Aus drei Jahren intensiver Transformationsarbeit in der BMW Group IT nehme ich drei wesentliche Erfolgsfaktoren mit. Die Transformation beginnt erstens immer mit dem Wozu und der Weg dorthin, also das Wie und Was, ist anfangs notwendigerweise unklar. Führung versucht bewusst nicht, darauf schnell die richtigen Antworten zu geben sondern stellt zweitens einen Rahmen bereit, in dem die Mitarbeiter als erwachsene und kluge Menschen, diese Antworten gemeinsam finden. Und Führung ist drittens Teil der Veränderung und stellt sich selbst in Frage.
Start with why
In seinem Buch „Start with why“ (Amazon Affiliate Link) erklärt Simon Sinek, wie große Führungspersönlichkeiten zum Handeln inspirieren. Er benutzt dafür ein Modell, das er Golden Circle nennt. In der Mitte steht das Wozu, also der Zweck oder Purpose der Organisation, der Grund, warum man morgens gerne in die Arbeit geht und das wofür Kunden und die Gesellschaft die Organisation schätzen. (Kleiner Tipp am Rande: das ist nicht der Profit, der ist die Folge des richtigen Why.) Einen Kreis weiter außen kommt das Wie, also das, was die Organisation besonders gut kann und was sie von anderen unterscheidet. Im äußersten Kreis befindet sich das Was, also die Produkte oder Dienste, die die Organisation anbietet. Simon Sinek erklärt das anschaulich und mit vielen Beispielen in dem TED-Talk:
Wirkungsvolle Führungspersönlichkeiten starten immer mit dem Wozu. Das gilt insbesondere für Veränderungsprozesse und für jede Form der Transformation. Leider denken und kommunizieren Organisationen meist genau umgekehrt, also von außen nach innen. Viel wird daher über das Was und Wie gesprochen und zu wenig über das Wozu.
Wer ein Warum zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.
Friedrich Nietzsche (verkürzt)
Die agile Transformation der BMW Group IT motiviere ich daher (intern wie extern) seit drei Jahren immer ausgehend vom Begriff VUCA mit konkreten Beispielen auf politischer Ebene (z.B. Brexit), wirtschaftlicher Ebene (neue Konkurrenten, niedrigere Martkeintrittshürde) und unternehmerischer Ebene (neue Geschäftsmodelle durch Mobilitätsservices). Erst dann folgt das Wie in Form des einzigartigen Ansatzes, die Unternehmens-IT eines Großkonzerns in eine 100% agile Produktorganisation umzubauen, um damit die Anpassungsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit zu steigern. Und erst im dritten Schritt folgen die konkreten Handlungsfelder, wie zum Beispiel strukturelle Veränderungen, Prozess- und Vorgehensmodelle, etc. Letztes Jahr beim Digital Leadership Day in Bregenz sah das dann beispielsweise so aus (natürlich kein Vergleich zu Simon Sinek!):
Mitarbeiter wie Erwachsene behandeln
Das Wozu ist die Grundlage für die gemeinsame Ausgestaltung des Wandels im Wie und insbesondere im Was. In vielen Veränderungsprozessen werden die betroffenen Mitarbeiter leider komplett entmündigt und diese Entmündigung als Schutz vor Überforderung getarnt. Sie dürfen keinen oder wenig Einfluss nehmen und werden dadurch zu bloßen Objekten der Veränderung. Diese Aufforderung zur Änderung, so schön verpackt sie im Rahmen von sogenanntem Changemanagement auch sein mag, stößt unweigerlich auf Ablehnung. Nicht nur bei Mitarbeitern, meine beiden Töchter reagieren darauf schon im Vorschulalter recht allergisch.
People don’t resist change; they resist being changed.
Peter Senge
Die Geschichte über die Transformation der BMW Group IT vom Wozu über das Wie zum Was klingt im Nachhinein schlüssig, der rote Faden entstand aber erst durch die gemeinsame Reise. Viel von dem Wie und noch mehr vom konkreten Was, wurde von den Betroffenen selbst gestaltet oder wenigstens maßgeblich beeinflusst. Am Anfang war nur das Wozu und die vage Idee der 100% agilen Produktorganisation. Und viel Vertrauen in erwachsene und kluge Menschen.
Vorbild sein
Insbesondere in der Transformation lautet die Führungsaufgabe weniger, die richtigen und schon gar nicht alle Antworten zu geben, sondern vielmehr, die richtigen Fragen zu stellen und einen Rahmen zu bieten um gemeinsam und angstfrei Lösungen zu suchen. Das gelingt am besten, wenn kein Zweifel daran besteht, dass alle in einem Boot sitzen und es also nicht nur darum geht, die Arbeit der Mitarbeiter irgendwie zu optimieren (Agilität als Kraftfutter), während für den Chef alles gleich bleibt.
Führung bedeutet deshalb immer auch, Vorbild zu sein. Das beginnt mit kleinen sichtbaren Zeichen, wie zum Beispiel, dass Klaus Straub als CIO der BMW Group IT mit seiner Führungsmannschaft in ein Großraumbüro zieht. Musste man früher erst noch an der Assistenz vorbei, um ins Einzelbüro eines Hauptabteilungsleiters zu gelangen, steht seit dem Umzug jedem die Tür zum gemeinsamen Großraumbüro offen.
Neben diesen sichtbaren Zeichen bedeutet die Vorbildfunktion insbesondere, die Bereitschaft, die eigene Rolle als Führungskraft zu hinterfragen. Bei Novartis macht Vas Narasimhan als CEO genau das und stellt die Transformation gleich ganz radikal unter den Titel Unboss. Im Zuge der agilen Transformation der BMW Group IT, haben wir uns deshalb seit Anfang 2018 intensiv mit der neuen Rolle von Führung vor dem Hintergrund der agilen Grundprinzipien der Selbstorganisation und der Subsidiarität beschäftigt. Und das Manifest für menschliche Führung entstand genau daraus als erster Versuch einer Zusammenfassung der vielschichtigen Antworten.
3 Kommentare
Das ist wirklich erstaunlich, Marcus. Gerade erst vor ein paar Tagen haben wir uns in einem Workshop auch über den Golden Circle unterhalten. Ist das wirklich Zufall?
Schöner Artikel. Danke, dass Du Deine Erfahrungen teilst.
Es gibt gar keine Zufälle … vielen Dank!
Im Eröffnungkapitel von Franks Reisenotizen erfährt der Leser von einem ominösen „Taxiprotokoll“.
Frank hat das auf seinen unzähligen Dienstreisen kennen gelernt. Es folgt dem immer gleichen Ablauf überall auf der Welt. Ort, Sprache, Währung und Transportmittel sind dabei vollkommen nebensächlich:
1. Ziel?
2. Direkt oder schnell?
3. Gepäck?
Frank freut sich übrigens über Mitwirkung.
Was siehst Du, was Frank nicht sieht?
https://commodus.org/finde-den-fehler/