Fallstricke im Mentoring

Es ist meis­tens gar nicht schwer, Men­schen vom Nut­zen eines sys­te­ma­ti­schen Reflek­tie­rens zu über­zeu­gen. Vie­le ken­nen und schät­zen das offe­ne Gespräch mit einem ver­trau­ens­wür­di­gen Men­schen, um sich Pro­ble­me von der See­le zu reden und gemein­sam nach Lösun­gen zu suchen. Was im Pri­va­ten pro­blem­los und natür­lich gelingt, wird im Berufs­le­ben lei­der all­zu oft nur mit schwer­wie­gen­den Feh­lern umgesetzt.

Damit Men­schen sich wei­ter­ent­wi­ckeln, müs­sen sie sich neu­en Her­aus­for­de­run­gen stel­len, ins­be­son­de­re im Beruf. Der typi­sche Wer­de­gang führt dann auf der ers­ten Stu­fe von einer spe­zia­li­sier­ten Aus­bil­dung, bei­spiels­wei­se als Infor­ma­ti­ker, zu einer mehr oder weni­ger umfang­rei­chen Füh­rungs­auf­ga­be als Pro­jekt­lei­ter oder Team­lei­ter. Vie­le wol­len das so, oder wol­len es wenigs­tens aus­pro­bie­ren, die wenigs­ten ver­ste­hen aber vor­her, dass sie damit qua­si den Beruf wech­seln. Sie las­sen den erlern­ten Beruf hin­ter sich und betre­ten in ihrer Füh­rungs­rol­le völ­li­ges Neuland.

Aus eige­ner Erfah­rung ken­ne ich eini­ge Schwie­rig­kei­ten die­ser Umori­en­tie­rung. Mitt­ler­wei­le habe ich die gan­ze Palet­te der Her­aus­for­de­run­gen die­ses Wer­de­gangs erlebt als Coach und Men­tor für ande­re Men­schen in die­ser Situa­ti­on. Vie­le Fir­men haben daher auch völ­lig rich­tig erkannt, dass es sich lohnt, Mit­ar­bei­ter in solch for­dern­den Situa­tio­nen mehr oder weni­ger inten­siv zu beglei­ten. Die einen nen­nen es Men­to­ren­pro­gramm, die ande­ren Pro­jekt­coa­ching. Gemeint ist, dem Mit­ar­bei­ter ganz beson­ders im Über­gang in die ers­te Füh­rungs­auf­ga­be einen erfah­re­nen Men­schen an die Sei­te zu stellen.

Obwohl man brei­ten Kon­sens über die Not­wen­dig­keit die­ser Form der Beglei­tung durch einen Men­tor oder Coach erzielt, ist die die Umset­zung in der Pra­xis doch recht unter­schied­lich und zum Teil nicht sehr för­der­lich oder sogar hinderlich.

Der ers­te und in streng hier­ar­chisch Orga­ni­sa­tio­nen am häu­figs­ten gemach­te Feh­ler ist es, ein­fach den Vor­ge­setz­ten zum Men­tor zu machen. Die Begrün­dung ist meist recht prag­ma­tisch, dass der Vor­ge­setz­te ohne­hin regel­mä­ßi­ge Rück­spra­chen mit den Mit­ar­bei­tern hält und in dem Rah­men ein­fach mal ein wenig Men­tor sein soll. Prak­tisch schei­tert das aber an der Ver­mi­schung der Rol­len. Ins­be­son­de­re in Orga­ni­sa­tio­nen in denen der Vor­ge­setz­te regel­mä­ßig die Leis­tung der Mit­ar­bei­ter beur­teilt, Zie­le ver­ein­bart und Ziel­er­rei­chung zwecks Incen­ti­vie­rung misst. Wie soll sich der Mit­ar­bei­ter mit sei­nen Sor­gen und Schwie­rig­kei­ten im Pro­jekt, aus denen er ja ler­nen soll, dem­je­ni­gen anver­trau­en der am Ende des Jah­res sei­ne Leis­tung bewer­tet und über sei­ne Bezah­lung ent­schei­det? Wenn der Mit­ar­bei­ter nicht sicher sein kann, dass der Inhalt der Gesprä­che mit dem Men­tor streng ver­trau­lich behan­delt wird und auf kei­nen Fall zur Leis­tungs­be­ur­tei­lung miss­braucht wird, bleibt das Men­to­ring nur ein wei­te­rer nutz­lo­ser Punkt auf der Tages­ord­nung der wöchent­li­chen Rücksprache.

Auch beliebt sind Grup­pen­ge­sprä­che. Der Gedan­ke, dass sich Men­schen in ähn­li­chen Situa­tio­nen in einer Grup­pe aus­tau­schen und gegen­sei­tig hel­fen klingt zunächst ein­leuch­tend. Hilf­reich kön­nen die­se Run­den durch­aus sein bei der Ver­än­de­rung von Ver­hal­tens­mus­tern, was Alan Deutsch­mann übri­gens in sei­nem Buch „Chan­ge or Die“ mit dem Begriff rela­te als Grund­vor­aus­set­zung für sol­che Ver­än­de­run­gen beschreibt. Erset­zen kön­nen sie das ver­trau­te Gespräch mit einem Men­tor aller­dings nicht, weil auch die­sen Run­den die Ver­trau­lich­keit fehlt. Als Ergän­zung kön­nen sol­che Run­den hilf­reich sein, meis­tens fehlt aber den Betei­lig­ten die Zeit zur Teil­nah­me, wes­halb die­se Initia­ti­ven nach eini­ger Zeit ein­fach einschlafen.

Also wer­den erfah­re­ne Mit­ar­bei­ter zu Men­to­ren gemacht. Prin­zi­pi­ell eine gute Idee. Aller­dings fehlt die­sen Men­to­ren fast immer die Zeit für die­se Auf­ga­be. Oft man­gelt es ihnen aber auch an den nöti­gen Fähig­kei­ten für die­se Rol­le als Men­tor. Es geht schließ­lich dar­um, die anver­trau­ten Mit­ar­bei­ter zu unter­stüt­zen und zu för­dern. Nicht jedem erst­klas­si­gen Pro­jekt­lei­ter liegt das im Blut. Im Gegen­teil sin vie­le gute Pro­jekt­lei­ter mit einem sehr gro­ßen Ego aus­ge­stat­tet. So ent­steht schnell die Situa­ti­on, dass der Men­tor dem Mit­ar­bei­ter ein­fach immer wie­der sei­ne Über­le­gen­heit und Erfah­rung demons­triert. Das nutzt aber nur dem Ego des Men­tors und demo­ti­viert den unsi­che­ren Mit­ar­bei­ter nur zusätzlich.

Gera­de weil es zunächst ganz ein­fach klingt, soll­te Men­to­ring ernst genom­men wer­den. Sonst ver­pufft die erhoff­te posi­ti­ve Wir­kung auf die Ent­wick­lung der Mit­ar­bei­ter ganz schnell auf­grund feh­len­der Ver­trau­lich­keit oder feh­len­der Eig­nung der Men­to­ren. Wenn es also in der eige­nen Orga­ni­sa­ti­on nicht genü­gend Men­schen gibt, wel­che die nöti­ge Zeit und Fähig­keit haben, um Mit­ar­bei­ter zu coa­chen, kann und soll­te man auf exter­ne Unter­stüt­zung zurückgreifen.

Arti­kel­bild: Robert Cou­se-Bak­er bei flickr.com (CC BY 2.0)

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Aus eige­ner Erfah­rung kann ich Dir hier nur zustim­men. Mei­ner Mei­nung nach funk­tio­niert ein gutes Men­to­ring nur, wenn die Men­to­ren auch einen gewis­sen Abstand zu der per­so­nel­len und fach­li­chen Situa­ti­on der Orga­ni­sa­ti­on haben.
Des­halb gilt hier für mich: „Extern ist bes­ser und lösungsorientierter.“

Lie­ber Ralf, dan­ke für Dei­ne Zustim­mung. Immer wie­der gibt es aller­dings Unter­neh­men, die die­se Erkennt­nis erst nach mehr oder weni­ger schmerz­haf­ten Ver­su­chen gewin­nen. Und man­che, die sich vor lau­ter Geheim­hal­tung so gar nicht dazu ent­schlie­ßen können.

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