Spielräume im Projektmanagement

Ihr kennt das. Das Pro­jekt läuft zur Zeit sta­bil und füllt den Arbeits­tag des Pro­jekt­lei­ters nicht mehr voll­stän­dig. Ehe man es sich ver­sieht, bekommt man also ein wei­te­res Pro­jekt über­tra­gen oder aus Grün­den der kon­ti­nu­ier­li­chen Adre­na­l­in­ver­sor­gung über­nimmt man es sogar bereit­wil­lig. Das Ergeb­nis ist jeden­falls die min­des­tens voll­stän­di­ge Aus­las­tung des Pro­jekt­lei­ters und in Fol­ge eine regel­mä­ßi­ge Über­las­tung im Fal­le klei­ne­rer oder grö­ße­rer Kri­sen, die zu noch mehr Belas­tung und Feh­lern füh­ren. Ein Plä­doy­er für mehr Spiel­räu­me und Gelas­sen­heit im Projektmanagement.

Gelas­sen­heit ist eine anmu­ti­ge Form des Selbstbewusstseins.
Marie Frei­frau von Ebner-Eschenbach

Die Logik hin­ter die­sem Sche­ma ist genau­so ein­fach wie falsch. Nicht jeder Spiel­raum muss gefüllt wer­den nicht jeder Puf­fer eli­mi­niert wer­den. Ein Pro­jekt­lei­ter, der durch sei­ne Pro­jek­te im Nor­mal­fall nicht voll­stän­dig aus­ge­las­tet ist, han­delt klug und umsich­tig. Wer hin­ge­gen im Regel­be­trieb schon am Limit arbei­tet, ist selbst das größ­te Risi­ko im Projekt.

Über­ar­bei­te­te Mana­ger beschäf­ti­gen sich mit Din­gen, mit denen sie sich nicht beschäf­ti­gen sollten.
Tom deMar­co

Im idea­len Pro­jekt hal­te ich mir 20% mei­ner Zeit frei von Auf­ga­ben oder Ter­mi­nen. Zum Teil benö­ti­ge ich die­se Zeit, um die klei­nen und gro­ßen Kri­sen im Pro­jekt schnell und nach­hal­tig ein­zu­däm­men. Den Rest nut­ze ich für zwang­lo­se Gesprä­che mit allen rele­van­ten Stake­hol­dern, ins­be­son­de­re mit mei­nem Team und dem Kun­den. Einer­seits sor­gen die­se Gesprä­che natür­lich für einen kon­ti­nu­ier­li­chen Infor­ma­ti­ons­fluss in und um das Pro­jekt. Ande­rer­seits färbt mei­ne Ruhe und Gelas­sen­heit als Pro­jekt­lei­ter dadurch auf Mit­ar­bei­ter und Stake­hol­der ab. Druck gibt es im Pro­jekt ohne­hin genug, dazu braucht es kei­nen Adre­na­lin-Jun­kie an der Spit­ze. Mei­ne Auf­ga­be als Pro­jekt­lei­ter ist es eben auch, ein Gefühl der Sicher­heit und Sta­bi­li­tät zu geben.

Wo zwei zusam­men­sto­ßen, siegt der Besonnene.
Lao­tse

In die­sen Gesprä­chen ent­ste­hen dann aber oft Ideen für Ver­bes­se­run­gen der Abläu­fe oder der Ergeb­nis­se, gegen­sei­ti­ge Erwar­tun­gen wer­den geklärt und Ver­trau­en geschaf­fen. Das Pro­jekt wird damit sowohl effi­zi­en­ter als auch effek­ti­ver. Ich brau­che die­se Zeit­re­ser­ve also letzt­lich zur Kom­mu­ni­ka­ti­on und zur nach­hal­ti­gen Arbeit am Sys­tem. Dar­in unter­schei­det sich für mich die rei­ne Pro­jekt­ver­wal­tung von ech­ter Projektführung.

Manage­ment works in the sys­tem; lea­der­ship works on the system.
Ste­ven R. Covey

Fehlt die­ser Spiel­raum, ist der Pro­jekt­lei­ter mit sei­nen Pro­jek­ten im Regel­fall schon voll­stän­dig aus­ge­las­tet oder über­las­tet. Es beginnt der ver­häng­nis­vol­le Kreis­lauf des fal­schen Pro­jekt­hel­den­tums. Zu wenig Kom­mu­ni­ka­ti­on und zu unüber­leg­tes Han­deln füh­ren zu Fehl­ent­schei­dun­gen. Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit und Unsi­cher­heit machen sich im Team breit. Wei­te­re Feh­ler und Kri­sen sind die Fol­ge, deren Ein­däm­mung durch ver­spiel­tes oder nicht auf­ge­bau­tes Ver­trau­en beim Kun­den auch noch müh­sa­mer als nötig ist. Das alles führt zu noch mehr Belas­tung des Pro­jekt­lei­ters und der Kreis schließt sich. Dann heißt es Ärmel hoch­krem­peln und anpa­cken und noch schnel­ler im Hams­ter­rad zu ren­nen. So wer­den Pro­jekt­hel­den gebo­ren, aber kei­ne ech­ten Führungskräfte.

Die reins­te Form des Wahn­sinns ist es, alles beim Alten zu las­sen und gleich­zei­tig zu hof­fen, dass sich etwas ändert.
Albert Ein­stein

Fazit

Was im Lean Manage­ment für Pro­duk­ti­ons­pro­zes­se ver­nünf­tig sein mag, näm­lich die Eli­mi­nie­rung von Puf­fern, kann nicht ein­fach auf Wis­sens- und Füh­rungs­ar­beit über­tra­gen wer­den. Klug mit sei­ner Zeit als Pro­jekt­lei­ter umzu­ge­hen und vor­aus­schau­end Spiel­räu­me zu pla­nen für Kom­mu­ni­ka­ti­on und Arbeit am Sys­tem, ist die Vor­aus­set­zung für wirk­sa­me Pro­jekt­füh­rung jen­seits fal­schen Heldentums.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

22 Kommentare

Mar­cus,
Dan­ke und noch­mals Dan­ke für die­sen Beitrag.
Du schreibst hier gelas­sen auf, was ich auch immer wie­der fast wort­wört­lich pre­di­ge, um mei­nem Team (auf das ich lini­en­mä­ßig kei­nen direk­ten Durch­griff habe) halb­wegs in nor­ma­ler Aus­las­tung zu hal­ten und die Frei­räu­me zu schaf­fen, die wir für Ver­bes­se­run­gen oder auch Claims brauchen.
Für mich selbst schaf­fe ich das – meis­tens durch har­te Ableh­nung von Son­der­auf­ga­ben jen­seits des Pro­jekts. Und es lohnt sich:
Kaum etwas ver­bes­sert die Qua­li­tät eines Teams mehr, als ein PM der prä­sent ist, die Bezie­hun­gen zu sei­nen Leu­ten pflegt und sich um ihre Sor­gen und Nöte kümmert.
Aber meis­tens schei­te­re ich an der Linie und an der Stundenschreibung.
Lei­der herrscht in den meis­ten Kons die Ein­stel­lung vor, dass jemand der nur zu 80% aus­ge­las­tet ist, wohl „über­zäh­li­ger Head­count“ ist. (Der Begriff ist Neu­sprech aus einer Management-Powerpoint)

Dan­ke Thi­lo für Dei­ne Zustim­mung! Da hilft tat­säch­lich nur har­te Abgren­zung und Ableh­nung von Pro­jek­ten oder Son­der­auf­ga­ben, die nicht mehr mit dem rech­ten Maß und unse­rem Anspruch ver­ein­bar sind, aber viel­leicht rein rech­ne­risch noch pas­sen könn­ten. Das lernt man aber auch erst mit der Zeit und durch Schmerzen.

Wie gesagt: Für mich per­sön­lich ist das mitt­ler­wei­le okay.
Das tat­säch­li­che Pro­blem, und zwar nicht für das Pro­jekt, son­dern für die Firma:
Das Kern­team in einem Inves­ti­ti­ons­pro­jekt besteht i.d.R. aus dem (Gesamt-)Projektleiter (tech­nisch) und dem Kauf­män­ni­schen Projektleiter.
Die Zwei sind die Ein­zi­gen, die Claims auf­bau­en können.
Cla­im Manage­ment ist ein krea­ti­ver Pro­zeß, der inten­si­ves Ver­trags­stu­di­um und Prü­fung der ent­spre­chen­den Geset­ze (BGB, VOB/B, HGB usw.) voraus.
Krea­ti­ve Pro­zes­se brau­chen freie Zeit und ent­spann­tes Arbei­ten. Bei­des ist in heu­ti­gen Kons* nicht mög­lich, weil man dafür die Mann­schaft nur 80/20 aus­las­ten darf.
Das ist für den ver­ant­wor­tungs­be­wuß­ten PM ein Pro­blem, weil es nicht durch­setz­bar ist.
Bleibt die Fra­ge: Las­se ich es sau­sen? Oder moti­vie­re ich den Kauf­mann, das beim Fei­er­abend­bí­er oder gar am Sams­tag durch­zu­zie­hen? Und wie?
Fei­er­abend­bier wird schwie­rig, da dafür eigent­lich nur noch Semi­na­re blei­ben. Über­nach­tun­gen bei Semi­na­ren ent­fal­len aber aus Kotengründen.
Seid Ihr noch bei mir? Seht Ihr den Teufelskreis?

Die Fra­ge, die im nächs­ten Review kom­men muß, ist: Wie ist die Lage bei den Claims?
Die ehr­li­che Ant­wort: „Dafür haben wir kei­ne Zeit.“

Des­we­gen rührt Mar­cus‘ Bei­trag hier an eine offe­ne Wun­de, die mir als gewis­sen­haf­tem PM schlaf­lo­se Näch­te bereitet…

Zum *: Den Begriff „Kons“ als (durch­aus abschät­zi­ge) Abkür­zung für „Kon­zer­ne“ habe ich mir bei Mar­kus Heitz ent­lehnt. Ich lese gera­de mal wie­der die „Collector“-Romane, in denen Kon­zer­ne eine span­nen­de Rol­le spielen.

Ach so:
Sor­ry für die vie­len Ver­tip­per im ers­ten Kommentar.
Den habe ich auf mei­nem Han­dy getippt, und Kor­rek­tur­le­sen war noch nie mei­ne Stär­ke ;o)

Ich lie­be „F7“ bei Office ;o)

Schön beschrie­ben, Thi­lo. Das ist genau der Effekt wenn alle voll­stän­dig ope­ra­tiv aus­ge­las­tet oder über­las­tet sind: Wich­ti­ges, das nicht drin­gend ist bleibt lie­gen. Oder wird am Fei­er­abend erle­digt. Haben kei­ne Zeit die Säge zu schär­fen, müs­sen sägen. Mit dem nöti­gen Abstand und in einer lang­fris­ti­gen Per­spek­ti­ve betrach­tet natür­lich sub­op­ti­mal, aber oft ohne exter­ne Hil­fe eines Coa­ches nicht lös­bar im täg­li­chen Geschäft und gegen die Über­zeu­gun­gen und die Kul­tur des Unternehmens.

Vie­len Dank für die­sen Arti­kel. Ich hof­fe instän­dig, dass die Bot­schaft bei den rich­ti­gen Ent­schei­dern ankommt und kon­se­quent umge­setzt wird. 100 %-Aus­las­tung heißt, es gibt kei­nen Frei­raum und kei­ne Chan­ce uner­war­tet, plötz­lich auf­tre­ten­de Risi­ken sau­ber zu prü­fen, durch­den­ken und gute Lösun­gen zu ent­wi­ckeln. Es herrscht kon­stan­te „Feuerwehralarm“-Stimmung, die demo­ti­viert und letzt­end­lich Men­schen ver­brennt (und Fehl­ent­schei­dun­gen befördert).

Das hof­fe ich auch. Beim Blick in die Pra­xis fehlt mir aber der Glau­be. Einer­seits weil sich noch zu vie­le in der Hel­den­rol­le zu wohl füh­len und die­ses Hel­den­tum auch noch belohnt wird. Ande­rer­seits weil noch zu vie­le Unter­neh­men im Dienst­leis­tungs­be­reich hohe Aus­las­tung beloh­nen durch ent­spre­chen­de Ziel­ver­ein­ba­run­gen und Inzentives.

Das wirk­lich Span­nen­de ist doch:
Hat man als PM erst­mal die Hel­den­rol­le (und den Wunsch des Mär­ty­rer-Able­bens) hin­ter sich gelas­sen, also eine Stu­fe der Gelas­sen­heit und des In-sich-Ruhens erreicht, staunt man, wie oft man sich ob die­ser Gelas­sen­heit beim Manage­ment recht­fer­ti­gen muß.

Offen­bar ist zumin­dest der Anschein des „Ich bin furcht­bar busy“ immer noch erwünscht und Maß für das Enga­ge­ment eines Mit­ar­bei­ters in Füh­rungs­rol­le (auch wenn die­se nicht offi­zi­ell ist)

Soll hei­ßen: Wer ent­spannt ist, weil er sein Pro­jekt im Griff hat (oder wenigs­tens davon über­zeugt ist), wirkt verdächtig.
Das führt dazu, daß Leu­te en Streß erst vor­täu­schen und dann schließ­lich tat­säch­lich erle­ben, weil sie hin­ter jeder Ecke Ver­rat und Kon­trol­le wittern.

Ja, den Aspekt, dass nur der­je­ni­ge rich­tig ™ arbei­tet, der auch ordent­lich schwitzt, den gibt es natür­lich auch noch. Sol­che Unter­neh­men wer­den dann in der Regel von Adre­na­lin-Jun­kies geführt. An dem Punkt soll­te man tat­säch­lich über­le­gen ob die­ses Unter­neh­men mit sei­ner Kul­tur als Arbeit­ge­ber oder Kun­de taugt.

Ja, pri­ma, ich plä­die­re auch stets für min­des­tens 10% Refle­xi­onpau­sen in einem Pro­jekt. Dabei spre­che ich aber von Pro­jek­ten, in denen der PM zu 120% aus­ge­las­tet ist. Ein Pro­jekt, das glatt läuft und den PM nicht mehr voll for­dert, habe ich noch nie gese­hen. Ich habe lei­der auch kei­ne Ant­wort auf die Fra­ge, wer „mei­ne“ 10% bezahlt. Der Auftraggeber/Kunde sicher nicht. Wenn Du also u.a. Stake­hol­der­pfle­ge machst, dann lässt Du das von Dei­nem Arbeit­ge­ber, der in der Rol­le des Lie­fe­ran­ten ist, bezah­len? Und wie steht denn das mit der Marge?

Dan­ke, Peter! Ich hät­te da schon Bei­spie­le von Pro­jek­ten, die mich nicht zu 100% aus­las­ten. Alles ande­re wäre für mich auch ein Feh­ler, nicht nur in Bezug auf die­se Pro­jek­te wie in dem Arti­kel dar­ge­stellt, son­dern auch weil ich neben den Pro­jek­ten ja auch noch Auf­ga­ben und Ver­ant­wor­tung in unse­rem Unter­neh­men habe. 

Zur Fra­ge wer das bezahlt: Kom­mu­ni­ka­ti­on und Stake­hol­der­ma­nage­ment gehört natür­lich zu mei­nem urei­ge­nen Auf­trag als Pro­jekt­lei­ter und wird auch vom Kun­den bezahlt (Kun­den, die das nicht ver­ste­hen pas­sen nicht zu mir). Prin­zi­pi­ell kom­me ich damit aber eben nicht auf 100% oder gar 120% Aus­las­tung und damit nicht auf den theo­re­tisch erreich­ba­ren Umsatz. Das ist so und das akzep­tie­re ich so aus Grün­den mei­nes Qua­li­täts­ver­ständ­nis­ses als Pro­jekt­ma­na­ger und aus Grün­den der Lebensqualität.

Mei­ne Hoff­nung ist ja (obwohl schon sehr lädiert), dass es irgend­wo einen schlau­en Men­schen gibt, der auch mit Zah­len vor­rech­nen kann, dass die gerin­ge­re Aus­las­tung, wenn man die Zeit, wie von Mar­cus beschrie­ben, nutzt, (um im Aus­tausch zu sein) das Pro­jekt INSGESAMT GÜNSTIGER wer­den lässt.

Der Aus­tausch kann aus mei­ner Per­spek­ti­ve nicht nur zu bes­se­ren Bezie­hun­gen („Team­bil­dung / Koope­ra­tio­nen“) füh­ren, son­dern auch dazu, dass mit höhe­rer Wahrscheinlichkeit

Feh­ler schnel­ler erkannt und beho­ben! wer­den kön­nen (Feh­ler (nicht Zeit) sind in den meis­ten IT-Pro­jek­ten Kos­ten­fak­tor No1…)
Anfor­de­run­gen früh­zei­ti­ger und genau­er (weil man die Ansprech­part­ner bes­ser ver­steht, wenn man sie kennt und offen reden kann) defi­niert wer­den können.

So lässt sich „Fea­turi­tis“ und ande­re For­men von „sinn­lo­sem Pro­gram­mie­ren“ (z.B. weil die Anfor­de­run­gen im Ver­lauf obso­let wer­den) vermeiden.

Mei­ne The­se: Kom­mu­ni­ka­ti­on kann in vie­len Pro­jek­ten ein grö­ße­rer „Kos­ten­sen­ker“ sein, als die simp­le zeit­li­che Auslastung. 

Es gab auch schon Zei­ten, da haben die Zeit­ma­nage­ment-Spe­zia­lis­ten in Semi­na­ren vor­ge­be­tet, dass man nur 60% des Tages mit Tages­ge­schäft ver­pla­nen soll­te. Das war lan­ge, bevor „geru­fen wur­de“, dass alles „agi­ler“ wer­den müsste.

Wenn man Men­schen ein Kor­sett anlegt, indem Sie sich nicht bewe­gen kön­nen, soll­te man sich nicht wun­dern, wenn es frü­her oder spä­ter an Bewe­gung / Agi­li­tät hapert ;-)

Ja, natür­lich lässt sich nicht in jedem Pro­jekt durch gute Kooperation/Kommunikation Geld sparen. 

In „agi­len IT-Pro­jek­ten“, den­ke ich, (je nach Rol­len­ver­tei­lung) schon. 

Zudem lässt sich dort durch die „Nicht 100% Aus­las­tung“ die Erfolgs­wahr­schein­lich­keit und auch der „Nut­zen“ verbessern.

Klar, ich bin ja ganz bei Euch. Und dass u.a. Kom­mu­ni­ka­ti­on ein Kos­ten­sen­ker sein kann, davon bin auch ich sehr überzeugt. 

Aber ange­nom­men, ich will ein Ein­fa­mi­li­en­haus bau­en und rech­ne aus, dass ich bei einem Preis von z.B. 500 Tau­send gera­de gut durch­kom­me. Von den drei Ange­bo­ten für z.B. 450, 550 und 650 soll­te ich das Ers­te neh­men, da ich weiss, dass dann doch alles teu­rer kommt. Die­ses Ange­bot ist sehr „lean“, alles nur das Nötigs­te. Das für 550 bie­tet etwas bes­se­re Qua­li­tät. Mög­li­cher­wei­se fal­len beim ers­ten Ange­bot bereits nach einem Jahr teu­re Repa­ra­tu­ren an, wäh­rend beim zwei­ten die Sache län­ger hält. Gut, dafür gibt es nur noch Daheim­blei­be­fe­ri­en, die Kin­der kön­nen nicht in die bes­se­re Schu­le und die längst fäl­li­ge Neu­an­schaf­fung eines PKW liegt auch nicht mehr drin. Das 650er-Ange­bot brau­che ich gar nicht näher anzu­scheu­en, denn das kann ich mir nun wirk­lich nicht leis­ten. Dort wird neben höhe­rem Qua­li­täts­stan­dard noch Kom­mu­ni­ka­ti­on ange­bo­ten, z.B. wöchent­li­che Sit­zun­gen mit mir als Bau­her­ren. Ich kann ja auch beim 550er Ange­bot wöchent­lich auf die Bau­stel­le gehen, und wenn etwas nicht passt, rekla­mie­ren. Die­se 100 Tau­send mehr kann ich mir sparen.

Ihr könnt jetzt über die­sen Bau­herrn schimp­fen, aber er ist Ver­tre­ter so vie­ler Auf­trag­ge­ber. Wenn z.B. ein Inter­net­pro­vi­der ein Ver­wal­tungs­sys­tem für sei­ne Netz­kno­ten benö­tigt, dann ist das ein Pro­jekt, wo ein Stan­dard­pro­dukt in die IT-Land­schaft des Auf­trag­ge­bers inte­griert wird, wie das Ein­fa­mi­li­en­haus in das Leben einer Fami­lie. Die Lauf­zeit des Pro­jekts soll­te ca. 9 Mona­te sein, darf aber nicht län­ger dau­ern als 6 Mona­te. Da lie­gen schon mal kei­ne 20% mehr drin. Es wer­den belie­big vie­le Feh­ler zum Vor­schein kom­men, die für rote Köp­fe sor­gen und den Pro­jekt­lei­ter auf Trab hal­ten. Als ich der Swiss­com ein­mal ein sol­ches Pro­jekt ver­kau­fen woll­te und offen leg­te, dass die Koor­di­na­ti­on mit den diver­sen inter­na­tio­na­len Zulie­fe­rern 10% mehr kos­ten wird, sag­te der Ein­käu­fer bloss: „Ok, wir bestel­len! Aber ohne Koor­di­na­ti­on mit den inter­na­tio­na­len Zulieferern“. 

Nein, zumin­dest in IT Migra­ti­ons- und Inte­gra­ti­ons­pro­jek­ten sowie in der Bau­bran­che sind die Zei­ten und Prei­se der­art knapp, dass lei­der kei­ne Luft bleibt. Das ist ja mei­ne Fra­ge: Wie kann man in sol­chen Pro­jek­ten den­noch den nöti­gen Frei­raum bewah­ren, ohne den es auch mei­ner Mei­nung nicht geht?

Den Gedan­ken­gang ken­ne ich ins­be­son­de­re bei IT-Pro­jek­ten nur zu gut. Mei­ner Mei­nung nach ist es kei­ne Fra­ge ob ich die Kos­ten für die­sen Spiel­raum und ins­be­son­de­re für Kom­mu­ni­ka­ti­on aus­ge­be, son­dern nur wann. Sicher kann ich mir ein­re­den, die­se Kos­ten sei­en unnö­tig und ich kön­ne sie mir spa­ren. Am Ende wer­de ich sie aber den­noch bezah­len müs­sen. Viel­leicht in ande­rer Wäh­rung und ver­mut­lich mit Zin­sen. Die legen­dä­re Per­for­mance von IT-Pro­jek­ten spricht da Bände:

Jedes sechs­te Pro­jekt spreng­te das vor­ge­ge­be­ne Bud­get um durch­schnitt­lich 200 Pro­zent – und zwar infla­ti­ons­be­rei­nigt. Der geplan­te Zeit­rah­men wur­de in die­sen Fäl­len im Mit­tel um 70 Pro­zent überschritten.
CIO 11.10.2011 aus einer Stu­die von Oxford und McKinsey

@Peter:
Ich lese Dei­ne Fra­ge und die Beant­wor­tung soll­te eigent­lich ein The­ma inner­halb der „Gesamt­Füh­rung / Manage­ment / Gre­mi­um der Pro­zess­ver­ant­wort­li­chen“ sein.

Durch die „Pro­zess­ver­bes­se­rungs­bril­le“ betrach­tet SCHADEN sich sol­che Unter­neh­men näm­lich mehr, als dass sie sich was Gutes tun. Vgl auch: http://www.wandelweb.de/blog/?p=1072

Dadurch, dass Sie „Cons­traints“ erzeu­gen, trei­ben sie Ihre eige­nen Kosten/Zeit (in der Annah­me durch „den Druck“ die Prei­se sen­ken zu kön­nen) letz­ten Endes in die Höhe. 

Pro­zess­ma­nage­ment“ kann dann im schlimms­ten Fall zum Gegen­teil des Gewünsch­ten und zu einer Art Kreis­lauf wer­den, über den ver­sucht wird die Res­sour­cen auf den Kern­pro­zess zu fokus­sie­ren / also zu senken. 

Das treibt die Spi­ra­le aber nur wei­ter abwärts, da im „Nicht-Kern­pro­zess“ (unab­hän­gig davon, ob die­se Projekte/Prozesse über­le­bens­wich­tig sind) wie­der „Eng­päs­se“ entstehen.

Die von Mar­cus genann­ten Zah­len erge­ben sich *glau­be ich* nicht grundlos ;-)

Patent­re­zep­te ken­ne ich da Lei­der nicht, vor­al­lem, da ja aus der Ver­wal­tung von hier­ar­chi­schen Sys­te­men eher Effekt wie 

Ein Vor­ha­ben dau­ert solan­ge, wie man Zeit gibt…“ 

in der Ver­gan­gen­heit bekannt wurden.

Die Zei­ten haben sich aber nun­mal lei­der geän­dert. Ler­nen und Wis­sen kann man nicht deli­gie­ren oder „anord­nen“ geschwei­ge denn per Mul­ti­tas­king etc. „för­dern“.

Ein aus mei­ner Sicht wesent­li­cher Aspekt ist ein funk­tio­nie­ren­des, har­mo­ni­sches (Pro­jekt) Team. Ein ein­ge­spiel­tes Team kann sich sel­ber Frei­räu­me schaf­fen. In allen Pro­jek­ten spielt so oder so auch der Fak­tor Glück eine nicht unbe­deu­ten­de Rol­le (Krank­heit, unvor­her­seh­ba­re Ereignisse).
Die­ses Glück kann aber beein­flusst wer­den. Wenn ich mich als „Unter­neh­men“ um mei­ne (Pro­jekt) Teams küm­me­re, lege ich die Grund­la­gen für gute Pro­jek­te (gut != in time/in bud­get). Teams, die auch (!) Spaß haben bei der Arbeit glei­chen Unvor­her­ge­se­he­nes eher aus. Und bei Pro­jek­ten müs­sen sich die Betei­lig­ten klar dar­über sein, dass es sehr oft kei­nen vor­ge­zeich­ne­ten Weg gibt. Pro­jekt­ar­beit beschrei­tet oft unbe­kann­te Wege. Sicher gibt es hier je nach Bran­che (IT/BAU…) noch Unterschiede. 

Ein Vor­ha­ben dau­ert solan­ge, wie man Zeit gibt…” ist eben­so rich­tig wie “Ok, wir bestel­len! Aber ohne Koor­di­na­ti­on mit den inter­na­tio­na­len Zulie­fe­rern”. Die Fra­ge für mich ist u.a., wie­so das so ist. Das Nach­den­ken dar­über führt dann wie­der ins mensch­li­che. Der Mit­ar­bei­ter, der von sei­nem Vor­ge­setz­ten weder geför­dert noch gefor­dert wird, wird natür­lich ten­den­zi­ell mehr Zeit für sei­ne Auf­ga­ben brauchen/veranschlagen. Der Kostenspardruck/Kostensenkspirale sorgt dafür, dass ver­meint­lich Unnö­ti­ges (Kom­mu­ni­ka­ti­on) ein­ge­spart wird. Mitt­le­re Füh­rungs­kräf­te wer­den mit Anreizen/Incentives gekö­dert, die eine fata­le Wir­kung auf die Mit­ar­bei­ter „ganz unten“ haben können.

Höher, schnel­ler, wei­ter, (immer) mehr, bzw. immer weni­ger (Kos­ten) ist viel­leicht nicht das rich­ti­ge Konzept.

Neu­lich auf Twit­ter wie­der gele­sen: „Hire cha­rac­ter train skill“ … cha­rac­ter im Sin­ne, dass die Leu­te zusam­men­pas­sen (!= müs­sen alle gleich sein).

Hey Mar­cus,
eine Nach­fra­ge habe ich auch: Wie machst du das mit dem „20% frei­hal­ten“ wirk­lich fest? Hast du ein fest geblock­tes Zeit­fens­ter im Kalen­der, machst du das via Bauch­ge­fühl? Oder ist das sogar ein fes­ter Puf­fer in dei­ner Projektplanung?

Grü­ße,
Tim

Hal­lo Tim, gute Fra­ge, die mir neu­lich auf Twit­ter auch schon jemand gestellt hat. Das ist bei mir eigent­lich rei­nes Bauch­ge­fühl plus rigo­ro­ses Ableh­nen von Ter­mi­nen oder Ver­pflich­tun­gen, die mich zu lan­ge jen­seits der gesun­den 80% brin­gen. Ich mer­ke das bei mir, dass es zu viel ist, wenn ich die Auf­ga­ben aus Ter­mi­nen gar nicht mehr abar­bei­ten kann, weil ich nur in Ter­mi­nen sit­ze. Dann heißt es zurück­tre­ten; einer­seits bild­lich einen Schritt zurück, aber eben auch über­tra­gen im Sin­ne von sein Pen­sum redu­zie­ren. Sonst bin ich nur noch reak­tiv unter­wegs und gestal­te nicht mehr. Das wäre dann der Anfang vom Ende.

Hal­lo,
dan­ke für die Ant­wort – dann muss ich noch ein wenig am Gefühl arbeiten :)
Ver­su­che gera­de mit ber­stimm­te Zeit­blö­cke gene­rell zu blo­cken. Viel­leicht schleicht sich der Gedan­ke „zwi­schen 10.00 und 11.30 kann der Tim sowie­so nie“ bei den ande­ren ein wenn ich dran blei­be und in der Zeit kei­ne Ter­mi­ne anneh­me.. Bin mal gespannt :)

Hal­lo Marcus,
guter und rich­ti­ger Kom­men­tar. In der Pra­xis zeigt sich aber oft genug, dass zumin­dest in den grö­ße­ren Kon­zer­nen (bewusst!) oft­mals ein Ziel­kon­flikt besteht – zwi­schen dem Ein­kauf, der alles mög­lichst kos­ten­güns­tig haben möch­te und den Fach­be­rei­chen, denen die Qua­li­tät durch­aus ein Anlie­gen ist. Hier hilft alle Über­zeu­gungs­ar­beit nichts, wenn die Ent­schei­der vor allem dar­an gemes­sen wer­den, wie­viel Kos­ten­er­spar­nis erzielt wer­den kann…

Und man möch­te mei­nen, dass man mit der ange­spro­che­nen Per­for­mance von IT-Pro­jek­ten gewich­ti­ge Argu­men­te hat, auch wich­ti­ge Berei­che wie Kom­mu­ni­ka­ti­on mit einzuplanen…

Vie­le Grüße

Mar­cel

Dan­ke für Dei­nen Kom­men­tar, Mar­cel. Die­sen bewuss­ten Ziel­kon­flikt zwi­schen Fach­ab­tei­lung und Ein­kauf ken­ne ich nur zu gut. Manch­mal kommt es mir vor, dass hier auch der Ehr­li­che der Dum­me ist: Wer sau­ber kal­ku­liert und rea­lis­ti­sche Spiel­räu­me ein­plant ist auf den ers­ten Blick teu­rer. Den Zuschlag erhält dann ein schein­bar güns­ti­ger Anbie­ter bei dem das dicke Ende dann eben hin­ter­her kommt. Ich sehe im Moment nicht, dass man hier aus den Feh­lern der Ver­gan­gen­heit lernt. Viel­mehr neh­me ich die Ten­denz wahr immer kom­ple­xe­re Dienst­leis­tun­gen der Wis­sens­ar­beit stan­dar­di­siert wie Schrau­ben einzukaufen.

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