Wertschöpfung durch Wertschätzung

Henry Ford beklag­te sich einst, dass es die drin­gend benö­tig­ten Hän­de immer nur in Ver­bin­dung mit einem Gehirn gäbe: „Why is it every time I ask for a pair of hands, they come with a brain atta­ched?“ Damit beschrieb er zugleich das wesent­li­che Prin­zip des Tay­lo­ris­mus, näm­lich die Reduk­ti­on des Men­schen auf den ihm zuge­teil­ten Arbeits­schritt und sei­ne Rol­le im Pro­zess. Was damals zwar auch unmensch­lich, aber höchst erfolg­reich war, ist in unse­rer heu­ti­gen VUCA-Welt weder wert­schät­zend noch wertschöpfend.

Ich kann Ihnen ver­si­chern, dass es einen Ort gibt, an dem Ihre Mit­ar­bei­ter krea­tiv tätig sind, nur ist die­ser Ort mög­li­cher­wei­se nicht ihr Arbeitsplatz.
Gary Hamel: The Future of Management.

Für Hen­ry Ford wür­de die­se Fest­stel­lung von Gary Hamel auch kein Pro­blem dar­stel­len. Im Gegen­teil wären für ihn die Hän­de ohne das Gehirn sogar der Ide­al­zu­stand. Einer­seits hat­te er es damals auch mit mehr­heit­lich unge­lern­ten Arbeits­kräf­ten zu tun und ande­rer­seits waren die Markt­be­di­nun­gen ver­gleichs­wei­se ein­fach, so dass die Krea­ti­vi­tät weni­ger Mana­ger aus­reich­te, um erfolg­reich zu sein. Heu­te trifft bei­des nicht mehr zu. Obwohl die Märk­te schwie­ri­ger, glo­ba­ler und unbe­re­chen­ba­rer wer­den, leis­tet man sich immer noch den Luxus der von Gary Hamel beklag­ten Krea­ti­vi­täts­apart­heid und hält Wis­sens­ar­bei­ter immer noch mehr oder weni­ger nach den­sel­ben Prin­zi­pi­en wie vor hun­dert Jah­ren. Es geht um Pro­zes­se, Rol­len, Auf­trä­ge und Job-Descrip­ti­ons. Es geht jeden­falls nicht um den gan­zen Men­schen mit sei­nem gan­zen Poten­ti­al, son­dern nur um sei­ne ihm zuge­wie­se­ne Funk­ti­on im Unternehmensgetriebe.

Extra­or­di­na­ry things begin to hap­pen when we dare to bring all of who we are to work. Every time we lea­ve a part of us behind, we cut our­sel­ves off from part of our poten­ti­al, of our crea­ti­vi­ty and ener­gy. No won­der many work­places feel somehow lifeless.
Fre­de­ric Laloux

Tat­säch­lich iden­ti­fi­ziert Fre­de­ric Laloux in sei­nem Buch „Reinven­ting Orga­niza­ti­ons“ (Ama­zon Affi­lia­te-Link) die Ganz­heit­lich­keit auch als ein wesent­li­ches Merk­mal von soge­nann­ten blau­grü­nen (teal) Orga­ni­sa­tio­nen. Die­se Orga­ni­sa­tio­nen ver­ste­hen sich nicht mehr als Maschi­nen, son­dern als Orga­nis­men. Sie kön­nen sich in ihrer (dezen­tra­len) Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on viel schnel­ler an neue Nischen und Gegen­ben­hei­ten anpas­sen, was einen ent­schei­den­den Vor­teil in einem kom­ple­xen Umfeld dar­stellt. Dafür braucht es Krea­ti­vi­tät und Moti­va­ti­on aller Mit­ar­bei­ter auch und gera­de jen­seits ihrer momen­ta­nen Rollen.

The fun­da­men­tal delu­si­on of huma­ni­ty is to sup­po­se that I am here and you are out there
Yasu­ta­ni Roshi, Zen mas­ter (1885 – 1973)

Inter­es­san­ter­wei­se beken­nen sich heu­te vie­le Orga­ni­sa­tio­nen zu Wert­schät­zung und Respekt als Teil ihrer Grund­wer­te. Gemeint ist frei­lich nur der wert­schät­zen­de Umgang mit­ein­an­der qua­si als Schmier­mit­tel der Räd­chen im ansons­ten unver­än­der­ten Getrie­be. Ech­te Wert­schät­zung kann es ohne wenigs­tens den Ver­such der Ganz­heit­lich­keit nicht geben. Solan­ge die Mit­ar­bei­ter einen Groß­teil ihres Selbst, ihrer Krea­ti­vi­tät und Moti­va­ti­on an der Pfor­te abge­ben müs­sen, weil sie drin­nen nicht gefragt ist, ist Wert­schät­zung zweck­ge­bun­den und schmeckt ent­spre­chend schal. Spä­tes­tens seit das Stich­wort der Digi­ta­li­sie­rung vor­stands­taug­lich ist, müss­te aber eigent­lich klar sein, dass man die neu­en daten­ba­sier­ten Geschäfts­mo­del­le nicht im übli­chen sozia­lis­ti­schen Plan­mo­dus und mit die­ser unfass­ba­ren Ver­schwen­dung an Krea­ti­vi­tät erfin­den wird. Oder jeden­falls nicht schnell und mutig genug.

It doesn’t make sen­se to hire smart peo­p­le and then tell them what to do; we hire smart peo­p­le so they can tell us what to do.
Ste­ve Jobs

Zum Abschluss ein sehr schö­nes Bei­spiel aus vor­di­gi­ta­ler Zeit für die rie­si­ge Wir­kung der Moti­va­ti­on und Krea­ti­vi­tät eines ein­zel­nen Mit­ar­bei­ters. In sei­ner Frei­zeit (Gary Hamel hat recht!) bau­te Max Reis­böck kur­zer­hand den ers­ten BMW 3er Tou­ring, weil sei­ner Fami­lie die nor­ma­le Limou­si­ne zu klein war und ein Kom­bi damals offi­zi­ell nicht in die Mar­ken­stra­te­gie pass­te. Was dann geschah und wie man als Unter­neh­men damit umge­hen soll­te (auch wenn man sich erst sehr spät zu die­ser offe­nen Kom­mu­ni­ka­ti­on der Geschich­te ent­schlie­ßen konn­te), zeigt das fol­gen­de kur­ze Video.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Ich bin hoch inter­es­siert, da unser Unter­neh­men gera­de mit­ten in der Umstruk­tu­rie­rung steckt. Ihr Buch hab ich auch gelesen

Vie­len Dank, das freut mich sehr (freue mich auch über eine Rezen­si­on bei Ama­zon). Viel Erfolg bei der Umstrukturierung!

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