Klartext reden!

Die Fer­tig­keit klar und deut­lich zu kom­mu­ni­zie­ren ist mei­ner Mei­nung nach ein Zei­chen von hoher Pro­fes­sio­na­li­tät jedes Wis­sens­ar­bei­ters und ein wesent­li­cher Erfolg­fak­tor in Pro­jek­ten. Viel zu oft sehe ich bis zur Unkennt­lich­keit weich­ge­spül­te Kon­zep­te, Pro­zess­de­fi­ni­tio­nen, Anfor­de­run­gen, Prä­sen­ta­tio­nen und der­glei­chen. Das Unwich­ti­ge wird unnö­tig breit­ge­tre­ten, weil gut ver­stan­den. Das Wich­ti­ge, aber noch nicht aus­rei­chend ver­stan­de­ne, wird in lee­ren, hoch­tra­ben­den Wort­hül­sen ver­steckt, um ja nicht anzu­ecken. Ein Plä­doy­er für pro­fes­sio­nel­len Klartext.

Para­do­xer­wei­se ist es viel ein­fa­cher um den Brei her­um­zu­re­den als prä­zi­se zum Kern der Din­ge vor­zu­drin­gen. Bereits Leo­nar­do da Vin­ci erkann­te in der Ver­ein­fa­chung die höchs­te Stu­fe der Voll­endung (und Apple bedien­te sich die­ses Zitats bei der Wer­bung für den Apple II):

Sim­pli­ci­ty is the ulti­ma­te sophistication!
–Leo­nar­do da Vinci

Blai­se Pas­cal ent­schul­dig­te sich einst noch, dass er sich nicht die Zeit neh­men konn­te um einen kür­ze­ren Brief zu schreiben:

I would have writ­ten a shorter let­ter, but I did not have the time.
–Blai­se Pascal

Wer ent­schul­digt sich heu­te noch für eine zu lan­ge E‑Mail oder eine auf­ge­bläh­te Präsentation?

Mei­ner Mei­nung nach gibt es zwei Ursa­chen für feh­len­de Klar­heit: Unfä­hig­keit und Angst. Wir haben Reden und Schrei­ben gelernt, aber wer hat sich ernst­haft um rich­ti­gen Stil bemüht? Meist nur die­je­ni­gen die ihr Geld haupt­säch­lich mit Reden oder Schrei­ben ver­die­nen. Wenn wir aber dar­an glau­ben, dass gute Kom­mu­ni­ka­ti­on ein wesent­li­cher Erfolgs­fak­tor in der Wis­sens­ar­beit im All­ge­mei­nen und in Pro­jek­ten im Beson­de­ren ist, dann ist die­se Stil­fra­ge nicht mehr nur Kür, son­dern Pflicht. Klar­text ist ein Zei­chen von Pro­fes­sio­na­li­tät in jedem Bereich von Wissenarbeit.

Die Unfä­hig­keit kann man leicht bekämfpen. Es gibt eini­ge her­vor­ra­gen­de Stan­dard­wer­ke zu Fra­gen des Schreib­stils, die ich jedem Wis­sens­ar­bei­ter nur emp­feh­len kann. Ein Klas­si­ker ist das Buch „The Ele­ments of Style“ von W. Strunk und E.B. White (Ama­zon Affi­lia­te-Link), aus dem die bekann­te Leit­li­nie „Make every word tell!” stammt:

Vigo­rous wri­ting is con­cise. A sen­tence should con­tain no unneces­sa­ry words, a para­graph no unneces­sa­ry sen­ten­ces, for the same reason that a dra­wing should have no unneces­sa­ry lines and a machi­ne no unneces­sa­ry parts. This requi­res not that the wri­ter make all his sen­ten­ces short, or that he avo­id all detail and tre­at his sub­jects only in out­line, but that every word tell.
– W. Strunk and E.B. White, The Ele­ments of Style

Für deutsch­spra­chi­ge Tex­te ist Wolf Schnei­der und bei­spiels­wei­se sein Buch „Deutsch für Ken­ner: Die neue Stil­kun­de“  (Ama­zon Affi­lia­te-Link) zu empfehlen.

Die zwei­te Ursa­che für feh­len­de Klar­heit ist Angst. Vie­le ver­mei­den es klar und deut­lich zu kom­mu­ni­zie­ren aus Angst vor Kon­flik­ten. Wer will sich schon ger­ne öffent­lich bloß­stel­len las­sen? Die­se Angst vor aller Augen eines Feh­lers über­führt zu wer­den sitzt tief und erin­nert uns an pein­li­ches Aus­fra­gen in der Schu­le. Scha­de. In den so gemie­de­nen Dis­kus­sio­nen läge auch die Chan­ce früh­zei­tig Ver­ständ­nis­lü­cken zu schlie­ßen. Die Fort­ge­schrit­te­nen pro­vo­zie­ren sol­che Kon­flik­te sogar, indem sie einen Sach­ver­halt bewusst grob ver­ein­facht ein­fach mal an die Wand wer­fen. Die Dis­kus­si­on, die sich dann dar­an ent­zün­det, lässt den Initia­tor viel­leicht zunächst dumm aus­se­hen, macht ihn in Wahr­heit aber nur schlau­er und ent­lockt den Anwe­sen­den nicht sel­ten Wis­sen, das sie eigent­lich nicht so schnell preis­ge­ben wollten.

Sowohl für die Ver­bes­se­rung unse­rer Fer­tig­keit klar und deut­lich zu kom­mu­ni­zie­ren als auch für die Über­win­dung unse­rer Angst durch kla­re Wor­te Wider­spruch zu ern­ten haben wir täg­lich Gele­gen­heit zu üben: Ein­fach Klar­text reden!

Zum Schluss ein Hin­weis, dass man es auch mit Ein­fach­heit und Klar­heit auch über­trei­ben kann:

For every com­plex pro­blem the­re is a solu­ti­on that is simp­le, neat, and wrong.
–H.L. Men­ken

Bildnachweis

Das Arti­kel­bild wur­de von Wil­li Hei­del­bach unter dem Titel „Hand­satz“ auf Flickr unter einer Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht (Bestimm­te Rech­te vor­be­hal­ten).

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

6 Kommentare

Gut auf den Punkt gebracht. Wir sehen ja gera­de wie­der im Wahl­kampf, was dort an Logor­rhoe abe­son­dert wird.
Ich glau­be es gibt noch einen tie­fer­ge­hen­den Grund für unkla­re Kom­mu­ni­ka­ti­on, der auf der Angst beruht. Man ver­steckt sich hin­ter einem Heu­hau­fen, damit die ande­ren bloß die­se eine Steck­na­del nicht fin­den. Es könn­te sich her­aus­stel­len, dass es tat­säch­lich nur eine ist und die nicht ein­mal beson­ders viel Spit­ze hat.

Sehr guter Arti­kel. Neben man­geln­der Aus­drucks­fä­hig­keit und Angst vor Kon­flik­ten möch­te ich noch einen drit­ten Aspekt hin­zu­fü­gen. Die Angst Wis­sens­lü­cken offen­zu­le­gen. In jedem anspruchs­vol­len Pro­jekt star­tet das Team mit teil­wei­se gros­sen Wis­sens­lü­cken, die sich im Lau­fe des Pro­jek­tes schlies­sen. Die­se offen zu kom­mu­ni­zie­ren, und das nicht nur im Team, son­dern auch gegen­über ande­ren Stake­hol­dern ist heut­zu­ta­ge immer noch schwie­rig. Jemand, der zugibt, dass er über ein The­ma nicht bis ins letz­te Detail Bescheid weiss, gilt sofort als inkom­pe­tent. Man braucht sich nur mal eine der vie­len Talk­shows anschau­en, in denen über die Pira­ten­par­tei her­ge­zo­gen wird, weil sie sich noch nicht über alle The­men Gedan­ken gemacht haben.

Dan­ke für Dei­nen Kom­men­tar! Angst Wis­sens­lü­cken zu offen­ba­ren ist sicher auch ein Grund. Aber nur wenn man die­se Lücken offen­bart kann man sie schlie­ßen. Und manch­mal hilft es wirk­lich wis­sent­lich etwas nicht ganz Rich­ti­ges zu behaup­ten, um aus der Reak­ti­on zu ler­nen und so die Lücken zu schließen.

Einen Punkt möch­te ich noch ergän­zen: Es muss noch nicht­mal Unfä­hig­keit oder Angst sein. Doch vor Klar­text reden kommt klar den­ken. Und das ist ein Mus­kel, der erst gefun­den und dann trai­niert wer­den muss. Kann fast jeder mit hin­rei­chend Übung.

Dan­ke für Dei­ne Ergän­zung. Sehr rich­tig: das kla­re Den­ken gehört untrenn­bar dazu. Über die Rei­hen­fol­ge bin ich mir aber unschlüs­sig. Ich glau­be Den­ken und Reden / Schrei­ben beein­flus­sen sich gegen­sei­tig. Mein Den­ken wird kla­rer beim Schrei­ben. Und ich ken­ne Men­schen die Reden müs­sen, um klar zu den­ken. Wie Kleist schon sag­te: „Über das all­mäh­li­che Ver­fer­ti­gen der Gedan­ken beim Reden.“

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