Projektplanung 101: Shu-Ha-Ri

Die­se Serie beschäf­tigt sich mit dem zen­tra­len The­ma klas­si­schen Pro­jekt­ma­nage­ments: der Pro­jekt­pla­nung. Bei eini­gen Men­schen, ins­be­son­de­re bei Anhän­gern agi­ler Vor­ge­hens­wei­sen, stößt die­ses The­ma auf wenig Inter­es­se oder offe­ne Ableh­nung. Das ist je nach indi­vi­du­el­ler Erfah­rung sehr ver­ständ­lich, auch ich habe mei­ne Zwei­fel an der minu­tiö­sen Plan­bar­keit von kom­pli­zier­ten Pro­jek­ten. Jedoch hal­te ich es für wich­tig, die Grund­prin­zi­pi­en der Pro­jekt­pla­nung ver­stan­den und ver­in­ner­licht zu haben, bevor man bewusst davon abwei­chen oder die­se wei­ter­ent­wi­ckeln kann. Ein kur­zer Exkurs in die asia­ti­sche Leh­re der drei Stu­fen des Ler­nens: Shu-Ha-Ri.

Shu (beschüt­zen, ver­tei­di­gen, ein­hal­ten, befol­gen) ist die Stu­fe des Anfän­gers. Der Schü­ler kon­zen­triert sich auf die prä­zi­se Nach­ah­mung der Tech­nik eines Meis­ter (oder eines Lehr­buchs oder Stan­dards). Die zugrun­de­lie­gen­den Prin­zi­pi­en wer­den auf die­ser Stu­fe aus­ge­blen­det oder nur am Ran­de behandelt.

Ha (zer­rei­ßen, durch­bre­chen) Mit der siche­ren Beherr­schung der gelehr­ten Tech­nik, wer­den auf die­ser Stu­fe die grund­le­gen­den Prin­zi­pi­en hin­ter­fragt und ver­stan­den. Es fin­den ers­te Abwei­chun­gen zur rei­nen Nach­ah­mung statt auch und gera­de indem die Tech­nik bei ande­ren Meis­tern (Lehr­bü­chern oder Stan­dards) beob­ach­tet und kopiert wird. Der Schü­ler durch­bricht die Ket­ten und beginnt einen eige­nen Weg zu gehen.

Ri (sich ent­fer­nen, sich tren­nen, abschnei­den) Der Schü­ler lernt nun nicht mehr von ande­ren Meis­tern (Lehr­bü­chern und Stan­dards). Er ent­wi­ckelt sei­ne eige­nen Ansät­ze und Sti­le und passt die­se intui­tiv der Situa­ti­on an und lernt kon­ti­nu­ier­lich aus sei­ner eige­nen Praxis.

Die drei Stu­fen die­ses Lern­prin­zips bau­en auf­ein­an­der auf. Erst wenn die Anwen­dung und Nach­ah­mung auf der Stu­fe »Shu« feh­ler­frei gelingt, kön­nen die ers­ten Schrit­te zum eige­nen Stil gemacht wer­den indem man von der gelehr­ten Metho­de bewusst abweicht und Ele­men­te ande­rer Leh­rer aus­pro­biert bis schließ­lich auf der letz­ten Stu­fe die Tech­nik durch eige­ne krea­ti­ve Impul­se unab­hän­gig von den Leh­ren ande­rer Meis­ter intui­tiv wei­ter­ent­wi­ckelt wird.

Wenn ich also hier im Blog über die Grund­la­gen der Pro­jekt­pla­nung schrei­be, dann heißt das nicht, dass ich dar­an bedin­gungs­los und in vol­ler Schön­heit glau­be. Auch ich habe mei­ne Zwei­fel an der Plan­bar­keit von Pro­jek­ten (»Pla­nung ersetzt Zufall durch Irr­tum.«) und habe für mich einen Stil gefun­den damit umzu­ge­hen, den ich in den ein­zel­nen Arti­keln als Tipps ein­flie­ßen las­se. Trotz­dem fin­de ich es uner­läss­lich, erst die Regeln und Prin­zi­pi­en ver­stan­den zu haben bevor man die­se dann bewusst bricht. Shu-Ha-Ri.

Bisher erschienene Teile der Serie »Projektplanung 101«

  1. Arbeits­pa­ke­te rich­tig schneiden
  2. Ver­knüp­fun­gen setzen
  3. Res­sour­cen zuteilen
  4. Mei­len­stei­ne setzen
  5. Fort­schritt messen
  6. Exkurs: Shu-Ha-Ri (die­ser Artikel)

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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Die­se Serie beschäf­tigt sich mit dem zen­tra­len The­ma klas­si­schen Pro­jekt­ma­nage­ments: der Pro­jekt­pla­nung. Bei eini­gen Men­schen, ins­be­son­de­re bei Anhän­gern agi­ler Vor­ge­hens­wei­sen, stößt die­ses The­ma auf wenig Inter­es­se oder offe­ne Ableh­nung. “ – Die Erfah­rung habe ich auch paar Mal gemacht. Die­se „eini­gen Men­schen“ redu­zier­ten aller­dings agi­les PM aus­schließ­lich auf Sprint-Ebe­ne (Ent­wick­lungs­team).
Betrach­tet man drei Ebe­nen des agi­len PM, stellt man fest, dass man ‑vor allem auf der Pro­duct Owner Ebe­ne- mehr als ordent­lich pla­nen muss.

Dan­ke für Ihre Anmer­kung. Die Pla­nung grund­sätz­lich steht mei­ner Mei­nung nach auch nicht in Fra­ge. Es ist mehr die klas­si­sche Pro­jekt­pla­nung in Form von umfang­rei­chen und weit in die Zukunft rei­chen­den Ablauf­plä­nen, die (zu Recht) in Fra­ge gestellt wird. Pla­nen im Sin­ne von sich einen Über­blick ver­schaf­fen und zu behal­ten, was noch zu tun ist und als nächs­tes getan wer­den soll­te, ist immer not­wen­dig. Was mir an agi­len Metho­den dabei am bes­ten gefällt, dass die­se Pla­nung ein Mit­ein­an­der ist und nicht ein hel­den­haf­ter Pro­jekt­lei­ter alles plant und zur Aus­füh­rung bringt.

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