Lean Leadership: Befähigen statt belehren

Vieles lässt sich aus dem Lean Manage­ment ler­nen: Den Wert für den Kun­den ver­ste­hen, dann davon aus­ge­hend den Wert­strom iden­ti­fi­zie­ren und den Fluss opti­mie­ren, um unnö­ti­gen Auf­wand zu ver­mei­den und nicht zuletzt für eine kon­ti­nu­ier­li­che Ver­bes­se­rung sor­gen. Dabei geht aber nicht nur um die Anwen­dung von ande­ren und bes­se­ren Metho­den, son­dern ganz wesent­lich um eine ande­re Füh­rungs­kul­tur. Ger­ne ver­ges­sen wird näm­lich der Respekt für die Men­schen als die zwei­te Säu­le des Toyo­ta Wegs. Im Zen­trum von Lean Manage­ment steht der Mensch als wesent­li­cher Erfolgs­fak­tor und die zen­tra­le Füh­rungs­auf­ga­be des Lean Lea­der­ship lau­tet des­halb „befä­hi­gen statt beleh­ren“. Die­ser Grund­satz ver­dient es, min­des­tens so inten­siv ver­brei­tet zu wer­den wie die bekann­ten Kon­zep­te und Metho­den des Lean Managements.

Der Auf­stieg von Toyo­ta nach dem zwei­ten Welt­krieg ist untrenn­bar mit dem Namen Tai­i­chi Ōno ver­bun­den. Er hat das Toyo­ta-Pro­duk­ti­ons­sys­tem maß­geb­lich geprägt und wei­ter­ent­wi­ckelt. Was heu­te unter Lean Manu­fac­tu­ring und in Ver­all­ge­mei­ne­rung als Lean Manage­ment ver­stan­den wird, geht zu einem gro­ßen Teil auf ihn zurück. Toyo­ta gelang es dadurch, die Pro­duk­ti­vi­tät deut­lich zu stei­gern und nicht nur zur ame­ri­ka­ni­schen Kon­kur­renz aus Detroit auf­zu­schlie­ßen, son­dern sie zu über­run­den. Die Kon­zep­te und Metho­den ver­brei­te­ten sich nicht nur in der pro­du­zie­ren­den Indus­trie son­dern in vie­le ande­re Bran­chen – nicht zuletzt in die IT, wo man das Agi­le Mani­fest his­to­risch und inhalt­lich als Anwen­dung von Lean Prin­zi­pi­en auf den Pro­zess der Soft­ware­ent­wick­lung ver­ste­hen kann.

Die­se erfolg­rei­che Trans­for­ma­ti­on von Toyo­ta lässt sich aber nicht nur mit der Erfin­dung und Ein­füh­rung eini­ger bahn­bre­chen­der Kon­zep­te und Metho­den durch einen genia­len Inge­nieur erklä­ren, wie die­ses Hel­den­ge­schich­te das auf den ers­ten Blick viel­leicht nahe­legt. Grund­la­ge die­ser Trans­for­ma­ti­on war ganz wesent­lich ein Wan­del der Füh­rungs­kul­tur, durch den der Men­schen in den Mit­tel­punkt rück­te. Der ein­zel­ne Arbei­ter war nicht län­ger pas­siv betrof­fe­nes Objekt, son­dern wur­de zum aktiv gestal­ten­den Sub­jekt der Veränderung. 

Stan­dards should not be forced down from abo­ve but rather set by the pro­duc­tion workers themselves.

Tai­i­chi Ōno

Im Buch „The Toyo­ta Mind­set, The Ten Com­mandments of Tai­i­chi Ohno“ (Ama­zon Affi­lia­te-Link) berich­tet Yoshi­hi­to Wakamatsu, der vie­le Jah­re direkt unter Tai­i­chi Ōno arbei­te­te, die fol­gen­de Anek­do­te. Bei einem Besuch in einem Werk von Toyo­ta wur­de Ōno von einem Mana­ger beglei­tet. Die­sem fie­len die dort beob­acht­ba­ren Feh­ler in der Umset­zung des Toyo­ta-Pro­duk­ti­ons­sys­tems auf und er frag­te Ōno, war­um die­ser sie nicht sofort kor­ri­giert hät­te. Die Ant­wort war:

I am being pati­ent. I can­not use my aut­ho­ri­ty to force them to do what I want them to do. It would not lead to good qua­li­ty pro­ducts. What we must do is to per­sis­t­ent­ly seek under­stan­ding from the shop flo­or workers by per­sua­ding them of the true vir­tu­es of the Toyo­ta Sys­tem. After all, manu­fac­tu­ring is essen­ti­al­ly a human deve­lo­p­ment that depends hea­vi­ly on how we teach our workers.

Tai­i­chi Ōno

An die­sem Bei­spiel wird die Grund­hal­tung des Lean Lea­der­ship deut­lich. Es geht weni­ger dar­um zu kor­ri­gie­ren oder zu beleh­ren, son­dern dar­um zu befä­hi­gen. Eine Kor­rek­tur der Abläu­fe von außen wür­de nur die Sym­pto­me kurz­fris­tig bekämp­fen, hät­te aber kei­ne nach­hal­ti­ge Ver­än­de­rung zur Fol­ge. Das kann nur eine tie­fer­ge­hen­de Befä­hi­gung aus­ge­hend vom Ver­ständ­nis der Prin­zi­pi­en erreichen. 

Genau das macht den ein­zel­nen Arbei­ter dann zum akti­ven Gestal­ter der Ver­än­de­rung und der kon­ti­nu­ier­li­chen Ver­bes­se­rung – und die damit ein­her­ge­hen­de Brei­ten­wir­kung macht den ent­schei­den­den Unter­schied in der Trans­for­ma­ti­on. Das darf ger­ne heu­te wie­der in Erin­ne­rung geru­fen wer­den, wo die agi­le Trans­for­ma­ti­on in vie­len Unter­neh­men auf die Ein­füh­rung von Blau­pau­sen und Frame­works redu­ziert wird und in der Sack­gas­se endet.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

4 Kommentare

Vie­len Dank für die­sen – lei­der immer wie­der sehr aktu­el­len – Remin­der, Marcus.

Die struk­tu­rel­le Grund­la­ge in Franks Geschich­te ist eine Beob­ach­tung von Tobi­as und mir, die der zitier­ten Anek­do­te eine Ein­ord­nung gibt.

Wir frag­ten uns, wor­in nun die Unter­schie­de zwi­schen Koope­ra­ti­on, Co-Working und Kol­la­bo­ra­ti­on bestün­den und wo die­ses viel beschwo­re­ne „Mit­ge­stal­ten“ zu ver­or­ten sei.

Wir haben dar­aus 5 Stu­fen abge­lei­tet, die unse­rer Auf­fas­sung nach auf­ein­an­der aufsetzen.
Es sind immer wie­der die sel­ben Din­ge, die aber unter­schied­lich zuein­an­der in Bezie­hung stehen.

Es beginnt bei der Allo­ka­ti­on von Res­sour­cen – Men­schen arbei­ten an einem Ort an etwas.
Das wäre der „shop flo­or“. Das muss nicht immer „eine Sache“ sein. Meist sind es Din­ge, die mit­ein­an­der in Bezie­hung ste­hen, die Bezie­hung aber nicht erkannt wird.

Danach kommt die Koope­ra­ti­on, wo jeder einen Bei­trag ablie­fert. Das wäre bspw. das befol­gen eines Pro­zes­ses und das Bereit­stel­len von „Deli­ver­a­bles“.

In Stu­fe 3 wird das gan­ze koor­di­niert, um zu „etwas“ zu füh­ren. Jemand oder ein Gre­mi­um koor­di­niert die Lie­fer­ge­gen­stän­de und die zeit­li­che Abfol­ge ihrer Bereitstellung.
Kommt bekannt vor? Ist All­tag in jedem indus­tri­el­len Her­stel­lungs­pro­zess und auch vie­len Pro­jek­ten. Es ist ein abso­lut sinn­vol­les Vor­ge­hen um – sagen wir mal – ein Haus zu bau­en oder ein Fahr­zeug herzustellen.

Bis Stu­fe 3 sind wir im Tay­lo­ris­mus sehr erfolg­reich, was die Men­gen vom immer sel­ben angeht. Es muss ja nicht immer „schwarz“ sein.

Ab Stu­fe 4 endet die Macht des „top-down“. Da geht es um genau das, was hier vor Augen geführt wird. Es geht um die jewei­li­gen Antei­le, die etwas mit­ge­stal­ten und aus dem Groß­ar­tig­keit erwächst.

In Stu­fe 5 („Col­la­bo­ra­ti­on“) geht es dann dar­um, einen Bei­trag zu lie­fern aus dem etwas noch Groß­ar­ti­ge­res erwächst ohne dass der ursprüng­li­che Urhe­ber das absicht­lich anstre­ben könn­te. Das TPS wäre ein sol­ches Beispiel.
Aus dem ursprüng­lich nur für Toyo­ta ent­wi­ckel­ten Sys­tem wur­de etwas sehr viel weit­rei­chen­de­res. Und so etwas ent­steht nie­mals, wenn jemand nur das tut, was einem gesagt wird.

Für jeden, der mehr dar­über erfah­ren möch­te, haben wir noch eine Geschich­te vor­an gestellt. Wir beschrei­ben dar­in Franks Suche nach der ‚Groß­ar­tig­keit jen­seits der #Ego­Bar­rie­ren‘.

Hier fin­det die inter­es­sier­te Leser­schaft den jeweils aktu­el­len Stand sei­ner Erkenntnisse:
EN: https://leanpub.com/aoc/c/HH9pms05vOI4
DE: https://leanpub.com/kdz/c/peBVsOMs3UUn

Vie­len Dank für die aus­führ­li­chen Ergän­zun­gen, lie­ber Alex­an­der, und den erneu­ten Ein­blick in die Geschich­te von Frank.

Für mich wie­der eine sehr inter­es­san­te Anre­gun­gen: Das Team befä­hi­gen, die Män­gel und Feh­ler im Ablauf selbst zu erken­nen und zu besei­ti­gen anstatt dar­auf hinzuweisen.

Vie­len Dank, Markus!

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