Elfenbeintürme vermeiden

Um Pro­jekt­ar­beit nach­hal­tig und sys­te­ma­tisch zu ver­bes­sern muss es im Unter­neh­men eine Stel­le geben, die sich für das The­ma Pro­jek­te und Pro­jekt­ma­nage­ment ver­ant­wort­lich fühlt. An die­ser Stel­le flie­ßen die Erkennt­nis­se aus den Pro­jek­ten und neue Trends zusam­men, um dar­aus die Zukunft der Pro­jekt­ar­beit zu gestal­ten. Ent­schei­dend dabei ist, dass die ope­ra­ti­ve Unter­stüt­zung der Pro­jek­te im Vor­der­grund steht und nicht Vor­ga­ben und Kon­trol­le. Die­ser Aspekt der Unter­stüt­zung kommt in vie­len Unter­neh­men aller­dings viel zu kurz. Zu schnell wird eine zen­tra­le Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit als Hüter der Metho­den und Pro­zes­sen ins Leben geru­fen ohne dabei für die not­wen­di­ge ope­ra­ti­ve Boden­haf­tung zu sor­gen. Die Arbeit die­ser Metho­den­ab­tei­lung ähnelt von wei­tem betrach­tet – und näher kommt man man­gels ope­ra­ti­ver Ver­zah­nung nicht – dann oft Her­mann Hes­ses Glas­per­len­spiel. Sol­che Elfen­bein­tür­me sind wenig hilf­reich, kön­nen aber ver­mie­den werden.

Wer regel­mä­ßig vie­le Pro­jek­te durch­führt kann und soll­te dar­aus viel ler­nen. Dazu braucht es eine Stel­le im Unter­neh­men an der Erkennt­nis­se zusam­men­flie­ßen, die dar­aus die Zukunft der Pro­jekt­ar­beit gestal­tend beein­flusst und von der Pro­jek­te ganz ope­ra­tiv unter­stützt wer­den. Stellt sich die Fra­ge, wie eine Umset­zung die­ser Funk­ti­on im Unter­neh­men aus­se­hen könn­te und wie sie bes­ser nicht aus­se­hen sollte.

Die ein­fachs­te und gän­gigs­te Vari­an­te der Umset­zung ist eine zen­tra­le Abtei­lung für das The­ma Pro­jekt­ma­nage­ment, Metho­den und Pro­zes­se zu schaf­fen. Die Ver­ant­wor­tung einer sol­chen Abtei­lung beschränkt in der Regel auf die nor­ma­ti­ve und stra­te­gi­sche Ebe­ne (vgl. St. Gal­ler Manage­ment­mo­dell), also auf Zie­le, Vor­ga­ben, Leit­li­ni­en, Pro­zes­se und Vor­ge­hens­mo­del­le. Die ope­ra­ti­ve Ebe­ne der Umset­zung die­ser Pro­zes­se im Tages­ge­schäft ist dann Auf­ga­be der Abtei­lun­gen die Pro­jek­te wirk­lich durch­füh­ren. Die­ser Bruch zwi­schen Theo­rie und Pra­xis ist aber fatal, weil dadurch kei­ne aus­rei­chen­de Rück­kopp­lung aus der ope­ra­ti­ven Anwen­dung erfolgt und die Boden­haf­tung ver­lo­ren geht.

Pra­xis ohne Theo­rie leis­tet immer noch mehr als Theo­rie ohne Praxis.
Quni­til­li­an

Die­se Lücke zwi­schen Theo­rie und Pra­xis lässt sich leicht schlie­ßen indem die­se zen­tra­le Abtei­lung für Pro­jekt­ma­nage­ment auch ope­ra­ti­ve Auf­ga­ben in Pro­jek­ten über­nimmt. Ziel ist es eben nicht nur Vor­ga­ben zu machen, son­dern den Pro­jek­ten ganz kon­kret bei der Umset­zung zu hel­fen und qua­si neben­bei Pro­ble­me an vor­ders­ter Front zu erken­nen. Bei die­ser Unter­stüt­zung sind der Phan­ta­sie kei­ne Gren­zen gesetzt, nahe­lie­gend wären aber Hil­fe bei der Pro­jekt­in­itia­li­sie­rung, Coa­ching und Men­to­ring von uner­fah­re­nen Pro­jekt­lei­tern oder auch Neu­aus­rich­tung in der Krise.

In theo­ry the­re is no dif­fe­rence bet­ween theo­ry and prac­ti­ce. In prac­ti­ce the­re is.
Yogi Ber­ra

Den­noch haben sol­che Metho­den­ab­tei­lun­gen immer eine gewis­se Ten­denz zum Elfen­bein­turm zu wer­den, ein­fach weil genau die Arbeit an den Metho­den der Wesens­kern die­ser Abtei­lun­gen ist und letzt­lich der Grund für ihre Exis­tenz. Bes­ser wäre es dem­nach eine sol­che Orga­ni­sa­ti­ons­ein­heit zu ver­mei­den und trotz­dem die nöti­gen Funk­tio­nen des Erken­nens von Defi­zi­ten und Chan­cen, des Gestal­tens der Pro­jekt­ar­beit und schließ­lich der Unter­stüt­zung der Pro­jek­te zu gewähr­leis­ten. Denk­bar wäre hier ein Netz­werk von erfah­re­nen Pro­jekt­lei­tern, die sich für eine gewis­se Zeit aus dem ope­ra­ti­ven Geschäft zurück­neh­men, um auf der nor­ma­ti­ven und stra­te­gi­schen Ebe­ne zu arbei­ten und die ope­ra­ti­ve Ebe­ne nur noch unter­stüt­zen. Die­se Arbeit muss dann aber auch ent­spre­chend gewür­digt wer­den und für die Pro­jekt­lei­ter eine Ehre sein.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Hal­lo Marcus,
wie­der mal tref­fend beschrieben.
Ob man die­se Stel­le offi­zi­ell pla­ziert (PMO, PM-Beauf­trag­ter) oder infor­mell pflegt (etwa über einen enga­gier­ten PL, der das neben­her und aus eige­nem Inter­es­se betreibt) scheint mir da fast nebensächlich.

Wich­ti­ger ist es hier, das Bewußt­sein zu schaf­fen, daß Pro­jekt­ar­beit sich vom nor­ma­len Tages­ge­schäft zum Teil erheb­lich unter­schei­det. Vor allem inter­ne Pro­jek­te, die die Leu­te tem­po­rär aus der Linie holen, ver­än­dern das Arbeits­um­feld schon mal deutlich.
In rei­nen Pro­jekt­orga­ni­sa­tio­nen ist das dage­gen kein gro­ßes Problem.

Ich selbst habe fast mein gan­zes Berufs­le­ben in rei­nen Pro­jekt­orga­ni­sa­tio­nen erfah­ren, in denen es zu 95% um die Abwick­lung von Kun­den­pro­jek­ten ging. Das war qua­si unser Tagesgeschäft.

Die span­nen­de Fra­ge, die sich mir inzwi­schen regel­mä­ßig stellt:
Was, wenn die Pro­jekt­ar­beit (egal, ob inter­ne Pro­jek­te oder Kun­den­pro­jek­te) nicht zum Haupt­ge­schäft gehört, also qua­si ein Neben­schau­platz ist?
Ins­be­son­de­re, wenn Pro­jek­te die Aus­nah­me zum Tages­ge­schäft sind, soll­ten sie doch nicht auf die leich­te Schul­ter genom­men werden.

Wie schafft man in die­ser Situa­ti­on das Bewußt­sein, daß trotz der schein­ba­ren Neben­säch­lich­keit die Bear­bei­tung von Pro­jek­ten ande­re Ansät­ze, Metho­den und Denk­wei­sen erfor­dert und über­legt ange­gan­gen wer­den muß?

Gruß

Thi­lo

Vie­len Dank für Dei­nen Kom­men­tar, Thi­lo. Ich gebe Dir recht, dass es weni­ger ein Pro­blem der orga­ni­sa­to­ri­schen Ver­an­ke­ren als der Geis­tes­hal­tung, des Selbst­ver­ständ­nis­ses und Auf­trags und schließ­lich der Ver­ant­wor­tung ist. Am Anfang steht sicher­lich die von Dir ange­spro­che­ne Fra­ge, wie die Orga­ni­sa­ti­on über­haupt zu Pro­jek­ten steht und wel­che Wich­tig­keit Pro­jek­te für die Orga­ni­sa­ti­on oder einen Teil der Orga­ni­sa­ti­on haben. Am einen Ende der Ska­la sind dabei sicher­lich Unter­neh­men, bei denen die Pro­jekt­ar­beit der Kern der Wert­schöp­fung ist bei­spiels­wei­se IT-Dienst­leis­ter. Am ande­ren Ende ste­hen Unter­neh­men bei denen Pro­jek­te die sel­te­ne Aus­nah­me sind und die dann im Fall der Fäl­le auf pro­fes­sio­nel­le Dienst­leis­ter ange­wie­sen sind. Bei letz­te­ren wür­de ich es sogar ver­ste­hen, wenn man die Wich­tig­keit von guter Pro­jekt­ar­beit unter­schätz­te. Bei ers­te­ren gibt es dafür aber eigent­lich kei­ne Ent­schul­di­gung und trotz­dem habe ich es oft erlebt, dass man vor lau­ter Sägen (= Pro­jekt­ar­beit) nicht mehr zum Schär­fen der Säge kommt (=sys­te­ma­ti­sches Erken­nen von Defi­zi­ten und Gestal­ten der Verbesserung).

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