Scheitern erlauben – Fehler vermeiden 

So reich die deut­sche Spra­che im All­ge­mei­nen ist, Feh­ler sind nicht so unser Ding. Wir reden ein­heit­lich von Feh­ler und Feh­ler­kul­tur, wo das Eng­li­sche fein zwi­schen errors und fail­ure unter­schei­det. Die­ser Unter­schied macht einen Unter­schied, denn Feh­ler ist nicht gleich Fehler.

Fail­ure is sim­ply the oppor­tu­ni­ty to begin again, this time more intelligently.
Hen­ry Ford

Wenn es um posi­ti­ve Feh­ler­kul­tur geht, sind eigent­lich kei­ne Feh­ler gemeint, son­dern Schei­tern. Noch weni­ger als Feh­ler mögen wir in Deutsch­land aller­dings das Schei­tern, dar­um reden wir nicht von einer Kul­tur des Schei­tern (cul­tu­re of fail­ure), son­dern doch lie­ber von posi­ti­ver Feh­ler­kul­tur. Die Kon­no­ta­ti­on von Schei­tern ist im Deut­schen deut­lich nega­ti­ver als im Eng­li­schen und ins­be­son­de­re in der ame­ri­ka­ni­schen Start­up-Kul­tur, wo Schei­tern dazu­ge­hört und in Fuck­up-Nights gefei­ert wird. Made in Ger­ma­ny steht aber immer noch für Qua­li­tät im Sin­ne von Feh­ler­frei­heit, wor­auf wir zu Recht stolz sind.

The­re is a belief in the com­pa­ny that if you don’t fail often enough, you’re not try­ing hard enough.
Gopi Kal­lay­il, Chief Evan­ge­list bei Google

Im Grun­de zählt heu­te nur noch ein ein­zi­ger Unter­neh­mens­wert und der heißt Mut. Die Digi­ta­li­sie­rung birgt unglaub­li­che Chan­cen und um die zu nut­zen, muss man mutig Neu­es wagen. Wer dabei nie schei­tert hat zu wenig gewagt. Auch wenn es im Deut­schen so klingt, ist die­ses Schei­tern kein Man­gel, son­dern ein völ­lig natür­li­cher Pro­zess sich unbe­kann­tes Ter­rain durch Aus­pro­bie­ren zu erschlie­ßen. Das Schei­tern liegt dann aber dar­an, dass das Aus­pro­bier­te nicht wie ange­nom­men funk­tio­niert oder ankommt und nicht weil es feh­ler­haft oder schlam­pig war. Eine posi­ti­ve Feh­ler­kul­tur erlaubt also Schei­tern, ver­mei­det aber Fehler.

Suc­cess is the abili­ty to go from fail­ure to fail­ure wit­hout losing your enthusiasm.
Win­s­ton Churchill

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

7 Kommentare

Eine Kul­tur des Schei­terns? Das hal­te für Unfug und einen voll­kom­men fal­schen Fokus. Schei­tern, also nicht erfolg­reich sein, ist und bleibt unan­ge­nehm bis dahin, dass Depres­sio­nen aus­ge­löst wer­den. Eine Kon­zen­tra­ti­on auf das Schei­tern ist m.E. über­haupt nicht förderlich.

Mehr zu mei­ner Mei­nung hier:
http://www.inspectandadapt.de/scheitern-ist-scheisse/

So woll­te ich das auch nicht ver­stan­den wis­sen. Es geht mir nicht dar­um das Schei­tern in den Fokus zu set­zen oder gar als Ziel zu sehen, son­dern als unver­meid­lich auf dem Weg zu Neu­em. Ich erle­be lei­der oft das Gegen­teil, näm­lich dass Schei­tern ver­bo­ten ist und das ver­hin­dert Gro­ßes. Dar­um „erlau­ben“.

Es kommt auf den Kon­text an. Wenn es um die Erbrin­gung von Leis­tun­gen für einen Kun­den geht, sind Feh­ler natür­lich uner­wünscht. Wenn es aber um Ver­bes­se­rung geht, sind Feh­ler abso­lut not­wen­dig. Neu­es Wis­sen kann nur durch Feh­ler ent­ste­hen. Wenn ich Feh­ler hier ver­mei­de, ken­ne ich den Weg zum Ziel schon, was wie­der­um kein neu­es Wis­sen schafft.

Das ist genau der Unter­schied: Feh­ler im Sin­ne von Schlam­pig­keit soll­ten ver­mie­den wer­den, Feh­ler im Sin­ne von Schei­tern, also weil man nach bes­tem Wis­sen und Gewis­sen Neu­es pro­biert, müs­sen erlaubt sein.

Wahr­schein­lich ist es eine Fra­ge des Rei­fe­grads und der Erfah­rung bzw des Umfelds. In mei­nem Umfeld pri­vat wie größ­ten­teils beruf­lich ist die Tat­sa­che, dass Feh­ler „trotz­dem“ pas­sie­ren, längst ange­kom­men und akzep­tiert. Die Bereit­schaft, anschlie­ßend Zeit zu inves­tie­ren um wirk­lich zu ler­nen besteht vor allem im beruf­li­chen Kon­text viel zu wenig.

Natür­lich ist ein gemein­sa­mes Ver­ständ­nis dar­über, dass Feh­ler nicht immer ver­meid­bar sind, wich­tig. Das Ver­ständ­nis allei­ne führt aber nicht zwin­gend zu dem anschlie­ßen­den Ler­nen und Ver­än­dern. Das ist eben wie inspect ohne adapt.

Und habt ihr wirk­lich den Ein­druck, dass unse­re Kul­tur noch durch­setzt ist von der Hal­tung, dass Feh­ler schlecht sind? Und sind „Feh­ler“ wie „Die­sel­ga­te“ wirk­lich trag­fä­hig? Und ist es über­haupt hilf­reich und gut, bei der gan­zen Dis­kus­si­on auch auf das Feh­ler machen und Schei­tern zu kon­zen­trie­ren? Ist es nicht bes­ser zu beto­nen, was nach einem Feh­ler gelernt wur­de und sich ver­än­dert hat auch um zu einer ande­ren und nach vor­ne gerich­te­ten „Kul­tur“ zu kom­men, statt über das Schei­tern allei­ne zu sprechen?

Bei­spiel: die bes­ten Retro­spek­ti­ven waren bei mir meis­tens die, in denen man über das gespro­chen hat, was beson­ders gut lief statt über das, was nicht geklappt hat.

Selbst­ver­ständ­lich muss es um das gehen, was man aus dem Schei­tern gelernt hat. So hat­te ich Fuck­up-Nights auch ver­stan­den. Dazu muss man aber erst mal etwas wagen, das einen gewis­sen Grad an Unsi­cher­heit und das Poten­ti­al zum Schei­tern hat. Und dar­um ging es mir. Die­sel­ga­te ist übri­gens kein Bei­spiel für Schei­tern, son­dern für einen Feh­ler im Sin­ne von Schlam­pig­keit und Nach­läs­sig­keit. So etwas zu tole­rie­ren oder zu fei­ern wäre falsch ver­stan­de­ne Fehlerkultur.

Nach­dem ich bei­de Arti­kel gele­sen habe, glau­be ich, dass du einer unzu­tref­fen­den Ver­kür­zung auf­ge­ses­sen bist.

Dass Schei­tern unan­ge­nehm ist, steht außer Fra­ge. Auch gilt dies für psy­chi­sche Erkran­kun­gen, die ganz klar ein­tre­ten kön­nen (ob das aus­ge­rech­net für die Depres­si­on gilt, ist unklar, weil deren Ursa­chen nach wie vor unzu­rei­chend ver­stan­den werden).

Aller­dings ist die Ursa­che nicht das Schei­tern an sich, son­dern wenn ein Mensch über län­ge­re Zeit den Gefüh­len aus­ge­setzt ist, die mit dem Schei­tern ver­bun­den sind (näm­lich das unan­ge­neh­me Gefühl nicht gut genug zu sein) und dass die­se Gefüh­le durch äuße­re Anrei­ze stän­dig bestärkt wer­den. Das Pro­blem mit nega­ti­ven Gefüh­len: damit lernt es sich schlecht.

Dar­um klingt es auch nur vor­der­grün­dig nach dem rich­ti­gen Ansatz, sich auf das Ler­nen zu kon­zen­trie­ren, wenn man nicht gleich­zei­tig davon weg­kommt, das schlech­te Gefühl bei sich oder ande­ren über­haupt auf­kom­men zu lassen.

Anders aus­ge­drückt: wir müs­sen auf­hö­ren der „har­ten Rea­li­tät gerecht wer­den zu wol­len“, indem wir Men­schen erst­mal in eine Ver­tei­di­gungs­si­tua­ti­on drän­gen, wenn etwas nicht nach Plan gelau­fen ist, und dann zu erwar­ten, dass sie aus die­ser Situa­ti­on etwas zum Lern­erfolg bei­tra­gen. Das kann nicht funktionieren.

Des­halb mag Feh­ler fei­ern viel­leicht etwas over-the-top wir­ken, aber viel­leicht ist ein gewis­ses Über­steu­ern ja not­wen­dig, um von die­ser „Du hast Schei­ße gebaut! … Pau­se … aber hey lass uns was draus lernen“-Herangehensweise weg­zu­kom­men. Denn Feh­ler unter den Tisch keh­ren zu wol­len ist nicht die Fol­ge davon, Feh­ler oder Schei­tern als etwas Posi­ti­ves zu sehen, son­dern im Gegen­teil: weil man erst­mal mit einer Back­pfei­fe rech­nen muss, bevor man sich Lösun­gen wid­men kann.

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