So wenig Projekt wie möglich

Vilfre­do Pare­to (1848 – 1923) stell­te bei sei­nen Unter­su­chun­gen fest, dass ca. 20% der ita­lie­ni­schen Bevöl­ke­rung 80% des Bodens besa­ßen. Das nach ihm benann­te Pare­to­prin­zip besagt, dass 80% der Ergeb­nis­se mit 20% des Gesamt­auf­wands erreicht wer­den. Die­ses Prin­zip gilt auch in Pro­jek­ten und ins­be­son­de­re in Groß­pro­jek­ten. Um auf poli­ti­scher Ebe­ne unab­ding­bar zu erschei­nen, wer­den Pro­jek­te aber ger­ne unnö­tig auf­ge­bläht und die not­wen­di­ge Fokus­sie­rung konterkariert.

Eine der zehn The­sen für gutes Design des berühm­ten deut­schen Indus­trie­de­si­gners Die­ter Rams lau­tet: „Gutes Design ist so wenig Design wie mög­lich.“ Weni­ger aber bes­ser. In die­ser Fokus­sie­rung auf den Kern der Din­ge, auf die wirk­lich essen­ti­el­len 20%, liegt auch der Schlüs­sel zum Pro­jekt­er­folg: Ein gutes Pro­jekt ist so wenig Pro­jekt wie möglich.

You can­not ove­re­sti­ma­te the unim­portance of prac­ti­cal­ly everything.
John Max­well

Was auf der ope­ra­ti­ven Ebe­ne des ein­zel­nen Pro­jekts not­wen­dig und rich­tig ist, näm­lich die Kon­zen­tra­ti­on der begrenz­ten Kräf­te auf das Wich­ti­ge, muss auf der poli­ti­schen Ebe­ne in gro­ßen Orga­ni­sa­tio­nen mit vie­len kon­kur­rie­ren­den Pro­jek­ten nicht unbe­dingt schlau sein. Tat­säch­lich führt die Kon­kur­renz dazu, dass Pro­jek­te unnö­tig auf­ge­bläht wer­den, um grö­ßer und wich­ti­ger zu erscheinen.

Am Anfang steht eine gute Idee. Damit die­se Idee als Pro­jekt geneh­migt wird braucht sie aber Unter­stüt­zer. Also wird die Idee aus­ge­wei­tet und um die Lieb­lings­an­for­de­run­gen wich­ti­ger Ent­schei­der im Unter­neh­men ange­rei­chert und so ein Groß­pro­jekt mit schwe­ren Geburts­feh­lern ins Leben gerufen.

The over­whel­ming rea­li­ty is: we live in a world whe­re almost ever­y­thing is wort­hl­ess and a very few things are excep­tio­nal­ly valuable.
Greg McKeown, Essen­tia­lism (Ama­zon Affi­lia­te-Link)

Der klu­ge Pro­jekt­lei­ter ist stets bestrebt, den Kern des Pro­jekts her­aus­zu­ar­bei­ten und über die Dau­er des Pro­jekts scharf zu hal­ten. Die wesent­li­che Füh­rungs­auf­ga­be ist es, die­sen Kern zu ken­nen, das Team dar­auf zu fokus­sie­ren und die Kräf­te dar­auf zu kon­zen­trie­ren. Agi­le Vor­ge­hens­wei­sen haben die­se Fokus­sie­rung übri­gens qua­si ein­ge­baut, indem für die jeweils nächs­te Ite­ra­ti­on, den nächs­ten Sprint, bewusst anhand des Nut­zens prio­ri­siert wird, was sicher­lich einen Teil des Erfolgs die­ser Metho­den erklärt.

You can do any­thing, but not everything.
David Allen

Gelingt die­se Fokus­sie­rung nicht oder nicht recht­zei­tig, wird es schmerz­haft. Die Geis­ter die man zum Zwe­cke der Geneh­mi­gung rief, pochen dann auf die Erfül­lung ihrer ver­spro­che­nen Lieb­lings­an­for­de­run­gen. Aus­nahms­los und sofort natür­lich. Spä­tes­tens dann ist die Fokus­sie­rung dahin und die Pro­jekt­kri­se da. Und manch­mal ist die­se Kri­se auch der ein­zi­ge Weg der Rück­be­sin­nung auf den Kern des Projekts.

Kri­se ist ein pro­duk­ti­ver Zustand. Man muß ihr nur den Bei­geschmack der Kata­stro­phe nehmen.
Max Frisch

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

8 Kommentare

Das ist vie­les rich­tig. Lei­der ist es meist erst der Miss­erfolg der die Fokus­sie­rung erst mög­lich macht.
Ich habe mal gelernt, das jedes Pro­jekt eine Visi­on braucht. Aber in vie­len Pro­jek­ten die mir über­tra­gen wur­den fehl­te genau die­se und damit der Ziel­punkt den es anzu­vi­sie­ren galt.
Ich habe mir ange­wöhnt die­se Visi­on, wenn sie fehl­te oder zu schwam­mig war, bei der Spezifikation/Pflichtenhefterstellung zusam­men mit dem Auf­trag­ge­ber klar her­aus zu arbei­ten. Dann waren bei­de Sei­ten dar­auf ver­pflich­tet und es konn­te anhand des­sen Prio­ri­siert werden.

BER ist das bes­te Bei­spiel für den Beweis Dei­ner These.

Jens

Lie­ber Jens, vie­len Dank für Dei­ne Zustim­mung. Ja, jedes erfolg­rei­che Pro­jekt braucht die­se Visi­on auf die man die Kräf­te fokus­siert. Gibt es die nicht oder ist sie unscharf, egal ob aus Absicht oder Unfä­hig­keit, sucht man sie bes­ser heu­te als mor­gen, idea­ler­wei­se schon zu Pro­jekt­be­ginn (wofür gibt es schließ­lich einen Pro­jekt­auf­trag). Und ja, lei­der braucht es bei lau­fen­den Pro­jek­ten fast immer eine Kri­se um eine nicht vor­han­de­ne oder abhan­den gekom­me­ne Visi­on zu fin­den und sich dar­an aus­zu­rich­ten. Inso­fern ist die Kri­se wirk­lich ein pro­duk­ti­ver Zustand.

Hal­lo Marcus,

ich bin voll bei Dir und gehe sogar noch ein biss­chen wei­ter. Pro­jek­te ste­hen sehr oft für Mit­tel­maß, so jeden­falls mei­ne Beobachtung.

http://blog-conny-dethloff.de/?p=2403

BG, Con­ny

Lie­ber Con­ny, vie­len Dank für Dei­ne Ergän­zung. Da kann ich Dir lei­der nur zustim­men. Das Dilem­ma sind mei­ner Ein­schät­zung nach unse­re prin­zi­pi­ell auf Kon­kur­renz aus­ge­rich­te­ten Unter­neh­men. Das macht natür­lich vor den Pro­jek­ten auch nicht halt. Mich erstaunt es immer wie­der wie viel Ener­gie in einem Unter­neh­men im Gegen­ein­an­der ver­pufft. Scha­de drum.

Lie­ber Marcus,

Gut, dass Du das so deut­lich schreibst. Ich den­ke gera­de drü­ber nach, ob es wirk­lich die Auf­ga­be des PM ist, den Fokus zu schär­fen. Bei Scrum ist es ganz klar die Auf­ga­be des Pro­duct Owners. Bei PRINCE2 sehe ich eher den Auf­trag­ge­ber in die­ser Ver­ant­wor­tung (mit Hil­fe des PMs).

BG, Jan

Lie­ber Jan, vie­len Dank für Dei­nen Kom­men­tar. Dei­ne Fra­ge nach der Ver­ant­wor­tung ist berech­tigt. Viel­leicht hät­te ich schrei­ben, sol­len, dass der klu­ge Pro­jekt­lei­ter auf einen kla­ren Auf­trag besteht. Er kann sicher­lich nicht allein den Fokus schär­fen, wohl aber den Auf­trag klä­ren, weil er es am Ende ausbadet.

Lie­ber Marcus,

vie­len Dank für die­sen schö­nen Arti­kel, der die­se weit ver­brei­te­ten Pro­ble­me sehr gut beim Namen nennt!

Vie­le Pro­jek­te ver­kom­men heut­zu­ta­ge lei­der eher zu einer „Arbeits­be­schaf­fungs­maß­nah­me“ und oft lösen sie kei­ne Pro­ble­me mehr. Sie geben nur vor wich­tig zu sein…

So sehr ich dem Zitat „You can­not ove­re­sti­ma­te the unim­portance of prac­ti­cal­ly ever­y­thing.“ zustim­me, glau­be ich aber, dass wir die nöti­ge Reduk­ti­on nur dann errei­chen, wenn wir rich­tig pla­nen (und das beinhal­tet die nöti­ge Klar­heit über das Pro­blem das gelöst wer­den soll). Denn wie schon Ben­ja­min Frank­lin wuss­te „If you fail to plan, you are plan­ning to fail“!

Vie­le Grüße!
Fabian

Lie­ber Fabi­an, vie­len Dank für Dei­nen Kom­men­tar. Rich­ti­ge Pla­nung beginnt bei der Klar­heit über den Auf­trag. Und da schei­tern schon die meis­ten Pro­jek­te. Wenn der Auf­trag aber unklar ist, hilft auch die bes­te Pla­nung nichts, son­dern wird oft Teil des Pro­blems, weil sich die Unklar­heit im Plan fort­setzt und oft­mals sogar poten­ziert. Aber ich bin bei Dir, Pla­nung muss sein, wobei der Pla­nungs­pro­zess das ent­schei­den­de ist und nicht der Plan als Ergeb­nis, wie es schon Eisen­hower sag­te: „Plans are not­hing; plan­ning is everything.“

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