Freiräume schaffen

Wir leben in einer Zeit und Welt, die sich sehr tref­fend mit dem Akro­nym VUCA (kurz für vola­ti­li­ty, uncer­tain­ty, com­ple­xi­ty und ambi­gui­ty) beschrei­ben lässt. Unter die­sen ver­än­der­ten und deut­lich schwie­ri­ge­ren Markt- und Umfeld­be­din­gun­gen muss die Zusam­men­ar­beit in Orga­ni­sa­tio­nen nach neu­en Para­dig­men gestal­tet wer­den. Anstel­le der im Indus­trie­zeit­al­ter vor­herr­schen­den Effi­zi­enz muss in einer VUCA-Welt Anpas­sungs­fä­hig­keit tre­ten. Die vor­herr­schen­de hier­ar­chi­sche Orga­ni­sa­ti­ons­form des Indus­trie­zeit­al­ters ist auf Sta­bi­li­tät aus­ge­legt und auf Effi­zi­enz getrimmt, aber dadurch in ihrer Anpas­sungs­fä­hig­keit prin­zi­pi­ell beschränkt. Ein ent­schei­den­der Schritt zu mehr Anpas­sungs­fä­hig­keit ist die Erhö­hung der Frei­räu­me der Mit­ar­bei­ter, so dass sich wie­der alle oder jeden­falls vie­le für die Kul­tur, die Abläu­fe und die Stra­te­gie ver­ant­wort­lich füh­len kön­nen und dür­fen anstatt nur als Räd­chen im Getrie­be Dienst nach Vor­schrift zu verrichten.

Grafik_EngagementIndex_deu_oT_2016

Die Ergeb­nis­se des Gal­lup Enga­ge­ment Index sind Jahr für Jahr wie­der scho­ckie­rend: Rund 70% der Deut­schen ver­rich­ten nur Dienst nach Vor­schrift und 15% haben bereits inner­lich gekün­digt. Blei­ben 15% die sich stark mit der Orga­ni­sa­ti­on iden­ti­fi­zie­ren und ent­spre­chend enga­gie­ren. In plan­ba­re­ren Zei­ten und sta­bi­le­ren Märk­ten ist Dienst nach Vor­schrift viel­leicht noch hin­nehm­bar, den digi­ta­len Wan­del über­le­ben wir damit aber nicht.

It doesn’t make sen­se to hire smart peo­p­le and then tell them what to do; we hire smart peo­p­le so they can tell us what to do.
Ste­ve Jobs

Es ist kein Natur­ge­setz, dass nur die wenigs­ten Mit­ar­bei­ter sich mit der Orga­ni­sa­ti­on iden­ti­fi­zie­ren und sich voll ein­brin­gen. Sie reagie­ren ledig­lich auf das Sys­tem und die Kul­tur und pas­sen sich an. Wer mehr als ein­mal erlebt, dass Stra­te­gie von oben dik­tiert wird, wer mehr als ein­mal kein Gehör mit Ver­bes­se­rungs­vor­schlä­gen fin­det und wer sowie­so kom­plett über­las­tet mit ope­ra­ti­ven und admi­nis­tra­ti­ven Tätig­kei­ten ist, funk­tio­niert irgend­wann nur noch und küm­mert sich nicht mehr.

The inge­nui­ty of the avera­ge worker is suf­fi­ci­ent to out­wit any sys­tem of con­trols devi­sed by management.
Dou­glas McGregor

Die Zah­len des Gal­lup Enga­ge­ment Index zei­gen also Jahr für Jahr in ers­ter Linie nicht etwa einen bekla­gens­wer­ten Man­gel an Moti­va­ti­on, son­dern nicht min­der bekla­gens­wer­te, defi­zi­tä­re Orga­ni­sa­ti­ons­for­men, die den Bedürf­nis­sen ihrer Mit­ar­bei­ter schon lan­ge nicht mehr und denen des Mark­tes wohl bald auch nicht mehr gerecht wer­den. Wo Mit­ar­bei­ter als Zahn­räd­chen gese­hen und behan­delt wer­den, ist Dienst nach Vor­schrift ohne­hin das Maxi­mum des Erwart­ba­ren. Nur wird das in Zukunft nicht rei­chen. Weder für die guten Mit­ar­bei­ter noch für das Über­le­ben der Orga­ni­sa­ti­on in einer VUCA-Welt. 

Enga­gier­te und moti­vier­te Mit­ar­bei­ter sind eine Fol­ge von Ermäch­ti­gung. Dort wo Mit­ar­bei­ter sich ein­brin­gen kön­nen und dür­fen, dort wol­len sie es auch und enga­gie­ren sich für die Orga­ni­sa­ti­on und eben nicht nur für ihren kleinst­mög­li­chen Aus­schnitt. Dazu braucht es aber Frei­räu­me. Einer­seits zeit­li­che Frei­räu­me, wie die legen­dä­ren 20% bei Goog­le. Ande­rer­seits, und noch viel wich­ti­ger, den geis­ti­gen Frei­raum der Ermäch­ti­gung zur Arbeit am Sys­tem. Letz­te­res dürf­te dabei deut­lich schwie­ri­ger sein, weil es an den Grund­fes­ten der tay­lo­ris­ti­schen Hier­ar­chie und dem Selbst­ver­ständ­nis so man­chen Mana­gers rüt­telt. Der zeit­li­che Frei­raum wäre schnell gefun­den durch den Ver­zicht auf sozia­lis­tisch anmu­ten­de Pla­nungs- und Res­sour­cen­zu­tei­lungs- und Kon­troll­pro­zes­se, die auf­grund der Unsi­cher­heit in einer VUCA-Welt ohne­hin kei­nen Sinn mehr machen.

When trust is exten­ded, it breeds respon­si­bi­li­ty in return. Emu­la­ti­on and peer pres­su­re regu­la­tes the sys­tem bet­ter than hier­ar­chy ever could.
Fre­de­ric Laloux, Reinven­ting Organizations

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Hal­lo Marcus,

inter­es­san­ter Artikel.

Wie du schreibst, ist die Rea­li­tät größ­ten­teils noch weit von Frei­räu­men ent­fernt, wenn man nicht gera­de in einem Start­up unter­wegs ist – zumin­dest in Deutschland.

Vie­le Unter­neh­men, so erle­be ich es, sind immer noch streng hier­ar­chisch orga­ni­siert. Das auf­zu­lö­sen schei­tert oft dar­an, dass Mana­ger ihre König­rei­che nicht auf­ge­ben wol­len. Das kann eine enor­me Brem­se für klu­ge und krea­ti­ve Köp­fe sein.

Ich habe aber auch schon oft erlebt, dass wenn die Frei­heit gewährt wird, die­se von den Mit­ar­bei­tern nicht gewollt ist. Bloß kei­ne Ver­ant­wor­tung über­neh­men. Es liegt also nicht nur an den Managern.

Ich bin gespannt wie es bei die­sem The­ma in Zukunft weitergeht.

Grü­ße und gute Projekte
Sven

Hal­lo Sven, dan­ke für Dei­nen Kom­men­tar. Du hast das völ­lig rich­tig erkannt: wir sind mei­len­weit davon ent­fernt und die­je­ni­gen die es ändern könn­ten, wol­len es meist nicht. Und ande­rer­seits sind vie­le Mit­ar­bei­ter tat­säch­lich so an die Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit gewohnt, dass sie es auch nicht wirk­lich wol­len oder jeden­falls Angst vor der Ver­än­de­rung haben. Dabei geht es auch nicht nur, dar­um dass sich klu­ge und krea­ti­ve Köp­fe wohl­füh­len, son­dern mei­ner Mei­nung nach um die Über­le­bens­fä­hig­keit der Orga­ni­sa­ti­on in einer VUCA-Welt.

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