Open-PM: Klärungen

First they igno­re you, then they laugh at you, then they fight you, then you win.
— Mahat­ma Gan­dhi (zuge­ord­net)

Die mit­un­ter doch recht lei­den­schaft­lich geführ­te Dis­kus­si­on zu Open-PM (#openpm) freut mich sehr (im Blog-Arti­kel von Ste­fan Hagen und auch im lei­der nicht öffent­lich zugäng­li­chen Arti­kel des Pro­jekt­ma­ga­zins). Es zeigt, dass wir damit einen Nerv getrof­fen haben. Auch die mitt­ler­wei­le über 60 Unter­zeich­ner auf der Erklä­rung zei­gen das. Es zeigt aber auch, dass wir unser Anlie­gen noch nicht ver­ständ­lich genug for­mu­liert haben. Auf eini­ge Miss­ver­ständ­nis­se möch­te ich daher im fol­gen­den kurz, ergän­zend zu den Erklä­run­gen im fol­gen­den Video-Inter­view von Marc Wid­mann, einzugehen.

Wozu ein weiterer Standard?

An incre­asing­ly self-orga­ni­zed and net­work­ed world makes the old models of top-down cor­po­ra­te manage­ment and indus­tri­al plan­ning incre­asing­ly feeb­le […] mass Inter­net-enab­led col­la­bo­ra­ti­on has beco­me a powerful modus ope­ran­di fur busi­ness and many other insti­tu­ti­ons.
— Don Taps­cott (Macro­wi­ki­no­mics, p. 26)

Open-PM will kein Stan­dard sein. Wir ver­ste­hen uns nicht als Kon­kur­renz zu bestehen­den Stan­dards. Im Gegen­teil: wir sind der Mei­nung, dass die Abgren­zung der Stan­dards und Strö­mun­gen gegen­ein­an­der bes­se­re Lösun­gen in der Pra­xis ver­hin­dert. Open-PM setzt dort an, wo Stan­dards und Strö­mun­gen tag­täg­lich inein­an­der flie­ßen, näm­lich in der Pra­xis. Aus die­sen prak­ti­schen Erfah­run­gen, im Sin­ne von best-prac­ti­ces, wol­len wir gemein­sam ler­nen. Open-PM wird eine Platt­form sein, um sich mit Pro­jekt­ma­nage­ment pra­xis­nah und unab­hän­gig von Stan­dards und Ver­bän­den zu beschäf­ti­gen, Erfah­run­gen zu tei­len, von­ein­an­der zu ler­nen und Metho­den gemein­sam weiterzuentwickeln.

Freiheit

Soft­ware is like sex: it’s bet­ter when it’s free.
— Linus Torvalds

Pro­jekt­ma­nage­ment ist schon schwie­rig genug. Daher wür­de ich mir wün­schen, dass Grund­la­gen­wis­sen, Werk­zeu­ge und Erfah­run­gen für alle frei zugäng­lich sind. Und zwar so kom­for­ta­bel wie mög­lich und so aktu­ell wie mög­lich. Wenn ich heu­te bei­spiels­wei­se agi­le Aspek­te in mei­nem Pro­jekt ein­set­zen will oder muss, kann ich nicht auf die nächs­te Auf­la­ge des Stan­dards war­ten, das Buch bestel­len und dann den Index durch­fors­ten. In Zei­ten von Wiki­pe­dia und Web 2.0 sind Bücher nicht mehr zeit­ge­mäß. Neben die­sem frei­en Zugang zu Wis­sen ist mir ein wei­te­rer Aspekt von Frei­heit aber viel wich­ti­ger: die Frei­heit zur Ver­wen­dung, Anpas­sung und Wei­ter­ga­be der Inhal­te. Wenn ich mich durch sei­ten­lan­ge Rechts­be­leh­run­gen quä­len muss und Angst bekom­me zu zitie­ren oder in der Leh­re ein­zu­set­zen, läuft etwas falsch und ver­hin­dert effek­tiv die Wei­ter­ent­wick­lung des Wissens.

Kostenlos gleich minderwertig

Free soft­ware“ is a mat­ter of liber­ty, not pri­ce. To under­stand the con­cept, you should think of „free“ as in „free speech“, not as in „free beer“.
— Richard M. Stallman

Immer wie­der lese ich das Argu­ment, dass ver­läss­li­ches Wis­sen oder gar ein zer­ti­fi­zier­ba­rer Stan­dard (der Open-PM nicht sein will), einen enor­men redak­tio­nel­len Auf­wand bedeu­tet und es dafür hoch­be­zahl­te Fach­kräf­te braucht. Das ist alles rich­tig. Mit weni­gen hoch­be­zahl­ten Fach­kräf­ten fokus­siert an dem The­ma arbei­ten ist ein Modell. Aber eben nicht das ein­zi­ge. Auch für Betriebs­sys­te­me braucht es gro­ße Orga­ni­sa­tio­nen und hoch­be­zahl­te Fach­kräf­te und trotz­dem gibt es seit 20 Jah­ren Linux. Auch der Brock­haus hat so argu­men­tiert und gegen Wiki­pe­dia den Kür­ze­ren gezo­gen. War­um? Weil das Inter­net die Mög­lich­kei­ten zur Zusam­men­ar­beit revo­lu­tio­niert hat. Plötz­lich ist es sinn­voll und effi­zi­ent ört­lich und zeit­lich asyn­chro­ne Bei­trä­ge zu einem gemein­sa­men Werk zusam­men­zu­füh­ren. Natür­lich hat man dabei ande­re Her­aus­for­de­run­gen in Bezug auf Qua­li­täts­si­che­rung und Kon­fi­gu­ra­ti­ons­ma­nage­ment zu lösen, aber auch dafür gibt es seit Jah­ren gän­gi­ge best-pracitces.

Nur ein privates Hobby

I’m doing a (free) ope­ra­ting sys­tem (just a hob­by, won’t be big and pro­fes­sio­nal like gnu) for 386(486) AT clo­nes.
— Linus Tor­valds‘ Start­schuss zu Linux am 25.08.1991

Rich­tig. Nie­mand wird aus der Mit­ar­beit an Open-PM einen Beruf machen kön­nen. Maxi­mal aus der Ver­wer­tung oder Ver­mitt­lung des dort gesam­mel­ten Wis­sens, was neben­bei bemerkt voll­kom­men legi­tim ist. Wenn man das also so scharf tren­nen will, dann ist Open-PM ein pri­va­tes Hob­by. Genau­so wie Linux, Apa­che, Wiki­pe­dia, Gut­ten­plag, etc. Was mich immer ein wenig stört ist die­ses dif­fa­mie­ren­de „nur“. So als könn­ten Men­schen nur gegen Bezah­lung Groß­ar­ti­ges leis­ten. Die Berufs­er­fah­rung gera­de in gro­ßen Unter­neh­men lehrt, dass es wenig Zusam­men­hang zwi­schen Bezah­lung und Leis­tung gibt. Schon eher zwi­schen Sinn und Leis­tung. Men­schen haben sich seit jeher unent­gelt­lich ehren­amt­lich enga­giert wenn es für sie sinn­voll war.

Bildnachweis

Das Arti­kel­bild wur­de von Andy Arthur unter dem Titel „Fog“ auf Flickr unter eine Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht (Bestimm­te Rech­te vor­be­hal­ten).

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Hi Mar­cus,
das ist mal wie­der eine kla­re kurz­sich­tig­keit und wie­der ein Beweis dafür, wie viel Angst die Ver­bän­de vor der „Öff­nung“, die ja an sich kei­ne Groß­ar­ti­ge Kon­kur­renz dar­stel­len soll, haben.

Kämpft wei­ter dafür, dass hat näm­lich leich­te Par­al­le­len zu dem Dis­kurs und Kampf um ein offe­nes Inter­net in den frü­hen Neun­zi­gern (EFF, Gore, Kapor etc.).

;)

Gruß,
Damian

Hi Dami­an,

dan­ke für Dei­ne unter­stüt­zen­den Wor­te. Wir ste­hen noch ganz am Anfang. Unse­re Auf­ga­be im Kern­team ist es nun schnellst mög­lich eine Platt­form zu schaf­fen auf der wir alle dann an die­sem Traum arbei­ten kön­nen. Auch wenn manch hit­zi­ge Dis­kus­si­on auf einen Kampf hin­deu­ten, glau­be ich doch gera­de bei der GPM Inter­es­se und teil­wei­se sogar Sym­pa­thie für unser Anlie­gen zu spü­ren. Offen­heit heißt für mich auch immer Offen­heit in Rich­tung der Ver­bän­de. Wie beim pmcamp: jeder der kommt ist der richtige.

Grü­ße,
Marcus

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