Employee Advocacy: Mundpropaganda im digitalen Zeitalter

Der kon­struk­ti­ve Umgang mit Social Media fällt vie­len Orga­ni­sa­tio­nen schwer. Nach innen liegt viel Poten­ti­al der Ver­net­zung in einem Enter­pri­se Social Net­work noch brach und nach außen beschränkt sich die Nut­zung in vie­len Fäl­len auf das Ver­tei­len von Pres­se­mit­tei­lun­gen über die offi­zi­el­len Social-Media-Kanä­le. Die Mit­ar­bei­ter sind da meis­tens schon deut­lich wei­ter als ihr Arbeit­ge­ber. Gera­de Digi­tal Nati­ves bewe­gen sich als Pri­vat­per­so­nen ganz selbst­ver­ständ­lich im vir­tu­el­len öffent­li­chen Raum und enga­gie­ren sich auf Face­book, Twit­ter, Insta­gram, Lin­ke­dIn. Das ist so und lässt sich auch nicht ver­mei­den und ver­bie­ten. Wie sol­len also Orga­ni­sa­ti­on damit umgehen?

Ein­däm­men und Regu­lie­ren mit­tels Social-Media-Richt­li­ni­en ist da der ers­te natür­li­che Reflex. Schließ­lich gibt es für die Kom­mu­ni­ka­ti­on Spe­zia­lis­ten in der meist strikt funk­tio­nal struk­tu­rier­ten Orga­ni­sa­ti­on. Die deut­lich bes­se­re Alter­na­ti­ve wäre es aber, sich als Orga­ni­sa­ti­on die Ver­net­zung und Reich­wei­te der Mit­ar­bei­ter aktiv zu Nut­ze zu machen und jeden als Cor­po­ra­te Influen­cer zu sehen und zu för­dern. Die­se Mund­pro­pa­gan­da im digi­ta­len Zeit­al­ter hat natür­lich auch schon ein grif­fi­ges Buz­zword bekom­men: Employee Advo­ca­cy heißt das dann. Und ich habe end­lich einen Namen gefun­den für das was ich mit mehr oder weni­ger offi­zi­el­lem Auf­trag seit über sie­ben Jah­ren mache.

Man kann nicht nicht kommunizieren!

Schon immer war die Orga­ni­sa­ti­on für die jemand arbei­tet Gesprächs­the­ma. Wer auf eine Par­ty die Fra­ge stellt, was jemand beruf­lich macht, erhält im ers­ten oder spä­tes­tens zwei­ten Satz als Ant­wort den Namen der Orga­ni­sa­ti­on; je nach­dem ob sich der Gefrag­te als Wis­sens­ar­bei­ter pri­mär sei­ner Fach­do­mä­ne („Ich bin Infor­ma­ti­ker.“) oder sei­ner Orga­ni­sa­ti­on zuge­hö­rig fühlt. Mitt­ler­wei­le ist dies Ver­bin­dung von Mit­ar­bei­ter und Orga­ni­sa­ti­on sowie­so all­ge­gen­wär­tig durch ent­spre­chen­de Ver­lin­kung in Social-Media-Pro­fi­len. Bei eher beruf­li­chen Netz­wer­ken Lin­ke­dIn und XING ist das eine ganz wesent­li­che Infor­ma­ti­on, bei Twit­ter, Face­book und Co. ent­schei­det das jeder für sich selbst, inwie­weit ein Bezug zum Arbeit­ge­ber her­ge­stellt wird oder ob man lie­ber als Pri­vat­per­son agiert und sogar noch expli­zit dar­auf hin­weist, dass man die Tweets und Bei­trä­ge die eige­ne Mei­nung dar­stel­len (was denn sonst?) und nicht not­wen­di­ger­wei­se die des Arbeit­ge­bers. Durch die­se all­ge­gen­wär­ti­ge Ver­knüp­fung von Per­son und Orga­ni­sa­ti­on wird jeder Mit­ar­bei­ter auch zum Unter­neh­mens­spre­cher – man­che mit mehr, man­che mit weni­ger Reich­wei­te. Frei nach Paul Watz­la­wick: In Zei­ten von Social Media kann man als Mit­ar­bei­ter nicht nicht (wenigs­tens impli­zit) über sei­nen Arbeit­ge­ber kommunizieren!

Employee Advocacy: Der „Long Tail“ der Öffentlichkeitsarbeit

Der Begriff Long Tail wur­de 2004 durch das gleich­na­mi­ge Buch von Chris Ander­son bekannt. Er beschreibt das Phä­no­men, dass im Zuge der Digi­ta­li­sie­rung, z.B. bei Musik oder Büchern, im Ver­gleich zu frü­her eine grö­ße­re Viel­zahl an Nischen­pro­duk­ten ent­stand. Durch die Demo­kra­ti­sie­rung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel und Ver­triebs­ka­nä­le kann heu­te qua­si jeder sei­ne Titel ohne gro­ße Kos­ten auf den Markt brin­gen und selbst bei wenig Nach­fra­ge Gewinn machen.

Über­tra­gen auf die Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on heißt das, dass der Ein­fluss der Mit­ar­bei­ter auch dem­sel­ben Potenz­ge­setz fol­gen: weni­ge Mit­ar­bei­ter – die Cor­po­ra­te Influen­cer und nach außen sicht­ba­ren Funk­ti­ons­in­ha­ber wie die Vor­stän­de – sehr gro­ße Reich­wei­te und viel Ein­fluss haben, wäh­rend sich bei den meis­ten Mit­ar­bei­tern die Reich­wei­te auf einen mehr oder weni­ger engen Bekann­ten­kreis beschränkt. Das war natür­lich immer schon so. Mit Social Media aber wur­den auch die Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le demo­kra­ti­siert. Dadurch wird es heu­te mög­lich auch die Reich­wei­te in die Nischen der indi­vi­du­el­len Bekann­ten­krei­se mehr oder weni­ger zum Null­ta­rif zu nut­zen – zur Mar­ken­kom­mu­ni­ka­ti­on genau­so wie zum Employ­er Bran­ding. Tue Gutes und sprich darüber!

Vorteile für Mitarbeiter und Organisation

Märk­te sind Gesprä­che“, hieß es 1999 im Clue­train Mani­fest. Und wei­ter: „Die Märk­te bestehen aus Men­schen, nicht aus demo­gra­phi­schen Seg­men­ten. Gesprä­che zwi­schen Men­schen klin­gen mensch­lich. Sie wer­den in einer mensch­li­chen Stim­me geführt.“ Authen­ti­zi­tät und Glaub­wür­dig­keit sind ent­schei­dend bei dem Über­an­ge­bot an Infor­ma­tio­nen in Social Media. Dar­um macht es einen deut­li­chen Unter­schied wer etwas mit mir dort teilt. Eine Stu­die von Lin­ke­dIn zeigt bei­spiels­wei­se, dass die typi­sche Klick­ra­te bei Mit­ar­bei­tern dop­pelt so hoch ist wie bei den offi­zi­el­len Unter­neh­mens­ka­nä­len: „Despi­te the fact that only 3% of employees share con­tent, they gene­ra­te 30% of all con­tent enga­ge­ment for a typi­cal business.“

Für den Mit­ar­bei­ter lie­gen die Vor­tei­le in der Sicht­bar­keit und damit in sei­nem Per­so­nal Bran­ding. Es ist die Chan­ce als Exper­te Lei­den­schaft für sei­ne Arbeit, sei­ne Orga­ni­sa­ti­on oder sei­ne Pro­duk­te zu zei­gen. Natür­lich hilft es mir, wenn ich hier im Blog und auf Social Media über mei­ne Gedan­ken zur Agi­len Trans­for­ma­ti­on schrei­be und dis­ku­tie­re. Es hilft aber in dem Fall auch der BMW Group IT, weil ich damit hof­fent­lich glaub­wür­dig den Wan­del nach außen tra­ge und damit die Attrak­ti­vi­tät als Arbeit­ge­ber für Pro­gram­mie­rer, Scrum Mas­ter und vie­le ande­re steigere.

Märkte sind Gespräche

Den Mit­ar­bei­tern kommt heu­te eine ganz neue Rol­le als Reprä­sen­tant ihrer Orga­ni­sa­ti­on zu. Natür­lich wird es die fein­zi­se­lier­te offi­zi­el­le Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on auch wei­ter­hin geben und geben müs­sen, aber durch die zuneh­men­de Ver­net­zung der Men­schen kann jeder Mit­ar­bei­ter einen Unter­schied machen und eben nicht nur der Vor­stand, die aus­ge­such­ten und bekann­ten Cor­po­ra­te Influen­cer oder die offi­zi­el­len Unter­neh­mens­spre­cher. Was die Mit­ar­bei­ter aber brau­chen sind weni­ger die eher dämp­fend wir­ken­den Social-Media-Richt­li­ni­en, die es ohne­hin über­all gibt, son­dern viel­mehr Ermu­ti­gung, Ermäch­ti­gung und Hil­fe­stel­lung. Und bis dahin hilft mein Lieb­lings­leit­spruch für Orga­ni­sa­ti­ons­re­bel­len: „If you want to achie­ve great­ness, stop asking for permission!“

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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