Prinzipien der Informationsverteilung

In vie­len Pro­jek­ten gibt es nur ein ein­zi­ges (unab­sicht­li­ches) Design­prin­zip der Infor­ma­ti­ons­ver­tei­lung: Das Nadel­öhr. Infor­ma­ti­on fließt nicht frei, son­dern wird müh­sam vom Pro­jekt­lei­ter ver­teilt oder eben nicht. Weder das Pro­jekt­team noch das Umfeld füh­len sich aus­rei­chend infor­miert. Erstaun­lich wenn man bedenkt, dass man­gel­haf­te Kom­mu­ni­ka­ti­on immer wie­der als ein Haupt­grund für das Schei­tern von Pro­jek­ten genannt wird. Wie soll­te man also den Infor­ma­ti­ons­fluss im Pro­jekt orga­ni­sie­ren? Die drei fol­gen­den Design­prin­zi­pi­en sind mir die wichtigsten.

Offenheit

Aus Angst vor Dis­kus­sio­nen oder Kri­tik wer­den oft Infor­ma­tio­nen zurück­ge­hal­ten. Irgend­wie steckt in den Köp­fen von ganz vie­len Pro­jekt­lei­tern, gera­de uner­fah­re­nen, das Dog­ma der Unfehl­bar­keit und All­wis­sen­heit. Um die­se Ansprü­che an sich selbst nicht zu gefähr­den, wird nur preis­ge­ge­ben, was unbe­dingt sein muss. Der eige­ne Infor­ma­ti­ons­vor­sprung wird sorg­sam gehegt, frei nach dem Ter­mi­na­tor-Mot­to „Ich gebe Ihnen gar nicht genug Infor­ma­tio­nen, dass es sich für Sie lohnt zu den­ken!“. Die Chan­cen Pro­ble­me und Risi­ken zu erken­nen und zu ver­mei­den sind aber beträcht­lich höher je mehr Men­schen aus ver­schie­de­nen Blick­win­keln über ein Vor­ha­ben nach­den­ken. Natür­lich führt das auch zu mehr Dis­kus­si­on und viel­leicht auch zu Kri­tik, aber das ist ja genau der Sinn: Kon­fron­ta­ti­on und Dis­kus­si­on erzeu­gen und zwar so früh wie mög­lich, damit mög­lichst vie­len Hand­lungs­op­tio­nen bleiben.

Information als Holschuld

Wenn von Infor­ma­ti­ons­po­li­tik oder Stake­hol­der­kom­mu­ni­ka­ti­on die Rede ist, hat das meist etwas damit zu tun, dass jemand aktiv eine Grup­pe von Betrof­fe­nen infor­miert. Der Klas­si­ker: Pro­jekt­lei­ter ver­fasst einen wöchent­li­chen Sta­tus­be­richt und ver­schickt die­sen per E‑Mail. Auch beliebt: Fra­gen an den Pro­jekt­lei­ter zum Abar­bei­tungs­grad von Arbeits­pa­ke­ten, Tickets, Chan­ge-Requests, offe­nen Punk­ten, etc. Nor­ma­ler­wei­se füh­ren sol­che Fra­gen dann zu einer klei­nen oder grö­ße­ren Run­de im Team mit anschlie­ßen­dem Ver­sand einer Excel­lis­te spät nachts. Und nach einem Monat beginnt das Spiel dann von vor­ne: Anfra­ge, Zusam­men­tra­gen und Ver­schi­cken. Kein Wun­der, dass Pro­jekt­lei­ter dabei zum Nadel­öhr werden.

Mein Ide­al­bild ist ein ande­res: all­ge­mein bekann­te und zen­tra­le Orte an denen die Infor­ma­ti­on jeder­zeit abge­holt wer­den kann. Die  Ver­ant­wor­tung des Pro­jekt­lei­ters ist es dann sicher­zu­stel­len, dass die dort abge­leg­ten Infor­ma­tio­nen (zu ver­ein­bar­ten Stich­ta­gen) aktu­ell sind und jeder die­se Infor­ma­ti­ons­quel­le kennt und nutzt. Das erfor­dert beharr­li­che Erzie­hungs­ar­beit in zwei Rich­tun­gen: einer­seits in Rich­tung des Teams, damit deren Input recht­zei­tig an den ver­ein­bar­ten Ort gelie­fert wird; ande­rer­seits Rich­tung der Infor­ma­ti­ons­emp­fän­ger, damit die Infor­ma­tio­nen ohne gro­ße Nach­fra­gen oder E‑Mails ein­fach abge­holt wer­den. Ein Pro­jekt­sta­tus kann auch auf einer Wiki­sei­te geschrie­ben wer­den. Eine Lis­te offe­ner Punk­te macht deut­lich weni­ger Arbeit wenn alle ihren Sta­tus aktiv dar­in ein­tra­gen und Punk­te abha­ken anstatt die Erle­di­gung müh­sam zurück­mel­den. Ein Kan­ban-Board kann den Abar­bei­tungs­grad von Auf­ga­ben visua­li­zie­ren. Mög­lich­kei­ten gibt es vie­le, das Prin­zip ist aber immer das Glei­che: Infor­ma­tio­nen müs­sen ein­fach zugäng­lich sein, um von Inter­es­sier­ten jeder­zeit abge­holt wer­den zu können.

Serendipity

Im Deut­schen ist das eng­li­sche Seren­di­pi­ty unge­fähr als glück­li­cher Zufall zu über­set­zen. Es meint das zufäl­li­ge Stol­pern über Wich­ti­ges oder Wert­vol­les. (Am Ran­de bemerkt gibt es eine Sei­te der Pro­fes­so­rin Miri­am Meckel, die sich für den Erhalt die­ses Zufalls­ele­ments im Digi­ta­len, der digi­tal seren­di­pi­ty, etwa in Such­ma­schi­nen wie Goog­le stark macht, weil die­se zuneh­mend Vor­lie­ben des Suchen­den ler­nen und bei den Ergeb­nis­sen ein­flie­ßen las­sen.) Auch wenn es auf den ers­ten Blick unpro­duk­tiv wir­ken mag, es hat einen Wert, wenn sich Mit­ar­bei­ter zufäl­lig am Kaf­fee­au­to­ma­ten tref­fen und plau­dern. Die­se Art von Kom­mu­ni­ka­ti­on ist nicht plan­bar, aber man kann dafür Räu­me und Gele­gen­hei­ten schaf­fen. Und man soll­te das auch tun.

Grund­vor­aus­set­zung ist, dass rele­van­te Infor­ma­tio­nen für alle frei zugäng­lich sind, denn sonst gibt es nicht genü­gend Dis­kus­si­ons­stoff außer dem Wet­ter und Fuß­ball. Und es braucht Gele­gen­heit für glück­li­che Zufäl­le: der Kaf­fee­au­to­mat, die Schach­tel mit Süßig­kei­ten, gemein­sa­me Ritua­le wie Kaf­fee­pau­sen und Mit­tag­essen, aber auch neue Tech­ni­ken wie Micro­blog­ging, etc.

Fazit

Bei allen drei Prin­zi­pi­en geht es dar­um, dass der Pro­jekt­lei­ter sei­ner Ver­ant­wor­tung zur Arbeit am Sys­tem, in die­sem Fall zur akti­ven Gestal­tung des Infor­ma­ti­ons­fluss, gerecht wird. All­zu oft wird gera­de die Fra­ge nach der Kom­mu­ni­ka­ti­on im Pro­jekt sträf­lich ver­nach­läs­sigt und irgend­wie und im Ein­zel­fall gelöst anstatt anhand grund­le­gen­der Prin­zi­pi­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge aufzusetzen.

Bild­quel­le: Wiki­pe­dia

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Ein Pro­jekt-Blog wür­de hier hel­fen: Zen­tra­le Anlauf­stel­le, auto­ma­ti­sches Infor­mie­ren per Mail/RSS-Feed, Nach­voll­zieh­bar­keit da zeit­li­che His­to­rie inklusive.

@rainwebs Die Idee ist gut. Aber wie muss der Pro­zess aus­se­hen, dass ein sol­ches auch wirk­lich gepflegt wird. Und damit mei­ne ich nicht nur das Hin­zu­fü­gen von rele­van­ten Infor­ma­tio­nen, son­dern auch die regel­mä­ßi­ge Neu­be­wer­tung vor­han­de­ner Res­sour­cen. Denn zu viel Doku ist genau­so schlimm wie gar kei­ne Doku.

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