Verantwortung statt Ausreden

Die Kern­aus­sa­ge des Dra­mas „Geschlos­se­ne Gesell­schaft“ des fran­zö­si­schen Phi­lo­so­phen und Schrift­stel­ler Jean-Paul Sart­re lau­tet: „L’en­fer c’est les aut­res“ („Die Höl­le, das sind die ande­ren“). Das beschreibt auch die ers­te und sehr typi­sche Reak­ti­on, wenn Din­ge nicht so lau­fen wie wir es uns vor­stel­len oder wenn wir nicht haben oder bekom­men, was wir wol­len. Dadurch schrei­ben wir die Ursa­che für unser Pro­blem ande­ren zu und bege­ben uns damit in eine unpro­duk­ti­ve Opfer­hal­tung. Wie wäre es, wenn wir statt­des­sen wirk­lich Ver­ant­wor­tung über­neh­men wür­den und uns klar wer­den, dass wir als Indi­vi­du­um oder als Team immer die Fähig­keit und Macht haben Din­ge zum Bes­se­ren zu verändern.

The bot­tom six men­tal sta­tes (Deni­al, Lay Bla­me, Jus­ti­fy, Shame, Obli­ga­ti­on, and Quit) are how we cope with pro­blems that we don’t yet know how to face and sol­ve. Think of them as coping mecha­nisms or defen­se stra­te­gies. In the­se men­tal sta­tes, our pro­blem doesn’t go away, ins­tead we learn to cope with it.
Chris­to­pher Avery. The Respon­si­bi­li­ty Process

Die­sen Weg und die Zwi­schen­schrit­te zu ech­ter Ver­ant­wor­tung beschreibt Chris­to­pher Avery in sei­nem sehr lesens­wer­ten Buch „The Respon­si­bi­li­ty Pro­cess“ (Ama­zon Affi­lia­te-Link). In sei­nem Modell folgt der gera­de beschrie­be­nen Stu­fe der Schuld­zu­wei­sung (Lay Bla­me) die Stu­fe der Recht­fer­ti­gung (Jus­ti­fy), in der wir die Ursa­che unse­res Pro­blems zwar nicht bei jemand ande­rem, son­dern in den Umstän­den suchen, was aber offen­sicht­lich eben­so pas­siv und unpro­duk­tiv ist. Auf der dar­auf­fol­gen­den Stu­fe der Scham (Shame) suchen wir die Schuld bei uns, aber nicht in dem Sin­ne, dass wir an unse­re Macht zur Ver­än­de­rung glau­ben, son­dern genau­so unpro­duk­tiv wie auf der Stu­fe der Schuld­zu­wei­sung an ande­re. Nach die­ser Stu­fe folgt die Stu­fe der Ver­pflich­tung (Obli­ga­ti­on) auf der wir immer noch glau­ben, kei­ne Wahl zu haben und uns zwin­gen, uns wie gewünscht oder nötig zu ver­hal­ten, obwohl wir es nicht wol­len. Alle die­se Reak­ti­ons­mus­ter haben gemein­sam, dass wir angst-getrie­ben das Pro­blem ver­leug­nen, anstatt uns zu fra­gen, was wir hier und jetzt tun können.

What is Respon­si­bi­li­ty? Respon­si­bi­li­ty is a men­tal sta­te that is open, spa­cious, free, and safe. You trust that you have suf­fi­ci­ent intel­li­gence, crea­ti­vi­ty, and resour­ces to face wha­te­ver life brings.
Chris­to­pher Avery. The Respon­si­bi­li­ty Process

Erst wenn wir die­se Stu­fen hin­ter uns gelas­sen haben, über­neh­men wir wirk­lich Ver­ant­wor­tung für unse­re Situa­ti­on und kön­nen mit allen unse­ren Res­sour­cen wirk­lich am Pro­blem arbei­ten. Eine schö­ne Leit­li­nie für ech­te Ver­ant­wor­tung ist zum Bei­spiel die alte Pfad­fin­der­re­gel, den Cam­ping­platz immer sau­be­rer zu hin­ter­las­sen, als man ihn vor­ge­fun­den hat. Anstatt also ange­sichts eines Müll­ber­ges auf dem Cam­ping­platz oder eines Soft­ware­mo­duls kurz vor dem Entro­pie­tod nach dem Schul­di­gen („Die­se Fer­kel!“) zu suchen, über die Schlecht­heit der Welt („Frü­her war alles bes­ser“) zu kla­gen, sich selbst die Schuld zu geben („Ich bin ein Pech­vo­gel, weil das immer mir pas­siert!“) und schließ­lich wider­wil­lig den Müll ein wenig bei­sei­te schie­ben, bedeu­tet ech­te Ver­ant­wor­tung, die Welt ein Stück­chen bes­ser und schö­ner zu hin­ter­las­sen als man sie vor­ge­fun­den hat. Das kann bedeu­ten das Soft­ware­mo­dul auch gleich ein wenig auf­zu­räu­men aber auch bei der Gele­gen­heit im Gespräch mit ande­ren Ent­wick­lern ein neu­es uns bes­se­res Ver­ständ­nis von Code-Qua­li­tät zu ent­wi­ckeln. Nach der Bro­ken-Win­dow-Theo­rie füh­ren näm­lich selbst ver­gleichs­wei­se harm­lo­se Pro­ble­me wie ein zer­bro­che­nes Fens­ter oder eine ers­te quick-and-dir­ty Lösung über kurz oder lang zur Ver­wahr­lo­sung gan­zer Wohn­vier­tel oder eben dem Entro­pie­tod der kom­plet­ten Soft­ware. Umge­kehrt lohnt sich also auch die Über­nah­me von ech­ter Ver­ant­wor­tung für das Gan­ze, weil sie eben genau die­sem Effekt entgegenwirkt.

Try and lea­ve this world a litt­le bet­ter than you found it.
Robert Ste­phen­son Smyth Baden-Powell

Share This Post

Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

Schreibe einen Kommentar