Das Ende der Karriereleiter

Bitte nicht anru­fen. Es geht nicht um das Ende mei­ner per­sön­li­chen Kar­rie­re­lei­ter. Nicht direkt jeden­falls. Gemeint ist das Ende des übli­chen ein­di­men­sio­na­len Auf­stiegs­mo­dell vom ein­fa­chen Mit­ar­bei­ter zum immer mäch­ti­ge­ren Mana­ger, das wir übli­cher­wei­se Kar­rie­re nen­nen – und mit einem gelun­ge­nen Berufs­le­ben gleichsetzen.

Der Erfolg der Indus­tria­li­sie­rung beruht zu einem gro­ßen Teil auf der Stan­dar­di­sie­rung von Arbeits­pro­zes­sen und damit auch auf der Stan­dar­di­sie­rung von Men­schen als Rol­len in die­sen Pro­zes­sen. Damit lässt sich ein hohes Volu­men hoch­ef­fi­zi­ent in repro­du­zier­bar guter Qua­li­tät pro­du­zie­ren. Genau das brauch­ten die unge­sät­tig­ten und trä­gen Märk­te der Ver­gan­gen­heit. Heu­te erle­ben wir aber eine gegen­läu­fi­ge Ten­denz hin zur Indi­vua­li­sie­rung bis zur Los­grö­ße 1. Einer­seits weil die Märk­te wei­test­ge­hend gesät­tigt sind, ande­rer­seits weil die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten der Auto­ma­ti­sie­rung und Digi­ta­li­sie­rung – man den­ke nur an 3D-Druck – auch kleins­te Stück­zah­len lukra­tiv machen.

Die Kar­rie­re­lei­ter hat aus­ge­dient: Mul­ti­di­men­sio­na­le Ent­fal­tung der indi­vi­du­el­len Fähig­kei­ten statt ein­di­men­sio­na­lem Auf­stieg als Manager.

In die­sen schnel­len Märk­ten wer­den die­je­ni­gen Unter­neh­men einen deut­li­chen Vor­teil haben, die Mit­ar­bei­ter mit mög­lichst allen ihren Fähig­kei­ten ein­set­zen anstatt sie auf die Scha­blo­ne einer Rol­le zu redu­zie­ren. So wie die Kun­den Indi­vi­dua­li­tät auf der Pro­dukt­sei­te ver­lan­gen, wol­len und ver­die­nen die Mit­ar­bei­ter ihrer­seits Indi­vi­dua­li­tät. Genau das meint Fre­de­ric Laloux im Buch Reinven­ting Orga­niza­ti­ons (Ama­zon Affi­lia­te-Link) mit Ganz­heit­lich­keit: den gan­zen Men­schen in sei­ner Indi­vi­dua­li­tät zur Gel­tung und Ent­fal­tung brin­gen. Inno­va­ti­on ent­steht näm­lich immer jen­seits kla­rer Rol­len, dadurch dass begeis­ter­te Men­schen in einer Hal­tung der Groß­zü­gig­keit und Offen­heit die Mög­lich­kei­ten der Ver­net­zung aus­schöp­fen und ihre zuge­stan­de­nen Kom­pe­ten­zen bewusst übertreten.

Your work is going to fill a lar­ge part of your life, and the only way to be tru­ly satis­fied is to do what you belie­ve is gre­at work. And the only way to do gre­at work is to love what you do. If you haven’t found it yet, keep loo­king. Don’t settle.
Ste­ve Jobs

Jeder Mensch besitzt Fähig­kei­ten und Lei­den­schaft in mehr Dimen­sio­nen als übli­cher­wei­se in sei­ner einen beruf­li­chen Rol­le gefragt sind. Mei­ne Lei­den­schaft ist zum Bei­spiel die Arbeit mit Men­schen, Agi­li­tät, Orga­ni­sa­ti­ons­ent­wick­lung, Schrei­ben, Social Media und noch eini­ges mehr. Je nach Rol­le sind aber immer nur Tei­le davon gefragt und der Rest ist dann eben bes­ten­falls Hob­by oder liegt brach. Sehr viel bes­ser wäre es, die Men­schen zu ermu­ti­gen und ihnen zu hel­fen, alle ihre Fähig­kei­ten ein­zu­brin­gen. Die Auf­ga­be von Füh­rung ist es – wie Gärt­ner –, eine Umge­bung zu schaf­fen, in der jeder sei­ne Fähig­kei­ten wei­ter aus­zu­bau­en und wei­te­re Fähig­kei­ten ent­de­cken kann und dadurch, mit den Wor­ten von Anselm Grün, Leben in den Men­schen zu wecken. Ein gelun­ge­nes Berufs­le­ben ist dann eben nicht mehr das Erklim­men der Kar­rie­re­lei­ter als Mana­ger, son­dern die best­mög­li­che Ent­fal­tung der eige­nen Fähigkeiten.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

4 Kommentare

❤️! Wie immer inspirierend…die Her­aus­for­de­rung scheint das Wie. Vor allem in mas­ku­lin-mili­tä­risch gepräg­ten, tra­di­tio­nell pyra­mi­da­len Unter­neh­mens­kul­tu­ren ein Selbst-Bewusst­sein – respek­ti­ve Wert­sys­tem zu verankern,das nicht zwangs­läu­fig nur eine ver­ti­ka­le Bewe­gung als erstre­bens­wert propagiert.
Noch sind wir davon weit entfernt…unser gan­zes Sys­tem tickt anders. Daher:
Wie errei­chen wir das wie…?

Vie­len Dank, lie­be Sabi­ne! Das Wie ist wirk­lich die Her­aus­for­de­rung und hat wie so oft sehr viel mit Kul­tur zu tun, also damit wie Din­ge in gro­ßen, tra­di­tio­nel­len, hier­ar­chi­schen Struk­tu­ren und Kul­tu­ren eben sind. Mei­ner Mei­nung hat das viel mit Wert­schät­zung und Aner­ken­nung zu tun. Ich ken­ne vie­le Men­schen die sehr ger­ne Exper­te sind und ger­ne gefragt wer­den und dar­aus viel ihres Selbst­werts bezie­hen. Nun müs­sen wir die­se auf Repu­ta­ti­on basier­te Aner­ken­nung nur noch im Sys­tem und der Kul­tur eta­blie­ren. Einer­seits indem man den Men­schen die Chan­ce gibt Exper­te zu sein, zu wer­den und damit sicht­bar zu wer­den (Working Out Loud). Und ande­rer­seits indem wir wenigs­tens Kar­rie­re­mo­del­le und Anreiz­sys­te­me schaf­fen, die das nicht unter­gra­ben, indem sie die ein­di­men­sio­na­le Kar­rie­re för­dern, weil man bestimm­te Stu­fen nur als Mana­ger errei­chen kann.

Hal­lo Mar­kus! Es ist immer wie­der inter­es­sant dei­nen Posts zu fol­gen. Von eini­gen US UN ist mir bekannt, dass sie die­se Stra­te­gie in HR seit mehr als zwei Jahr­zehn­ten ver­fol­gen. Also, ganz so neu und erfolg­ver­spre­chend für bei­de Par­tei­en, UN und MA, wäre die­se Form ggf. nicht. VG und schö­nes WE Birgit

Vie­len Dank, lie­be Bir­git. Ja, es gibt durch­aus schon län­ger Bei­spie­le für sol­che Stra­te­gien (s. nicht zuletzt das Buch von Laloux), aber das sind lei­der immer noch Ein­zel­phä­no­me­ne, die vom Rest eher als Exo­ten gese­hen und igno­riert werden.

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