Die Frösche fragen

Unse­re Spra­che ent­larvt uns oft­mals. Pro­jekt­bü­ros die als War-Rooms bezeich­net wer­den las­sen tief bli­cken in die See­le des Pro­jekt­lei­ters und sei­ne Art Pro­jek­te durch­zu­füh­ren. Es geht aber noch schlim­mer. Bei­spiels­wei­se im Ver­än­de­rungs­ma­nage­ment mit dem mar­ki­gen Spruch: „Wenn Du einen Teich tro­cken legen willst, darfst Du nicht die Frö­sche fra­gen!“ Was bei Frö­schen in Tei­chen stim­men mag, zeugt bei der Über­tra­gung auf Men­schen und die Ver­än­de­rung der Zusam­men­ar­beit im Unter­neh­men von einem fal­schen aber immer noch weit ver­brei­te­ten Menschenbild.

Die von einer Ver­än­de­rung betrof­fe­nen Mit­ar­bei­ter sind also wie Frö­sche im Teich, der tro­cken gelegt wer­den soll. Also prin­zi­pi­ell beschränkt in ihrem Ver­mö­gen zur Ein­sicht. Die­se Ein­sicht in die Not­wen­dig­keit der Ver­än­de­rung kann die­ser Ana­lo­gie fol­gend nur ein höher gestell­tes Wesen erlan­gen. Den Frö­schen ist das ver­wehrt. Da ist sie wie­der die häss­li­che Frat­ze des Tay­lo­ris­mus: Der Mana­ger denkt und gestal­tet wozu der ein­fa­che Mit­ar­bei­ter grund­sätz­lich nicht fähig ist.

Einen intel­li­gen­ten Goril­la könn­te man so abrich­ten, dass er ein min­des­tens eben­so tüch­ti­ger und prak­ti­scher Ver­la­der wür­de als irgend­ein Mensch. Und doch liegt im rich­ti­gen Auf­he­ben und Weg­schaf­fen von Roh­ei­sen eine sol­che Sum­me von wei­ser Gesetz­mä­ßig­keit, eine der­ar­ti­ge Wis­sen­schaft, dass es auch für die fähigs­ten Arbei­ter unmög­lich ist, ohne die Hil­fe eines Gebil­de­te­ren die Grund­be­grif­fe die­ser Wis­sen­schaft zu ver­ste­hen oder auch nur nach ihnen zu arbeiten.
Fre­de­rick Win­slow Taylor

Frö­sche kann man nun tat­säch­lich nicht fra­gen, die betrof­fe­nen Mit­ar­bei­ter aber schon. Trotz­dem sug­ge­riert der Spruch, dass es nicht klug ist die­se zu fra­gen. Wie Frö­sche im Teich hät­ten die­se Men­schen gar kei­ne Lust auf die Ver­än­de­rung, die für sie auch mit Nach­tei­len oder wenigs­tens Auf­wand ver­bun­den ist. Noch eine schäd­li­che Facet­te des Tay­lo­ris­mus. Durch die hohe Spe­zia­li­sie­rung und funk­tio­na­le Tei­lung ent­ste­hen Abtei­lun­gen, die alle ihre Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen ver­fol­gen. Durch ent­spre­chen­de Ziel­ver­ein­ba­run­gen und ‑vor­ga­ben wird genau das sogar noch geför­dert. So fällt es tat­säch­lich schwer den Tüm­pel aus­zu­trock­nen egal wie mod­rig er schon riecht.

Der Spruch deckt also zwei­er­lei auf: Einer­seits ein dem Zeit­al­ter der Wis­sens­ar­beit nicht mehr ange­mes­se­nes Men­schen­bild des zur höhe­ren Ein­sicht unfä­hi­gen Mit­ar­bei­ters und ande­rer­seits ein schwer­wie­gen­des Defi­zit einer Orga­ni­sa­ti­on die aus­ge­rich­tet ist auf die Opti­mie­rung von win­zi­gen in gewoll­ter Kon­kur­renz ste­hen­den König­rei­chen mit ihren mehr oder weni­ger hilf­lo­sen klei­nen Köni­gen, wie sie der kürz­lich ver­stor­be­ne Peter Kru­se tref­fend beschrie­ben hat.

Eine Leit­li­nie im Manage­ment von Ver­än­de­run­gen ist es, Betrof­fe­ne zu Betei­lig­ten zu machen. Wir müs­sen also nicht nur mit den „Frö­schen“ reden, wir soll­ten sie sogar in unse­re Pro­jek­te ein­bin­den. Im Gegen­satz zu ech­ten Frö­schen, kön­nen das die Men­schen auch und vie­le wol­len auch mit­ge­stal­ten. Ob sie es aller­dings von ihren klei­nen Köni­gen aus auch dür­fen und sol­len ist eine ganz ande­re Fra­ge. Deren Ein­bin­dung ist aller­dings eine span­nen­de Füh­rungs­auf­ga­be auf poli­ti­scher Ebe­ne. Nur auf die­ser hohen Ebe­ne zu agie­ren und die „Frö­sche“ zu igno­rie­ren wäre wie­der­rum ein schwe­rer Fehler.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Wer Ver­än­de­rung will, muss den Frosch küs­sen!? Wenn das abso­lut wahr wäre, wäre die Welt vol­ler „Prin­zen“.
Sicher haben wir die­se Arbeit des „Frosch Küs­sens“ ver­nach­läs­sigt und es gibt noch vie­le Frö­sche, die geküsst wer­den müss­ten, aber es wird immer eini­ge geben, die trotz Kuss ein Frosch blei­ben und das mit Sicher­heit nicht nur in der brei­ten Mas­se. Das eigent­li­che Poten­ti­al zu Ver­än­de­rung steckt nicht in der Spe­zia­li­sie­rung, son­dern in dem, was sonst noch alles in den Men­schen steckt.
Aber die Spe­zia­li­sie­rung fängt doch heu­te schon im Kin­der­gar­ten an und setzt sich in Schu­le und wei­te­rer Aus­bil­dung fort. In unse­rer Welt sind Spe­zia­lis­ten gefragt und danach rich­ten sich alle gesell­schaft­li­chen Kräfte.
Ich bin kein Spe­zia­list son­dern ein „Uni­ver­sal­di­letant“. Ich hat­te mich ganz bewusst für das Stu­di­um der Forst­wis­sen­schaft­lich ent­schie­den, das breit­ge­fä­chert ange­legt ist. Es beinhal­tet neben den Natur­wis­sen­schaf­ten (Bota­nik, Zoo­lo­gie, Geo­lo­gie, Geo­gra­phie, Ver­mes­sung, Che­mie, Phy­sik und Mathe­ma­tik) auch die Sozi­al­wis­sen­schaf­ten (VWL, BWL, Jura, Poli­tik u.v.a.m.). Aus unse­rem Wirt­schafts­ob­jekt, den Bäu­men, ergibt sich ein Den­ken in lan­gen Zeit­räu­men. Inten­si­ves Beob­ach­ten und Wahr­neh­men von „klei­nen Din­gen“ in ihrem Gesamt­zu­sam­men­hang sind hier unver­zicht­bar. Aller­dings sind mes­sen, kal­ku­lie­ren, ana­ly­sie­ren, aus­wer­ten, dar­stel­len und ver­han­deln fast genau­so wichtig.
Men­schen (Frö­sche) sind wie Bäu­me. Sie brau­chen Zeit sich zu fin­den und gefun­den zu werden.
Nach einer lang­jäh­ri­gen Tätig­keit als frei­be­ruf­li­cher Forst­sach­ver­stän­di­ger, hat das, was ich heu­te beruf­lich tue, nichts mehr mit Wald oder Natur zu tun und doch hat es alles damit zu tun. Mei­ne Sicht als Uni­ver­sal­di­letant hat mich für Ver­än­de­rung offen und fähig gemacht ohne mei­nen „Boden“ ver­las­sen zu müssen.
Es gibt „Frö­sche“, die ver­ste­cken sich und ver­ber­gen ihr Poten­ti­al als „Prinz“, brin­gen sich aber trotz­dem ein, wenn auch unter Wert. Dane­ben gibt es „Frö­sche“, die tun alles, um geküsst zu wer­den, obwohl sie kaum Poten­ti­al haben. Deren Zahl scheint mir aller­dings zuzunehmen.

Schö­ner Kom­men­tar. Dan­ke dafür! Die viel zu frü­he Spe­zia­li­sie­rung ein­her­ge­hend mit einer Ver­schu­lung des Stu­di­ums (das ja schon lan­ge kein gene­ra­le mehr ist) hal­te ich auch für ein wesent­li­ches Pro­blem unse­rer Zeit. Es berei­tet die Men­schen näm­lich auf Struk­tu­ren in der Indus­trie vor, die schon lan­ge über­holt sind, was aber bloß noch nicht alle gemerkt haben.

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