Change or Die?

In sei­nen Buch „Chan­ge or Die“ zeigt Alan Deutsch­man anhand von vie­len Bei­spie­len was Ver­än­de­rung einer­seits ver­hin­dert und was sie ande­rer­seits gelin­gen lässt. Sei­ne pro­vo­kan­te Fra­ge lau­tet: „Könn­ten Sie sich, Ihre Glau­bens­sät­ze oder Ihre Lebens­wei­se grund­le­gend ver­än­dern, wenn Ihr Leben davon abhin­ge?“ Selbst­ver­ständ­lich, möch­te man mei­nen! Oder etwa doch nicht? Lei­der ist die Ant­wort all­zu oft nega­tiv, bei­spiels­wei­se bei schwer herz­kran­ken Pati­en­ten. Die­sen Pati­en­ten ist der Ernst der Lage voll bewusst, sie spü­ren Todes­angst und Ärz­te, Ange­hö­ri­ge und Freun­de drän­gen sie ihre Lebens­wei­se umzu­stel­len. Und doch schaf­fen die­se Ver­än­de­rung 9 von 10 nicht län­ger als ein paar Mona­te und bezah­len letzt­lich mit ihrem Leben oder wenigs­tens mit einer mas­si­ven Ein­schrän­kung der Lebens­qua­li­tät. Noch nicht ein­mal die regel­mä­ßi­ge Ein­nah­me von lebens­wich­ti­gen Medi­ka­men­ten wie Lipidsen­kern zur Regu­lie­rung der Blut­fett­wer­te gelingt dau­er­haft. Die­ses und wei­te­re Bei­spie­le begrün­den die The­se von Alan Deutsch­man, das die übli­cher­wei­se ange­wen­de­ten drei „F“, näm­lich „Facts, Fear & Force“ Ver­än­de­rungs­pro­zes­se ver­hin­dern anstatt sie zu fördern.

Would you per­sua­de, speak of inte­rest, not of reason.
(Ben­ja­min Franklin)

Wenn Fak­ten, Angst und Druck selbst in lebens­be­droh­li­chen Situa­tio­nen nicht hel­fen, besteht kaum Hoff­nung, dass sie in weni­ger dra­ma­ti­schen per­sön­li­chen Ver­än­de­rungs­pro­zes­sen funk­tio­nie­ren wer­den. Die ers­te Füh­rungs­auf­ga­be, zum Bei­spiel als Pro­jekt­ma­na­ger, ist eine viel zu oft unter­schät­ze per­sön­li­che Ver­än­de­rung. Anstatt wie bis­her eigen­hän­dig erst­klas­si­ge Arbeit als Fach­kraft zu leis­ten, kann und soll man als Füh­rungs­kraft jetzt nur noch indi­rekt Ein­fluss neh­men. Die eige­nen, über Jah­re ent­stan­de­nen, sorg­sam geheg­ten, Glau­bens­sät­ze ste­hen plötz­lich in Fra­ge; ein grund­le­gen­des Umden­ken ist not­wen­dig. Theo­re­tisch ist die neue Auf­ga­be klar. Die Fak­ten kennt jede ange­hen­de Füh­rungs­kraft: Schu­lun­gen und Kur­se gibt es ja genug. Auch an Angst vor dem Schei­tern man­gelt es sicher­lich nicht. Druck gibt es reich­lich von allen Seiten.

Genau wie bei den schwer­kran­ken Herz­pa­ti­en­ten, reicht es aber eben nicht ein­fach nur zu ver­ste­hen, dass die neue Rol­le in ers­ter Linie eines erfor­dert: die eige­nen Mit­ar­bei­ter befä­hi­gen und die­se erfolg­reich zu machen. Wenig nützt auch die Angst vor den Pro­ble­men, die sich erge­ben wer­den, wenn man als Füh­rungs­kraft nach wie vor alles selbst machen will. Und der Druck sei­tens der Mit­ar­bei­ter, die ihre Arbeit nicht rich­tig erle­di­gen kön­nen, weil ihnen bei­spiels­wei­se Infor­ma­tio­nen feh­len, wird kur­zer­hand auf die­se zurück pro­ji­ziert als deren Unselb­stän­dig­keit, Unfä­hig­keit oder Undank­bar­keit. Die drei „F“ füh­ren all­seits zu Über­for­de­rung, Ent­mu­ti­gung und Frust.

Wenn „Facts, Fear & Force” nicht hel­fen, was lässt per­sön­li­che Ver­än­de­rung dann gelin­gen? Wie kann die Ent­wick­lung von ange­hen­den Füh­rungs­kräf­ten sinn­voll unter­stützt wer­den? Als Gegen­kon­zept zu den drei „F“ ent­wirft Alan Deutsch­mann die drei „R“: „Rela­te, Repeat & Reframe“:

  • Rela­te: Grund­vor­aus­set­zung ist eine Bezugs­per­son oder eine Grup­pe von Bezugs­per­so­nen, die an die Mög­lich­keit der mei­ner Ver­än­de­rung glaubt bzw. glau­ben oder die­se Ver­än­de­rung glaub­haft ver­kör­pern. Men­schen also die mich immer wie­der über­zeu­gen, dass eine sol­che Ver­än­de­rung mög­lich und erstre­bens­wert ist, egal wie hoff­nungs­los mir selbst die Situa­ti­on erschei­nen mag.
  • Repeat: Natür­lich reicht es nicht, dass eine Bezugs­per­son an die Ver­än­de­rung und an mei­ne Fähig­keit dazu glaubt: die neue Rol­le muss gera­de in den ers­ten Wochen immer wie­der ein­ge­übt wer­den. Die Bezie­hung zu jemand der in die­ser Zeit zu mir steht und an mich glaubt, hilft dabei aber ungemein.
  • Reframe: Durch das kon­ti­nu­ier­li­che Ein­üben unter Füh­rung einer erfah­re­nen und grund­sätz­lich zuver­sicht­li­chen Bezugs­per­son, wird die neue Rol­le und die ihr zugrun­de­lie­gen­den Glau­bens­sät­ze schließ­lich als eige­ne Welt­sicht ange­nom­men und verinnerlicht.

Vor dem Hin­ter­grund Dar­le­gun­gen und Bei­spie­le von Alan Deutsch­man ist es mehr als ver­wun­der­lich, dass immer noch Mit­ar­bei­ter mal eben zu Füh­rungs­kräf­ten, ins­be­son­de­re zu Pro­jekt­ma­na­gern, gemacht wer­den. Schu­lun­gen und Zer­ti­fi­zie­run­gen sind sicher­lich gut gemeint und eine sinn­vol­le Basis. Sie rei­chen aber kei­nes­falls aus, genau­so wenig wie den schwer herz­kran­ken Pati­en­ten die neu­es­ten Stu­di­en zu den Zusam­men­hän­gen von Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten und Herz­in­fark­ten hel­fen. Exzel­len­te Fach­kräf­te wer­den nicht über Nacht zu guten Füh­rungs­kräf­ten. Die­ser Ver­än­de­rungs­pro­zess kann und muss pro­fes­sio­nell beglei­tet wer­den. Im Fal­le von ange­hen­den Pro­jekt­ma­na­gern kann ein Pro­jekt­coach Bezugs­per­son und Men­tor sein („Rela­te“) und mit­tels Ein­übung und Feed­back („Repeat“) sehr effi­zi­ent das Hien­ein­wach­sen in die neue Rol­le unter­stüt­zen („Reframe“).

Chan­ge of every kind is about lear­ning new habits and skills („Repeat“) that inform new ways of thin­king („Reframe“). Chan­ge is all about trai­ning and tea­ching, but it takes a lot of „sel­ling“ („Rela­te“) to moti­va­te peo­p­le to sus­tain the neces­sa­ry effort over time.
(Alan Deutschman)

Bildnachweis

Das Titel­bild habe ich in Mün­chen-Gie­sing foto­gra­fiert und auf Flickr unter einer Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht. Auch wenn es gestellt wirkt, die­ses skur­ri­le Arran­ge­ment habe ich so auf der Stra­ße vorgefunden.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Guten Abend Marcus,
ich bin heu­te über Dei­nen Bei­trag zu dem Buch von Alan Deutsch­man gestol­pert. Sei­ne Arbeit gehört zu mei­nem Standardwerkzeug …
Ich habe es aber um ein vier­tes R ergänzt: Res­ha­pe – das heißt eine Ver­än­de­rung der inne­ren und äuße­ren Haltung.
Um Ver­än­de­run­gen nach­hal­tig erfolg­reich zu gestal­ten, bedarf es auch einer Ver­än­de­rung der inne­ren und äuße­ren Hal­tung, der emo­tio­na­len wie auch kör­per­li­chen Hal­tung. Wer z..B. über Jah­re hin­weg in einer Hal­tung der Angst agiert und gelebt hat, braucht auch eine Ver­än­de­rung die­ser ängst­li­chen Hal­tung, um das neue Ver­hal­ten authen­tisch zu leben und aus­drü­cken zu kön­nen. Embo­di­ment-Arbeit ist in der Res­ha­pe-Pha­se ein außer­or­dent­lich wich­ti­ger Anstoß und Trai­nings­aspekt. http://leadership-dojo.eu/embodiment/
Bes­te Grü­ße, Günther

Lie­ber Gün­ther, vie­len Dank für die Ergän­zung. Fin­de das Sche­ma von Deutsch­man immer noch hilf­reich und Dei­ne Ergän­zung sinnvoll.

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