Sprache schafft Wirklichkeit

In der Art und Wei­se wie Füh­ren­de kom­mu­ni­zie­ren spie­gelt sich oft unge­wollt die gut ein­ge­üb­te Tren­nung von Den­ken und Han­deln, Ent­schei­den und Umset­zen oder Anwei­sung und Kon­trol­le wider. Damit sabo­tie­ren sie oft unbe­wusst den ange­streb­ten Wan­del zu mehr Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und Autonomie.

Das Kas­ten­sys­tem von den­ken­dem Mana­ger einer­seits und aus­füh­ren­den Arbei­tern ande­rer­seits war ein wesent­li­cher Bau­stein des Erfolgs der Indus­tria­li­sie­rung aus­ge­hend von Fre­de­rick Win­slow Tay­lor. Durch die­se Arbeits­tei­lung wur­de es mög­lich, Arbeits­ab­läu­fe sys­te­ma­tisch zu ana­ly­sie­ren und zu opti­mie­ren. Und die­se der­art stan­dar­di­sier­ten und ein­fach zu wie­der­ho­len­den Arbeits­schrit­te waren dann auch für die damals weit­ge­hend unge­lern­ten Arbeits­kräf­te ausführbar.

Vie­les hat sich seit die­sen Anfän­gen der Indus­tria­li­sie­rung ver­än­dert. Die Tätig­kei­ten in Unter­neh­men haben sich deut­lich auf­ge­fä­chert und ver­fei­nert und das zu ihrer Aus­füh­rung not­wen­di­ge Aus­bil­dungs­ni­veau der Mitarbeiter:innen hat sich deut­lich erhöht. Gleich­zei­tig wur­den vie­le manu­el­le Tätig­kei­ten kom­plett auto­ma­ti­siert. In Sum­me ist so der Anteil der Wis­sens­ar­beit, die frü­her dem Mana­ger vor­be­hal­ten war, deut­lich gestie­gen. Spä­tes­tens durch dem Erfolg von Lean Manage­ment bei Toyo­ta wur­de deut­lich, dass auch die vor­mals ein­fa­chen Tätig­kei­ten am Band in der Auto­mo­bil­pro­duk­ti­on Antei­le von Wis­sens­ar­beit haben kön­nen und auch haben soll­ten. In gewis­ser Wei­se gab Tai­i­chi Ohno den Arbei­tern das Recht zum Den­ken wie­der zurück, indem er sie ermäch­tig­te, ihre Arbeits­ab­läu­fe selbst zu verbessern.

Some­thing is wrong if workers do not look around each day, find things that are tedious or bor­ing, and then rewri­te the pro­ce­du­res. Even last month’s manu­al should be out of date.

Tai­i­chi Ohno

Obwohl sich also die Arbeit selbst und mit ihr die Arbeiter:innen radi­kal ver­än­der­ten, ent­wi­ckel­te sich die Rol­le des Manage­ments und die Füh­rungs­hal­tung nicht in ähn­li­cher Wei­se wei­ter. Dank Peter F. Dru­cker haben wir zwar seit über einem hal­ben Jahr­hun­dert die rich­ti­gen Begrif­fe dafür zur Hand und haben grund­sätz­lich auch ver­stan­den, dass der Wis­sens­ar­bei­ter anders zu füh­ren ist, aber die Umset­zung die­ser Erkennt­nis gestal­tet sich schwie­ri­ger als gedacht. Füh­ren­de wie Geführ­te fal­len regel­mä­ßig in die gewohn­te Tren­nung von Den­ken und Han­deln bzw. Ent­schei­den und Aus­füh­ren zurück. 

Die­se tra­dier­te Hal­tung ist natür­lich nicht nur bei den Füh­ren­den auf­grund der emp­fun­de­nen Macht­fül­le geschätzt, son­dern auch für die Geführ­ten bequem und risi­ko­arm, weil ihnen die Last der Ent­schei­dung und damit die Ver­ant­wor­tung abge­nom­men wird. So kom­men auch auf­ge­schlos­se­ne und ver­än­de­rungs­be­rei­te Füh­rungs­kräf­te eher frü­her als spä­ter recht ernüch­tert zu dem Schluß, dass ihre Beleg­schaft (sic!) nicht bereit ist, sich selbst zu orga­ni­sie­ren und Ver­ant­wor­tung für Ent­schei­dun­gen zu über­neh­men. Die Mitarbeiter:innen sehen das selbst­ver­ständ­lich anders und bekla­gen hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand die Bevor­mun­dung von oben. 

Viel­leicht ist es für vie­le Mitarbeiter:innen tat­säch­lich zunächst unge­wohnt mehr Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, aber fest steht, dass sie das außer­halb der Mau­ern der Orga­ni­sa­ti­on auch ganz gut schaf­fen. Und sicher­lich gibt es auch den einen oder die ande­re, die es sich in die­ser gut bezahl­ten Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit bequem gemacht haben und es eigent­lich ganz gut fin­den, wenn ande­re die Ent­schei­dun­gen tref­fen, über die sie dann beim Kaf­fee her­zie­hen kön­nen. Ob sich dar­an etwas ändert, liegt aber in den Hän­den der Füh­ren­den. Die haben da aber oft einen mehr oder weni­ger gro­ßen blin­den Fleck. Sie behaup­ten zwar ger­ne, dass sie Ver­ant­wor­tung abge­ben wol­len und dass sie Raum für die Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on bie­ten wol­len, ver­hal­ten sich am Ende aber nicht kon­sis­tent mit die­sem Anspruch.

Lea­der­ship is com­mu­ni­ca­ting to peo­p­le their worth and poten­ti­al so cle­ar­ly that they are inspi­red to see it in themselves.

L. David Marquet

Ins­be­son­de­re die ver­wen­de­te Spra­che ist ent­lar­vend. Anstatt den Dis­kus­si­ons­raum zu öff­nen und kon­struk­ti­ven Dis­sens zu ermög­li­chen und ein­zu­for­dern, wer­den (unbe­wusst) geschlos­se­ne Fra­gen zur pseu­do-demo­kra­ti­schen Bestä­ti­gung der eige­nen Posi­ti­on ein­ge­setzt. Anstatt also das nächs­te Mal im Mee­ting zu fra­gen „Wol­len wir das jetzt so machen?“ oder „Ist ok so, oder?“ und sich über die brei­te Zustim­mung zu freu­en, wäre eine demü­ti­ge­re For­mu­lie­rung und offe­ne Fra­ge wie „Was könn­ten wir tun, um das noch wei­ter zu ver­bes­sern?“ deut­lich ein­la­den­der. Oder viel­leicht auch „Auf einer Ska­la von 1 bis 5, wie sicher fühlst du dich mit dem Vor­schlag?“ Und dann auch wirk­lich der Ant­wort Raum geben und Gehör schen­ken. Mehr Fein­hei­ten und Ideen dazu gibt es im lesens­wer­ten Buch „Lea­der­ship is Lan­guage“ von L. David Mar­quet (Ama­zon Affi­lia­te-Link).

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

4 Kommentare

Hal­lo Mar­cus, dan­ke für die­sen Bei­trag. Ich den­ke nicht, daß die Spra­che wirk­lich ein Pro­blem ist, jeden­falls nicht bei selbst­be­wuß­ten men­schen. Zunächst spie­gelt Spra­che auch Prä­gung wie­der und die kann unter­schied­li­cher nicht sein. Inso­fern ist es kann die Spra­che nicht unbe­dingt das bewir­ken, was Du ver­deut­li­chen willst. Es ist immer das mind­set, das führt, und auch sei­nen Aus­druck in der Spra­che fin­det. Ich fin­de der Aus­bil­dung bzw. der Bil­dung all­ge­mein müß­te in Sachen Füh­rung eine viel grö­ße­re Rol­le zukom­men. Das fängt bei den Eltern der Kin­der an und setzt sich in KiGA, Schu­le, Aus­bil­dung und Stu­di­um fort. Auch dort, so fin­de ich, hat die not­wen­di­ge Wei­ter­ent­wick­lung nicht im not­wen­di­gen Maße statt­ge­fun­den. So kann cih bei jun­gen Kol­le­gen oft beob­ach­ten, daß sie sagen „das muß der Chef ent­schei­den“, wohl wis­send, daß sie der Per­son erst alle Fak­ten zutra­gen müs­sen, um über­haupt eine Ent­schei­dung zu tref­fen. Was bei der Über­mitt­lung ver­lo­ren geht, bleibt dann unbe­rück­sich­tigt. Selbst ent­schei­den ist ange­sagt, die Ent­sc­jei­dung kom­mu­ni­zie­ren und auf die Reso­nanz ach­ten bzw. Feed­back auch ein­for­dern und anneh­men. Die Pro­ble­ma­tik allein auf die Füh­rungs­kräf­te zu ver­kür­zen fin­de ich nicht angebracht.

Dan­ke für dei­ne Ergän­zung. Nur auf die Füh­rungs­kräf­te hat­te ich es auch nicht ver­kürzt. Auch die Mitarbeiter:innen haben an die­sem Spiel ihren Anteil. Aber Füh­rung muss die Initia­ti­ve ergrei­fen und etwas ändern. Und stol­pert dann über die Gewohn­hei­ten und ja auch das Mind­set, die in der Spra­che den Aus­druck finden.

Sehr geehr­ter Herr Raitner,
Ihre Bei­trä­ge zur mensch­li­chen Füh­rung lese ich mit Inter­es­se, da ich oft ange­regt wer­de Din­ge aus einem ande­ren Blick­win­kel zu betrachten.
Heu­te habe ich eine per­sön­li­che Anmer­kung bezüg­lich der neu­nen „Gen­der-Recht­schrei­bung“ in Ihren Arti­keln. Ist es mög­lich, die Tex­te in Zukunft wie­der ohne Dop­pel­punkt als Anspra­che der weib­li­chen / diver­sen Per­son zu schrei­ben? Sie machen einen tol­len, infor­ma­ti­ven Text aus mei­ner Sicht schwe­rer lesbar.
Als weib­li­che Füh­rungs­kraft soll­te ich mich wahr­schein­lich dar­über freu­en, aber ich ste­he die­sem The­ma sehr kri­tisch gegenüber.
Viel­leicht genügt am Ende des Tex­tes ein Hin­weis, dass alle Men­schen in dem Text gemeint sind.
Ich wün­sche Ihnen eine ange­neh­me Woche.
Mit freund­li­chen Grüßen
Mari­on Fründt

Vie­len Dank für Ihren Kom­men­tar, Frau Fründt. Fin­de ich sehr gut, dass Sie das so direkt anspre­chen. Ich war und bin mir des­we­gen immer unsi­cher. Kann also gut sein, dass ich es aus Grün­den der Les­bar­keit lie­ber wie­der mache wie die gan­zen Jah­re zuvor auch.

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