Schluss mit dem Heldenkult!

Wir lie­ben Hel­den. Unse­re über­lie­fer­ten Erzäh­lun­gen sind voll davon. Die hal­be Film­in­dus­trie lebt von moder­nen Hel­den. In unse­ren Unter­neh­men beloh­nen wir die Hel­den­ta­ten ein­zel­ner Kämp­fer. Genau die­se Glo­ri­fi­zie­rung ein­zel­ner Men­schen und ihrer Leis­tun­gen führt zu unfrucht­ba­rem Gegen­ein­an­der wo es nur mit­ein­an­der geht. Die Fol­ge sind nur noch mehr kri­ti­sche Situa­tio­nen, die Drauf­gän­ger­tum und Hel­den­ta­ten erfor­dern. Aber wol­len wir das wirklich?

Be careful what you incen­ti­vi­ze: Rewar­ding hero­ism begets more situa­tions requi­ring heroics, for one thing.
Woo­dy Zuill

Einer­seits muss außer­ge­wöhn­li­che Leis­tung natür­lich gewür­digt wer­den. In den wenigs­ten Fäl­len ist es ande­rer­seits aber die hel­den­haf­te Leis­tung eines ein­zel­nen Mit­ar­bei­ters, son­dern fast immer eine Team­leis­tung. Die Glo­ri­fi­zie­rung von ein­zel­nen Men­schen ist also im Unter­neh­mens­kon­text fast immer ungerecht.

Die Fol­ge eines sol­chen Hel­den­kults ist die Kon­kur­renz um Auf­merk­sam­keit. Anstatt mit­ein­an­der im Team best­mög­li­che Ergeb­nis­se zu erzie­len, wird es ein­zel­nen immer dar­um gehen, sich gegen­über den ande­ren her­vor­zu­tun. Es wird zu lan­ge als ein­sa­mer Drauf­gän­ger gekämpft anstatt Hil­fe zu suchen oder auch nur anzu­neh­men. Und ist das Pro­jekt erst kom­plett an die Wand gefah­ren, kommt der nächs­te Held und darf es wie­der ret­ten. Oder auch nicht.

True hero­ism is remar­kab­ly sober, very undra­ma­tic. It is not the urge to sur­pass all others at wha­te­ver cost, but the urge to ser­ve others at wha­te­ver cost.
Arthur Ashe

Anstatt den ein­sa­men und drauf­gän­ge­ri­schen Ein­satz ein­zel­ner Men­schen im Sti­le eines Bruce Wil­lis müs­sen wir viel­mehr die­je­ni­gen beloh­nen, die selbst­los ande­ren hel­fen im Sin­ne der gemein­sa­men Sache. Anstatt High­lan­der-Prin­zip brau­chen wir ein Gan­dhi-Prin­zip für unse­re Unter­neh­men wenn wir das Zeit­al­ter der Wis­sens­ar­beit über­le­ben wol­len. Anstatt Kon­kur­renz brau­chen wir vor­be­halt­lo­se Koope­ra­ti­on. Anstatt abge­grenz­ten Silos brau­chen wir über­grei­fen­de Ver­net­zung. Und ech­te Hel­den, die sich trau­en ihre müh­sam erkämpf­te Macht­po­si­ti­on in der Hier­ar­chie dafür aufzugeben.

Don’t glo­ri­fy heroes, and peo­p­le will not contend.
Tao Te Ching

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

8 Kommentare

Ich habe einen Fall in der Fami­lie, da hat sich Jemand so rich­tig rein­ge­hängt und hat erwar­tet, dass es nun eine Aus­zeich­nung gab. Die blieb aus. Das war dann der Sarg­na­gel auf ein ein­jäh­ri­ge Knock­out namens Brun­out. Da ging nichts mehr …

Das ist sehr trau­rig, aber lei­der nicht unge­wöhn­lich. Ich ken­ne vie­le Unter­neh­men, die die­se „Extramei­le“ (auch so ein schau­ri­ger Angli­zis­mus) von ihren kar­rie­rewil­li­gen Mit­ar­bei­ter ganz unver­hoh­len ein­for­dern und bekom­men. Kran­kes Wirtschaften.

War inzwi­schen Jog­gen und da kreis­ten mei­ne Gedan­ken wei­ter an Dei­nem Arti­kel. Das fiel mir noch so ein:
* Ein Patent beruht auf einer Idee, die selbst nur kom­men konn­te, weil vie­le tau­send ande­ren Ideen zuvor gedacht wur­den. Mit dem Patent wird nun das Wei­ter­den­ken dar­an blo­ckiert. Dass gemein­sa­me Vor­an­kom­men ist mit dem Paten­tie­ren nun behindert.
* Wir haben meh­re­re SCRUM Teams an einem Pro­dukt arbei­ten. Hier gibt es vie­le Abhän­gig­kei­ten. Das eine Team kann ohne das ande­re nicht. Es gibt immer wie­der Frust, wenn eins der Team mit etwas Beson­de­rem her­vor­trat. Das eine Stand also als Held im Ram­pen­licht. Bei allen ande­ren ging für eine Wei­le das Licht aus, die Moti­va­ti­on dahin, der Flur­funk dage­gen war aktiv. Eben ein schö­nes Bei­spiel für die Unpro­duk­ti­vi­tät des Heldentums.
Inzwi­schen geht es viel bes­ser. Die Teams wei­sen nun immer auf die Basis­ar­bei­ten der ande­ren Teams hin, und dass Kon­zep­te gemein­sam ent­wi­ckelt wur­den. Es bil­det sich zuneh­mend das WIR gemein­sam her­aus statt des wir gegen die ANDEREN.
Und so wer­den die Ergeb­nis­se auch deut­lich besser.
Und jetzt den­ken wir das mal eine Run­de grö­ßer. LINUX hat uns gezeigt, wie das geht …

Dan­ke für Dei­nen Kom­men­tar, lie­ber Mar­tin (und für die Erin­ne­rung, dass ich auch mal wie­der Jog­gen gehen müss­te). Die­ses Kon­kur­renz­den­ken ist schein­bar wirk­lich tief in unse­rem Den­ken ver­an­kert. Und wird in vie­len Unter­neh­men noch bewusst oder unbe­wusst geför­dert (Stich­wort: up or out). Für unse­re kom­ple­xen Her­aus­for­de­run­gen taugt die­se Kul­tur aber nicht mehr. Das geht nur kooperativ.

Da bin ich mir auch sicher. Und wenn das erst ein­mal im Klei­nen gut ver­stan­den und ERFAHREN wird, dann soll­te sich das auch in unse­ren grö­ße­ren gesell­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen ange­nom­men werden.
Ich kann mir mitt­ler­wei­le über­haupt nicht mehr die Polit-Talk­shows anschau­en, weil da nur leer gegen ein­an­der gefetzt wird. Genau­so der Par­tei­en­streit. Vor lau­ter Hah­nen- und inzwi­schen auch Hen­nen-Kämp­fen geht das eigent­li­che Lösen von Pro­ble­men unter. Was für eine Energieverschwendung.
Ich hat­te vor ca. 3 Jah­ren ent­schie­den, dass Koope­ra­ti­on bes­ser ist Kon­kur­renz und habe mit einer Gesin­nungs­ge­nos­sin auf Face­book eine ent­spre­chen­de Grup­pe Koope­ra­ti­on statt Kon­kur­renz auf­ge­macht. Hier pos­ten wir neue Fak­ten zum The­ma. Es kamen schon tol­le Sachen zusammen.

Das Hel­den­the­ma ist immer wie­der span­nend – und kon­tro­vers, denn: Ist Gan­dhi kein Held?! – Für mich schon. Die Dar­stel­lung des „Hel­den“ als immer glei­cher Bruce-Wil­lis-Klon ist in mei­nen Augen weder ange­mes­sen noch der Sache dien­lich. Wem „Held“ zu thea­tra­lisch klingt, kann auch „Vor­bild“ sagen. – Der Held / das Vor­bild ist eben viel­fach nicht der selbst­ver­lieb­te Ego­ma­ne, son­dern leis­tet einen Bei­trag für die Gemeinschaft.

Wen es inter­es­siert: In unse­rem Selbst­coa­ching-Buch für Fach- und Füh­rungs­kräf­te wid­men wir dem Hel­den ein gan­zes Kapi­tel. Das hilft viel­leicht beim Ent­zer­ren des Helden-Klischees ;-)

Dan­ke für die begriff­li­che Klä­rung. Doch Gan­dhi ist auch für mich ein Held. Ein viel grö­ße­rer als Bruce Wil­lis. Die Fra­ge ist für mich eher wel­che Vor­bil­der wir in unse­ren Unter­neh­men und in unse­rer Gesell­schaft för­dern. Und da sehe ich gera­de in unse­ren Unter­neh­men lei­der viel mehr High­lan­der als Gan­dhi. Das hal­te ich für falsch und nicht zukunfts­fä­hig. Wir brau­chen auch künf­tig Vor­bil­der, auch und gera­de die Füh­rungs­kräf­te und wir brau­chen mehr Gan­dhi und weni­ger Highlander.

Abso­lut – so habe ich auch Ihren Text ver­stan­den – und da sind wir auf einer Wel­len­län­ge. Allein der Begriff des Hel­den ist für mich zu kost­bar, um ihn aus­schließ­lich Bruce Wil­lis & Co. zu über­las­sen. Im Ver­ständ­nis der „Hel­den­rei­se“ bedeu­tet „Held sein“ eben auch per­sön­li­ches Wachs­tum – für sich und ande­re / die Gemeinschaft.

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