Die agile Transformation: Groß denken, klein starten, schnell lernen

Die agi­le Trans­for­ma­ti­on muss groß gedacht wer­den, um Silos auf­bre­chen, aber gleich­zei­tig klein star­ten, um gemein­sam zu ler­nen, ohne eine Lösung über­zu­stül­pen. Ent­schei­dend dafür ist die För­de­rung einer offe­nen Lern­kul­tur jen­seits von Infor­ma­ti­on Hiding und Cover your Ass. 

Spra­che ist bis­wei­len ver­rä­te­risch. Tra­di­tio­nel­le hier­ar­chi­sche Orga­ni­sa­tio­nen bestehen aus funk­tio­na­len Abtei­lun­gen, die Ver­ant­wor­tungs­be­rei­che abtei­len, Macht in Form von Bud­get und Mit­ar­bei­tern auf­tei­len und die Wert­schöp­fung unter­tei­len. Divi­de et impe­ra, tei­le und beherr­sche, ist eine seit dem römi­schen Reich bewähr­te Maxi­me der Orga­ni­sa­ti­on, deren Kern es ist, eine „zu beherr­schen­de Grup­pe (…) in Unter­grup­pen mit ein­an­der wider­stre­ben­den Inter­es­sen auf­zu­spal­ten“ (Wiki­pe­dia). Das Ergeb­nis sind Silos, deren Mau­ern durch ent­spre­chend die­ser Maxi­me auf Kon­kur­renz aus­ge­rich­te­te Bewer­tungs- und Anreiz­sys­te­me Jahr für Jahr dicker und höher werden.

Groß denken

Ohne an die­ser Struk­tur und der zugrun­de­lie­gen­den Maxi­me anzu­set­zen, wird Agi­li­tät inner­halb die­ser Silos ver­san­den. Das klei­ne agi­le Pro­jekt inner­halb einer Abtei­lung wird kaum einen gro­ßen Unter­schied machen, weil die­se Abtei­lung selbst nur ein win­zi­ges Glied der Wert­schöp­fungs­ket­te ist und damit das für die Agi­li­tät so wich­ti­ge Feed­back zur Arbeit der Abtei­lung erst am Ende einer lan­gen Rei­he von Über­ga­ben zur Ver­fü­gung steht.

Das kleine agile Projekt macht noch keine agile Organisation. Die agile Transformation muss Silos aufbrechen.
Quel­le: Geek & Poke

Ein wesent­li­ches Merk­mal von ech­ter Agi­li­tät ist es, über die Gren­zen der Silos hin­weg ent­lang der Wert­schöp­fung in einem inter­dis­zi­pli­nä­ren Team zu arbei­ten. Genau die­ses Merk­mal arbei­te­ten bereits 1986 Hirot­a­ka Takeuchi und Iku­ji­ro Nona­ka in ihren Unter­su­chun­gen erfolg­rei­che Pro­dukt­ent­wick­lungs­teams her­aus und beschrie­ben es in ihrem Arti­kel „The New New Pro­duct Deve­lo­p­ment Game“ (Har­vard Busi­ness Review).

Die agi­le Trans­for­ma­ti­on muss also in die­sem Sin­ne groß den­ken und Silos auf­bre­chen, um die inter­dis­zi­pli­nä­re Zusam­men­ar­beit zu för­dern, Über­ga­ben zu redu­zie­ren und den letzt­lich den Regel­kreis von Ver­such und Vali­die­rung zu ver­kür­zen. Andern­falls wird aus der unschein­ba­ren Rau­pe kein schö­ner Schmet­ter­ling, son­dern nur eine etwas bun­te­re Rau­pe, ori­en­tie­rungs­los und erschöpft von dem sinn­lo­sen Thea­ter der Trans­for­ma­ti­on.

Klein starten

Es gibt kei­ne Blau­pau­sen für eine agi­le Orga­ni­sa­ti­on und auch kei­nen Mas­ter­plan für die Trans­for­ma­ti­on, egal wie über­zeu­gend die Ver­spre­chen ent­spre­chen­der Bera­ter auch klin­gen. Der Ver­such Patent­re­zep­te und schein­bar bewähr­te Model­le der eige­nen Orga­ni­sa­ti­on über­zu­stül­pen, führt in die Car­go-Kult-Höl­le. Nicht weil die Blau­pau­sen und Model­le grund­sätz­lich falsch oder schlecht wären, son­dern weil sie nicht Ergeb­nis gemein­sa­mer Erfah­run­gen sind. Die agi­le Trans­for­ma­ti­on ist und bleibt eine gemein­sa­me Lern­rei­se.

Auch der längs­te Marsch beginnt mit dem ers­ten Schritt.

Lao­zi (Dao­de­jing, Kap. 64)

Jede Orga­ni­sa­ti­on muss sich im Rah­men der agi­len Trans­for­ma­ti­on Schritt für Schritt ein geeig­ne­tes Modell erar­bei­ten. Die agi­le Trans­for­ma­ti­on kann nicht auf dem Reiß­brett ent­wor­fen und dann von Heer­scha­ren von Chan­ge-Mana­gern exe­ku­tiert wer­den, son­dern ent­wi­ckelt sich selbst in agi­ler Wei­se aus einem ers­ten Mini­mum Via­ble Pro­duct (MVP) über zahl­rei­che Zwi­schen­stän­de, deren Nut­zen idea­ler­wei­se mit geeig­ne­ten Kenn­zah­len belegt wer­den kann.

Vom Kleinen ins Große.
Quel­le: Hen­rik Kniberg

Die Füh­rungs­auf­ga­be in der agi­len Trans­for­ma­ti­on lau­tet nicht, das bes­te Modell einer agi­len Orga­ni­sa­ti­on aus­zu­wäh­len oder ein eige­nes zu kon­zi­pie­ren und das dann aus­zu­rol­len. Die­ser Top-Down Ansatz ver­letzt das agi­le Prin­zip der Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on, weil es die Men­schen und Teams zu pas­si­ven Objek­ten der Trans­for­ma­ti­on degra­diert, obwohl das Ziel gera­de auto­no­me, selbst­ver­ant­wort­li­che und akti­ve Sub­jek­te auf Augen­hö­he sein müssen.

Schnell lernen

Wer sei­ner agi­len Trans­for­ma­ti­on die­se Sack­gas­se erspa­ren will, tut gut dar­an die Rol­le des Schach­meis­ters an den Haken zu hän­gen und mehr wie ein Gärt­ner zu agie­ren. Ziel muss es sein, einen Rah­men zu schaf­fen, in dem ein geeig­ne­tes agi­les Orga­ni­sa­ti­ons­mo­dell nach und nach aus der Zusam­men­ar­beit von selbst­or­ga­ni­sier­ten Teams ent­steht. Die­ser gemein­sa­me Lern­pro­zess lässt sich nicht durch Blau­pau­sen abkür­zen.

Peo­p­le don’t resist chan­ge – they resist being changed.

Peter Sen­ge

Sehr wohl lässt sich aber das Ler­nen beschleu­ni­gen durch Aus­tausch und Ver­net­zung. Das bereit­wil­li­ge Tei­len von Erfah­run­gen und Erkennt­nis­sen auch und gera­de außer­halb des eige­nen Silos ist ent­schei­dend. Dabei kann ein Pro­gramm wie Working Out Loud hel­fen, ent­schei­dend ist aber das Vor­bild von Füh­rungs­kräf­ten. Solan­ge jede Füh­rungs­kraft erst mal wie bis­her den eige­nen Laden in Ord­nung bringt und hält, ent­steht garan­tiert kein frucht­ba­rer Aus­tausch und es bleibt bei Infor­ma­ti­on Hiding und Cover your ass.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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