Eigenständigkeit im Sinne des Ganzen

Die Digi­ta­li­sie­rung ersetzt nicht den Men­schen und sie kommt auch nicht ohne ihn aus. Im Gegen­teil, gera­de wegen der Digi­ta­li­sie­rung ist das typisch Mensch­li­che mehr denn je gefragt. Gemeint ist ins­be­son­de­re unse­re Fähig­keit, als eigen­stän­di­ge Indi­vi­du­en gemein­sam krea­ti­ve Lösun­gen zu fin­den und effek­tiv und effi­zi­ent in Teams und Orga­ni­sa­tio­nen zusam­men­zu­ar­bei­ten. Die­se Zusam­men­ar­beit war in der Ver­gan­gen­heit lan­ge geprägt von zen­tra­ler Steue­rung einer­seits und gehor­sa­mer Pflicht­er­fül­lung ande­rer­seits. Was für unge­lern­te Arbeits­kräf­te zu Beginn der Indus­tria­li­sie­rung schon wenig mensch­lich, aber wenigs­tens pro­duk­tiv war, ist heu­te mit­ten im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter end­gül­tig zur ent­wür­di­gen­den Zumu­tung gewor­den. Zeit­ge­mä­ße Füh­rung zielt heu­te auf eine Zusam­men­ar­beit, wel­che Eigen­stän­dig­keit im Sin­ne des Gan­zen ermöglicht.

Füh­rung ist heu­te nur noch legi­tim, wenn sie die Selbst­füh­rung der anver­trau­ten Mit­men­schen zum Ziel hat.

Götz W. Werner

In die­sem Zitat hat der Grün­der der Dro­ge­rie­markt­ket­te dm und der beken­nen­de Anthro­po­soph Götz W. Wer­ner die Inten­ti­on der Dia­lo­gi­schen Füh­rung tref­fend zusam­men­ge­fasst. Die­ser Füh­rungs­an­satz wur­de seit Mit­te der 1990er Jah­re im Fried­rich von Har­den­berg Insti­tut für Kul­tur­wis­sen­schaf­ten in Hei­del­berg ent­wi­ckelt und fand weit­rei­chen­de Beach­tung durch die Umset­zung bei dm und den damit ein­her­ge­hen­den Erfolg. Dia­log bedeu­tet in dem Zusam­men­hang – aus­ge­hend von der gro­ßen Bedeu­tungs­viel­falt des anti­ken Begriffs Logos bei Hera­klit – weit mehr als eine bestimm­te Art des mit­ein­an­der Spre­chens. Gemeint ist die Grund­hal­tung und der Umgang mit­ein­an­der, so dass die Selbst­be­stim­mung des Ein­zel­nen damit geför­dert wird (vgl. Wiki­pe­dia).

Dia­lo­gi­sche Füh­rung arbei­tet an der Fra­ge, wie mög­lichst vie­le Mit­ar­bei­ter eines Unter­neh­mens oder einer Orga­ni­sa­ti­on in eine indi­vi­du­el­le unter­neh­me­ri­sche Dis­po­si­ti­on gelan­gen und wie sie aus einer sol­chen her­aus frucht­bar zusam­men­ar­bei­ten können.

Karl-Mar­tin Dietz: Jeder Mensch ein Unter­neh­mer. Grund­zü­ge einer dia­lo­gi­schen Kultur.

Dia­lo­gi­sche Füh­rung meint klar die Begeg­nung von Erwach­se­nen auf Augen­hö­he, wie sie auch deut­lich im Mani­fest für mensch­li­che (und men­schen­wür­di­ge) Füh­rung ver­an­kert ist. Aus der Ori­en­tie­rung hin zum Chef wird eine Ori­en­tie­rung auf die Sache und den Kun­den. Es geht dar­um so zu han­deln, wie es in der Situa­ti­on rich­tig, ange­mes­sen und sinn­voll ist und nicht, weil und wie es der Chef will. Das erfor­dert Wil­len und Fähig­keit zur Selbst­füh­rung und bedingt eine neue Art der Zusam­men­ar­beit. Die fol­gen­den Kern­fra­gen der Dia­lo­gi­schen Kul­tur bie­ten einen Ori­en­tie­rungs­rah­men (Quel­le: Dia­lo­gi­sche Füh­rung | Dia­lo­gi­sche Kul­tur):

  • Die Men­schen: Wie kann die Wür­de des (ein­zel­nen) Men­schen hoch gehal­ten wer­den? Wie wird der Ein­zel­ne von den ande­ren in sei­ner Ent­wick­lung gefördert?
  • Die gege­be­ne Situa­ti­on: Wie kommt jeder Ein­zel­ne zu sei­nem Blick auf das Gan­ze? Wie ent­steht aus der Eigen­stän­dig­keit der Ein­zel­nen das gemein­sa­me Ganze?
  • Zukunft: Wie wer­den mög­lichst vie­le Mit­ar­bei­ter krea­tiv? Wie fließt die Ori­gi­na­li­tät der Ein­zel­nen in die Zukunft der Zusam­men­ar­beit ein?
  • Han­deln: Wie wer­den mög­lichst vie­le Mit­ar­bei­ter initia­tiv? Wie kommt aus der Ver­ant­wort­lich­keit der Ein­zel­nen gemein­sa­mes Han­deln zustande?

Auf­ga­be von Füh­rung ist es des­halb, die fol­gen­den vier Pro­zes­se indi­vi­du­ell für die Men­schen und die Orga­ni­sa­ti­on aus­zu­ge­stal­ten, um damit die Eigen­stän­dig­keit im Sin­ne des Gan­zen zu ermög­li­chen (Quel­le: Dia­lo­gi­sche Füh­rung | Dia­lo­gi­sche Kul­tur):

  • Indi­vi­du­el­le Begeg­nung im Hin­blick auf die Men­schen. Inter­es­se am indi­vi­du­el­len Men­schen statt Rol­len­ver­hal­ten oder Instru­men­ta­li­sie­rung des Anderen.
  • Trans­pa­renz im Hin­blick auf die gege­be­ne Situa­ti­on. Eigen­stän­di­ge Urteils­fä­hig­keit des Ein­zel­nen statt Macht­wis­sen oder Meinungsdiktatur.
  • Bera­tung und Ideen­bil­dung im Hin­blick auf die Zukunft. Krea­ti­vi­tät statt Tra­di­ti­on oder struk­tu­rel­ler Vorgaben.
  • Ent­schluss­kraft im Hin­blick auf das tat­säch­li­che Han­deln. Han­deln aus Initia­ti­ve statt Selbst­ver­wirk­li­chungs­men­ta­li­tät oder Beauftragung.

Share This Post

Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

4 Kommentare

Tol­ler Bei­trag wie­der mal, vie­len Dank. Wenn ich mir nur immer Dei­ne tol­len For­mu­lie­run­gen mer­ken könn­te für schwie­ri­ge Gespräche… ;-)

Ich ent­de­cke die­sen Blog erst gera­de. Lebe selbst als OE – Ent­wick­ler, füh­re in einer Fami­lie und in zwei Orga­ni­sa­tio­nen… und bin begeis­tert von den Impulsen!
Ich unter­strei­che die­sen Arti­kel mit allem, was ich an Erfah­run­gen gemacht habe!

Vie­len Dank! Das freut mich wirk­lich sehr. Es gibt bestimmt noch mehr zu ent­de­cken hier (~500 Arti­kel aus knapp neun Jahren …)

Schreibe einen Kommentar