Wissen ist Macht

Hier­ar­chi­sche Orga­ni­sa­ti­ons­for­men nei­gen auto­ma­tisch zu einem Ungleich­ge­wicht an Wis­sen. Je höher der Rang, des­to mehr stra­te­gi­sches Wis­sen über den Zustand des Unter­neh­mens, die zukünf­ti­ge Aus­rich­tung und geplan­te Ver­än­de­run­gen. Infor­ma­tio­nen zu heik­len The­men wie bei­spiels­wei­se einer Umor­ga­ni­sa­ti­on tröp­feln nur sehr zöger­lich nach unten und gelan­gen erst im letz­ten Moment nach mehr­fa­cher Fil­te­rung zu den Betrof­fe­nen. Für die­ses Ungleich­ge­wicht an Wis­sen gibt es im Zeit­al­ter der Wis­sens­ar­beit kei­nen logi­schen Grund außer eben dem Erhalt der müh­sam erkämpf­ten for­ma­len Macht. Ein Sche­ma das sich im Unter­neh­men nicht auf die Schnel­le ver­än­dern wird und das sich viel­leicht auch gar nicht evo­lu­tio­när ver­än­dern lässt, das jeder in sei­nem Ein­fluss­be­reich und ins­be­son­de­re in sei­nen Pro­jek­ten aber nicht auch noch för­dern muss.

Today know­ledge has power. It con­trols access to oppor­tu­ni­ty and advancement.
Peter F. Drucker

Wis­sen ist Macht und über die Beschrän­kung zum Zugang zu Wis­sen und Infor­ma­tio­nen wird Macht aus­ge­übt. Klug ent­schei­den oder auch nur Ent­schei­dun­gen hin­ter­fra­gen kann nur, wer über die nöti­gen Infor­ma­ti­on ver­fügt. Und wer ent­schei­det besitzt Macht über ande­re. Dass ande­re anders ent­schei­den wür­den oder man gemein­sam eine bes­se­re Ent­schei­dung tref­fen könn­te, wird schlicht geleugnet.

Neh­men wir ein ganz ein­fa­ches und all­täg­li­ches Bei­spiel in vie­len Unter­neh­men. Ganz klas­sisch tay­lo­ris­tisch geht es dann doch nicht mehr fast 50 Jah­re(!) nach­dem Peter F. Dru­cker den Begriff der Wis­sens­ar­beit 1959 geprägt hat und seit­her nicht müde wur­de dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die Wis­sens­ar­bei­ter und ihre Pro­duk­ti­vi­tät das wich­tigs­tes Gut eines Unter­neh­mes im 21. Jahr­hun­dert sind. Also ist man bemüht die Mit­ar­bei­ter ein­zu­bin­den. Ein biss­chen jeden­falls. So kommt man schnell auf die nahe­lie­gen­de Idee einer Mit­ar­bei­ter­be­fra­gung, anonym selbst­ver­ständ­lich und von exter­nen Fir­men durchgeführt.

Das Pro­blem beginnt bei der Ver­öf­fent­li­chung der Ergeb­nis­se, denn die wenigs­ten Fir­men trau­en ihren hoch­qua­li­fi­zier­ten und hoch­be­zahl­ten Wis­sens­ar­bei­tern offen­sicht­lich zu die rich­ti­gen, d.h. die gewünsch­ten, Schlüs­se aus den unge­fil­ter­ten Ergeb­nis­sen zu zie­hen. Erst durch die sorg­fäl­ti­ge Fil­te­rung und Auf­be­rei­tung der Infor­ma­tio­nen auf ihrem Weg von oben nach unten wer­den die­se schein­bar für den ein­fa­chen Mit­ar­bei­ter ver­dau­lich. Wäre doch auch ein Modell für die nächs­te Bun­des­tags­wahl: Ergeb­nis­se wer­den erst durch Inter­pre­ta­ti­on durch die Regie­rung ver­öf­fent­licht. Nein? Eben.

Most dis­cus­sions of decis­i­on making assu­me that only seni­or exe­cu­ti­ves make decis­i­ons or that only seni­or exe­cu­ti­ves’ decis­i­ons mat­ter. This is a dan­ge­rous mistake.
Peter F. Drucker

Die Fra­ge wie und wer im Unter­neh­men wel­che Ent­schei­dun­gen tref­fen kann und darf und wer die­se wirk­lich nach­voll­zie­hen kann und darf ist tat­säch­lich eine sehr span­nen­de. Dar­an erkennt man recht schnell, wie fort­schritt­lich oder eben rück­stän­dig eine Orga­ni­sa­ti­on ist. Ein zen­tra­les Ele­ment dabei ist der Zugang zu ent­schei­dungs­re­le­van­ten Infor­ma­tio­nen. Wenn schon der Zugang dazu fehlt – und oft wird genau dar­über mit Argus­au­gen gewacht – kön­nen und sol­len Ent­schei­dun­gen des Manage­ments nicht hin­ter­fragt wer­den. Ein Zustand der vie­le Wis­sens­ar­bei­ter frus­triert, weil es ihrem Selbst­ver­ständ­nis und nach Peter F. Dru­ckers Mei­nung auch ihrer Auf­ga­be ent­spricht, sich selbst zu managen.

The know­ledge worker can­not be super­vi­sed clo­se­ly or in detail. He can only be hel­ped. But he must direct hims­elf, and he must direct hims­elf towards per­for­mance and con­tri­bu­ti­on, that is, toward effectiveness.
Peter F. Drucker

Ent­schei­dun­gen her­bei­zu­füh­ren ist ohne Fra­ge eine wich­ti­ge Füh­rungs­auf­ga­be. Über das Wie lässt sich jedoch treff­lich strei­ten. Im klas­sisch tay­lo­ris­tisch-hier­ar­chi­schen Fall ent­schei­det der Mana­ger ein­fach über die Arbei­ter, die ohne­hin für zu dumm gehal­ten wer­den, um die­se Ent­schei­dung nach­zu­voll­zie­hen. Im Zeit­al­ter der Wis­sens­ar­beit könn­ten die Wis­sens­ar­bei­ter aber sehr wohl die Ent­schei­dun­gen ver­ste­hen und sie könn­ten viel­leicht sogar eine ande­re Mei­nung dazu haben als der Mana­ger. Das wäre dann natür­lich doof und mit viel Über­zeu­gungs­ar­beit ver­bun­den, wes­halb man eben doch ver­sucht ein­fach über die Mit­ar­bei­ter zu ent­schei­den anstatt mit ihnen. Nur lei­der gilt das dahin­ter­lie­gen­de Para­dig­ma des abhän­gi­gen Arbei­ter schon lan­ge nicht mehr, viel­mehr täten wir gut dar­an, Wis­sens­ar­bei­ter wie Frei­wil­li­ge zu behan­deln und nicht wie Wehrpflichtige.

In the know­ledge eco­no­my ever­yo­ne is a vol­un­teer, but we have trai­ned our mana­gers to mana­ge conscripts.
Peter F. Drucker

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Vie­len Dank auch für die­sen Arti­kel, Marcus!

In der eige­nen Rück­schau auf mei­ne Kon­zern­ver­gan­gen­heit bin ich mir gar nicht so sicher, ob in der „Infor­ma­ti­ons­ver­ar­mung“ gegen­über den Mit­ar­bei­tern wirk­lich immer böse Absicht steckt oder rei­ner Machterhalt.

Manch­mal scheint mir dahin­ter eher eine Nach­läs­sig­keit zu ste­hen, das ste­ti­ge Unter­schät­zen der „Kom­pe­tenz der Basis“ auf­grund ober­fläch­li­cher und kurz­ge­dach­ter Einschätzungen.

Daß die­se Infor­ma­ti­ons­ver­ar­mung letzt­lich eben gera­de die eige­ne Macht­ba­sis gefähr­det, weil wich­ti­ge Ent­schei­dun­gen nicht an Wis­sen und Erfah­rung der Mit­ar­bei­ter gespie­gelt und geprüft wer­den, geht dann im Kampf um die letz­ten Plät­ze mit unter.

Dan­ke, Thi­lo, für Dei­nen Kom­men­tar. Sicher­lich ist es nicht immer böse Absicht. Das Unter­schät­zen der Kom­pe­tenz der Basis ist ja eigent­lich sogar das schlim­me­re Übel. Übri­gens auch eines das Papst Fran­zis­kus neu­lich als eines von fünf­zehn adres­sier­te: „Die Krank­heit, sich für unsterb­lich, unan­greif­bar oder gar uner­setz­lich zu hal­ten.“ Aber eigent­lich ist es ja egal ob böser Wil­le oder Unfä­hig­keit, in jedem Fall ein Orga­ni­sa­ti­ons- und Führungsdefizit.

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