Objectives and Key Results: Agil Ziele setzen

Auch Agi­li­tät braucht Füh­rung. Ein wesent­li­ches Merk­mal agi­ler Orga­ni­sa­tio­nen ist die Anpas­sungs­fä­hig­keit durch Dezen­tra­li­sie­rung in auto­no­me Ein­hei­ten. Agi­le Unter­neh­men ähneln mehr einem Fisch­schwarm als einem Super­tan­ker. Damit das funk­tio­niert und der Schwarm auch ein Schwarm bleibt, braucht es Füh­rung im Sin­ne von gemein­sa­mer Ori­en­tie­rung. Objec­ti­ves and Key Results, kurz OKR, ist eine bei Goog­le, Face­book, Twit­ter und vie­len ande­ren Fir­men gut erprob­te Metho­de, um sich agil Zie­le zu set­zen und so der Anstren­gung eine gemein­sa­me Rich­tung zu geben.

Die Metho­de OKR ent­stand in den 1970er Jah­ren unter Andy Gro­ve bei Intel und wur­de danach haupt­säch­lich dadurch berühmt, dass John Doerr sie 1999 bei Goog­le (und ande­ren Start-Ups) ein­führ­te, wo sie bis heu­te kon­se­quent – und recht erfolg­reich – ange­wen­det wird. Auf den ers­ten Blick wirkt OKR täu­schend ein­fach. Sie ähnelt zudem Peter Dru­ckers Manage­ment by Objec­ti­ves (MbO) und den dar­aus vie­ler­orts ent­stan­de­nen bekann­ten Pro­zes­sen zur jähr­li­chen Ziel­ver­ein­ba­rung. Das klingt zunächst nach altem Wein in neu­en Schläu­chen. Erst der zwei­te Blick offen­bart eini­ge fei­ne und ent­schei­den­de Unterschiede.

Weniger, aber besser

Wie der Name bereits nahe­legt, besteht die OKR aus Zie­len (engl. Objec­ti­ves) und Schlüs­sel­er­geb­nis­sen (engl. Key Results). Aus­ge­hend von der Visi­on und Mis­si­on der Orga­ni­sa­ti­on als Nord­stern und ein­ge­bet­tet in mit­tel­fris­ti­ge Zie­le mit einem Zeit­ho­ri­zont von einem bis drei Jah­ren, soge­nann­te Moals (kurz für das mid­term-goals), geben Zie­le qua­li­ta­tiv die Rich­tung für das nächs­te Quar­tal an, wäh­rend die zum Ziel gehö­ri­gen Schlüs­sel­er­geb­nis­se den Fort­schritt und die Ziel­er­rei­chung quan­ti­ta­tiv mess­bar machen. Für ein Start-Up, das gera­de sei­nen brand­neu­en Ser­vice ent­wi­ckelt, könn­te ein gutes Ziel lau­ten: „Ein groß­ar­ti­ges Mini­mum Via­ble Pro­duct im Q1/2018 auf den Markt brin­gen.“ Geeig­ne­te Schlüs­sel­er­geb­nis­se dazu wären bei­spiels­wei­se „40.000 Nut­zer in der ers­ten Woche“ und „Emp­feh­lungs­ra­te von 80%“. OKRs die­nen der Fokus­sie­rung. Drei Zie­le mit jeweils drei Schlüs­sel­er­geb­nis­sen rei­chen völ­lig. Weni­ger, aber bes­ser, auch hier lohnt es sich, die­sen Grund­satz von Die­ter Rams zu befolgen.

You can do any­thing, but not everything.
David Allen

Transparenz und Kommunikation

Zie­le wer­den nicht von oben dik­tiert, son­dern sind Ergeb­nis eines offe­nen und auf Kon­sens aus­ge­rich­te­ten Ver­hand­lungs­pro­zes­ses von oben nach unten und wie­der zurück (bei Goog­le gilt der Richt­wert, dass 60% der Zie­le bot­tom-up ent­ste­hen soll­ten). Das soll­te mitt­ler­wei­le für jeden moder­nen Zie­le­ma­nage­ment­pro­zess gel­ten, fühlt sich aber nicht über­all so an. OKRs wer­den ganz bewusst ambi­tio­niert gewählt, so dass eine Ziel­er­rei­chung von 60 – 70% die Regel ist und 80% bereits als her­vor­ra­gend gilt. Weni­ger um sich damit unter Druck zu set­zen, son­dern als wesent­li­ches Ele­ment der gemein­sa­men Lern­kul­tur. Aus kom­plett erreich­ten Zie­len lässt sich näm­lich viel weni­ger ler­nen wie aus den ver­fehl­ten, wie Rick Klau, Part­ner bei Goog­le Ven­tures, im etwas län­ge­ren, aber sehr infor­ma­ti­ven Video am Ende die­ses Bei­trag expli­zit betont.

The­re is a belief in the com­pa­ny that if you don’t fail often enough, you’re not try­ing hard enough.
Gopi Kal­lay­il, Chief Evan­ge­list bei Google

Ent­schei­dend dabei ist, dass alle OKRs auf allen Ebe­nen kom­plett offen ein­seh­bar sind und dass sie Gesprächs­the­ma sind. Ganz agil wer­den OKRs nicht nur am Ende des Quar­tals bewer­tet, son­dern regel­mä­ßig dazwi­schen als Rah­men genutzt, bei­spiels­wei­se als regel­mä­ßi­gen Teil einer wöchent­li­chen Team­be­spre­chung ähn­lich einem Dai­ly Mee­ting im Scrum mit den typi­schen Leit­fra­gen: „Was habe ich seit dem letz­ten Mal erreicht?“, „Was neh­me ich mir bis zum nächs­ten Mal vor?“ und „Was behin­dert mich und wobei brau­che ich Hil­fe?“ Ziel der OKRs ist es, dass sich alle mit den Zie­len iden­ti­fi­zie­ren und alle fokus­siert an einem Strang zie­hen. Und dazu muss man die Zie­le immer vor Augen haben, die eige­nen genau­so wie die der ande­ren. Wie Rick Klau in sei­nem Video erklärt, kann bei Goog­le jeder die OKRs von jedem ande­ren wie die Tele­fon­num­mer als Teil des Ein­trag im Mit­ar­bei­ter­ver­zeich­nis sehen.

Keine Leistungsbewertung. Niemals.

Neben der Trans­pa­renz und dem kür­ze­ren Zeit­ho­ri­zont, ist der wesent­li­che Unter­schied von OKR zu übli­chen Zie­le­ma­nage­ment­pro­zes­sen, dass sie nie­mals zur Leis­tungs­be­wer­tung der Mit­ar­bei­ter ein­ge­setzt wer­den. Obwohl es lan­ge erwie­sen ist, dass mone­tä­re Anrei­ze nur bei rein manu­el­len Tätig­kei­ten funk­tio­nie­ren und bei Wis­sens­ar­beit einen schäd­li­chen Effekt haben (vgl. dazu das Video zum Buch von Dani­el Pink in die­sem Bei­trag), hält sich in vie­len Orga­ni­sa­tio­nen die Unsit­te, Tei­le des Gehalts an die Ziel­er­rei­chung zu kop­peln. Wenn OKRs aber wirk­lich im obi­gen Sin­ne zu Mut ver­lei­ten sol­len und es gera­de die nicht ganz erreich­ten Zie­le sind, aus denen man als Orga­ni­sa­ti­on ler­nen will, dann geht das nur ent­kop­pelt von der Leis­tungs­be­wer­tung. Viel­leicht liegt genau in dem einen ver­fehl­ten Ziel die ent­schei­den­de Idee zu einem erfolg­rei­chen neu­en Geschäfts­mo­dell. Wie­so soll­te das dann weni­ger hono­riert wer­den, als das mut­los gesetz­te (im Eng­li­schen gibt es dafür den schö­nen Begriff sand­bag­ging), aber leicht erreich­te Ziel?

When­ever the­re is fear, you will get the wrong numbers.
W. Edwards Deming

Im Fol­gen­den sehr sehens­wer­ten Video erklärt Rick Klau, Part­ner bei Goog­le Ven­tures, die Geschich­te von OKRs bei Goog­le (inkl. der Ori­gi­nal­fo­li­en die John Doerr zur Ein­füh­rung 1999 benutzt hat), sei­ne ers­te Berüh­rung damit als er 2007 durch die Über­nah­me von Feedb­ur­ner durch Goog­le zum ers­ten Mal damit in Berüh­rung kam und im Detail den Umgang damit. Die ein­ein­halb Stun­den für die­ses Video sind also sehr gut inves­tier­te Zeit.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Lie­ber Markus, 

ich bin ja schon län­ger auf der Suche nach dem, was Füh­rung ist.

Was hältst Du davon:

Füh­rung ist der Wil­le (und die Fähig­keit) zu gestalten“

Lie­be Grüße

Lie­ber Roland, auch eine schö­ne Defi­ni­ti­on. Mir per­sön­lich gefällt immer noch „Füh­rung heißt, ande­re erfolg­reich machen.“ oder „Füh­rung heißt dem Leben dienen.“

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