeit­for­scher Karl-Heinz Geiß­ler tref­fend fest­stell­te. Für die­ses Phä­no­men der Beschleu­ni­gung, der Kom­ple­xi­tät und der damit ein­her­ge­hen­den Unsi­cher­heit hat sich in letz­ter Zeit das Akro­nym VUCA (kurz für vola­ti­li­ty, uncer­tain­ty, com­ple­xi­ty und ambi­gui­ty) eta­bliert. An die Stel­le von Sta­bi­li­tät und Effi­zi­enz tre­ten Agi­li­tät und Effek­ti­vi­tät. Ver­än­de­rung wird die Regel. Pro­jek­te, als Kon­strukt zur Über­füh­rung eines sta­bi­len Zustands in den nächs­ten, haben ausgedient.

Intel­li­gence is the abili­ty to adapt to change.
Ste­phen Hawking

IT-Sys­te­me wer­den in den meis­ten Orga­ni­sa­tio­nen behan­delt wie Maschi­nen: Sie wer­den beschafft oder gebaut und dann betrie­ben und gewar­tet. Sowohl die initia­le Bereit­stel­lung als auch jede grö­ße­re Ver­än­de­rung wird als Pro­jekt durch­ge­führt. Die­se Umbau­maß­nah­men stö­ren den sta­bi­len Regel­be­trieb und müs­sen mini­miert wer­den. Einer­seits. Ande­rer­seits sichern die­se Umbau­ten die Wett­be­werbs­fä­hig­keit der Orga­ni­sa­ti­on, weil sie Geschäfts­pro­zes­se opti­mie­ren und im Zuge der Digi­ta­li­sie­rung immer mehr auch völ­lig neue Geschäfts­mo­del­le ermög­li­chen.

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Je mehr „VUCA“ also das Umfeld einer Orga­ni­sa­ti­on ist, des­to wich­ti­ger wer­den time-to-mar­ket und cost-of-delay neben einem sta­bi­len Betrieb. Des­to weni­ger passt aber auch die­se eta­blier­te Sicht auf IT-Syte­me und Sys­tem­land­schaf­ten. Die zugrun­de­lie­gen­de Annah­me, dass IT-Sys­te­me wie Maschi­nen beschafft, betrie­ben und gewar­tet wer­den müs­sen, ist zwar nicht falsch, igno­riert aber die prin­zi­pi­ell viel höhe­re Fle­xi­bi­li­tät von Soft­ware. Solan­ge das alle so machen und solan­ge die Märk­te trä­ge und weit sind ist das auch kein Pro­blem. Es wird aber schnell zum Pro­blem, wenn neue agi­le­re Wett­be­wer­ber in die inzwi­schen gesät­tig­ten Märk­te ein­tre­ten, wie das im Moment bei­spiels­wei­se im Auto­markt der Fall ist. Und dann nutzt es auch wenig, wie in dem Comic von Geek&Poke (ver­öf­fent­licht unter einer Crea­ti­ve Com­mons CC BY 3.0 Lizenz) oben, einen Teil der Pro­jek­te agil zu machen.

Wir arbei­ten in Struk­tu­ren von Ges­tern mit Metho­den von heu­te an Stra­te­gien für Mor­gen vor­wie­gend mit Men­schen, die die Struk­tu­ren von ges­tern geschaf­fen haben und das Über­mor­gen in der Unter­neh­mung nicht mehr erle­ben werden.
Knut Blei­cher

Der eigent­li­che Wan­del in der agi­len Trans­for­ma­ti­on ist es also, nicht Pro­jek­te jetzt nach ande­rer Metho­de durch­zu­füh­ren, son­dern die Ver­än­de­rung als gewünsch­ten Nor­mal­zu­stand zu begrei­fen, frei­lich ohne Sta­bi­li­tät zu ver­lie­ren. Nicht ohne Grund ist Scrum eine Metho­de zur Pro­dukt­ent­wick­lung und nicht ohne Grund heißt eine der zen­tra­len Rol­len im Scrum Pro­duct-Owner und eben nicht Pro­ject-Owner. IT-Pro­jek­te sind Aus­lauf­mo­del­le. Sie wer­den abge­löst durch Pro­duk­te mit zuge­hö­ri­gen fes­ten Teams, die ihren Aus­schnitt der IT-Sys­tem­land­schaft per­ma­nent an die Anfor­de­run­gen der Märk­te und der Orga­ni­sa­ti­on anpas­sen und gleich­zei­tig sta­bil betreiben.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

11 Kommentare

Hal­lo Marcus,

das Bild errin­nert mich an Dei­nen „Tanz auf der Tita­nic“… Dau­men hoch ;o)

Bin noch ein wenig im Wider­stand mit der Vorstellung,
dass IT-Pro­jekt­ma­nage­ment aus­ge­dient haben soll.
Dass „das Drei­eck“ eher ins Muse­um gehört – ok,
aber ich fra­ge mich, wer „erkennt“ zB die „Win­dows of Oppor­tu­ni­ties“ (Kom­ple­xe IT-Sys­te­me nei­gen doch sehr zur Pfad­ab­hän­gig­keit) und bringt zB einen Tech­no­Ch­an­ge an den Start bzw. zur Umset­zung (wenn neue Tech­no­lo­gien zu neu­en – deut­lich ver­bes­ser­ten – Mög­lich­kei­ten führen)?

Ich per­sön­lich könn­te mir genau­so­gut Vor­stel­len, dass das IT-PM zukünf­tig deut­lich anspruchs­vol­ler wird…

Frei nach dem Mot­to: Inte­grier­tes Pro­jekt- und Pro­zess­ma­nage­ment zur Pro­dukt­ent­wick­lung. – oder ähnlich.

In dem Fal­le wäre der Out­put (und Fokus) ein Produkt,
der Input Pro­duk­te (aus ande­ren „Pro­jek­ten oder Prozessen“)
ein lern­fä­hi­ger! „Pro­zess“ wür­de das Pro­dukt erstellen
– …und der Rah­men des Gan­zen, wäre ein Pro­jekt (zB Für die Dau­er des Lebens­zy­klus der Technologie)

ME wäre durch die Pro­jekt­form „der Rah­men“ eben auch anpassbar…
.…nur mal so als Idee.

PS:
Ich per­sön­lich hal­te einen Tech­no­ch­an­ge an sich schon für deut­lich anspruchsvoller,
als es ein rei­nes IT-Pro­jekt (oder eine Pro­dukt­ent­wick­lung) ist.

Ein schö­nes verlängertes
Wochen­en­de wünschend,
Bernd

Lie­ber Bernd, vie­len Dank für dei­nen Kom­men­tar. Das klas­si­sche IT-Pro­jekt hat aus­ge­dient, da sind wir uns glau­be ich einig. Ich könn­te mir tat­säch­lich noch Pro­jek­te vor­stel­len, um Ände­run­gen an vie­len Sys­te­men / Pro­duk­ten zu koor­di­nie­ren, aber da mag es auch ande­re Mög­lich­kei­ten geben.

Ja Mar­cus,

kann sein, dass es da ande­re Mög­lich­kei­ten gibt. Schließ­lich erge­ben sich vie­le Din­ge auch „von allein“…

Genau sol­che Koor­di­na­ti­ons­ge­schich­ten mein­te ich.
Nicht unbe­dingt um das Gan­ze zu kon­trol­lie­ren, son­dern eher um Rei­bung zu minimieren…

…und ein­ma­li­ge Din­ge, deren Ver­lauf abseh­bar End­lich ist und die Zeit + Ener­gie benö­ti­gen von den Kon­ti­nu­ier­li­chen zu unterscheiden.

Aller­dings gibt es ja nicht nur tech­nik­feind­li­che Men­schen, son­dern auch sol­che, für die Tech­no­lo­gie eine
Art Reli­gi­on ist…
.…also soll­te man da vlt tat­säch­lich bes­ser die Fin­ger von las­sen. ;o)

Nun hab ich aber genug „phi­lo­so­phiert“ – in die­sem Sin­ne einen schö­nen Feiertag!
Bernd

Lie­ber Bernd, dann sind wir uns ja einig: es wird auch wei­ter­hin kom­ple­xe Koor­di­na­ti­ons­auf­ga­ben geben. Das als Pro­jekt zu gestal­ten und zu mana­gen ist nur eine Lösung, die wenn es wirk­lich ein­ma­li­ge Vor­ha­ben sind, auch sinn­voll sein kann, dann aber sehr anspruchs­voll sein wird.

Ja Mar­cus, da sind wir uns einig.

Viel­leicht ist der Begriff DevOps:
https://de.wikipedia.org/wiki/DevOps
für den Einen oder Ande­ren noch interessant.…

Bestimmt. Beson­ders bei DevOps erkennt man näm­lich, dass es nicht um Pro­jek­te (zeit­lich befris­tet), son­dern um die kon­ti­nu­ier­li­che und fle­xi­ble Wei­ter­ent­wick­lung von Pro­duk­ten geht.

Ihr erkennt aber schon die Ironie
„End­lich agil!“ durch
„Pro­duk­te mit zuge­hö­ri­gen fes­ten Teams“

Als ob du Ver­än­de­rung nicht auch die Team­zu­sam­men­set­zung betref­fen würde.

Ins­ge­samt fin­de ich das die Buz­zword zu Wör­ter­quo­te im Text zu hoch ist.

Eigent­lich habe ich das „End­lich agil“ auf den fal­schen Ansatz des einen roten Pro­jekts im Bild bezo­gen. Kann man aber miss­ver­ste­hen. Zwi­schen ich ände­re die Team­zu­sam­men­set­zung ein biss­chen und ich höre auf in Pro­jek­ten zu den­ken ist aber doch ein klei­ner Unter­schied, oder?

Lie­ber Max,

einen Tech­no­ch­an­ge zeich­net aus, dass sich die Team­zu­sam­men­set­zung bzw. das sich die Orga­ni­sa­ti­on ändert.
Tut sie das nicht, kann man wun­der­bar erken­nen, daß die Struk­tu­ren die Pro­zes­se behindern…;o)

Frü­her hat man man­cher­orts eben nicht auf Gemein­schafts­bil­dung, son­dern auf Cli­quen­Bil­dung und Kon­kur­renz gesetzt, wo Gemein­schaft und Koope­ra­ti­on ange­brach­ter gewe­sen wäre…
…Bleibt die Fra­ge was wie iro­ni­scher ist. Beim Alten blei­ben zu wol­len, wäh­rend sich Alles immer schnel­ler ver­än­dert, oder „mit­zu­zie­hen“.

Moin, moin.

Vie­len Dank für den Blog­ar­ti­kel. Er hat mich gera­de mit dem Satz „Pro­jek­te, als Kon­strukt zur Über­füh­rung eines sta­bi­len Zustands in den nächs­ten (…)“ zum Nach­den­ken über eine gro­ße IT-Infra­struk­tur­än­de­rung in unse­rem Unter­neh­men gebracht, wel­ches ich zu stark als die Über­füh­rung eines fes­ten Zustands in einen nächs­ten betrach­tet und viel­leicht zu wenig agil gedacht habe. Das letz­te­re ist eigent­lich mein Wunsch für mei­ne Denk­wei­se und Planungsart.

Ich hät­te den Arti­kel ger­ne geflatt­red, lei­der gibt es für den Arti­kel ein Feh­ler bei flattr: „User could­n’t be found and no owner specified.“.

Grü­ße,

Micha­el.

Vie­len Dank für Dei­nen Kom­men­tar, lie­ber Micha­el. Es freut mich sehr, wenn ich Dich zum Nach­den­ken anre­gen konn­te. Und dan­ke für den Hin­weis mit Flattr: jetzt soll­te es funktionieren.

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