Erfolgsfaktor Glück

Darf Arbeit glück­lich machen? Oder reicht es, wenn Arbeit satt und viel­leicht sogar reich macht? Glück wäre dann die pri­va­te Fol­ge mate­ri­el­len beruf­li­chen Erfolgs. Jahr für Jahr scheint sich genau das in den trau­ri­gen Zah­len des Gal­lup-Enga­ge­ment-Index zu zei­gen, wonach rund 70% der Deut­schen nur Dienst nach Vor­schrift ver­rich­ten und 15% sogar schon inner­lich gekün­digt haben. Arbeit wird mehr oder weni­ger gewis­sen­haft erle­digt, leuch­ten­de Augen sind dabei eher sel­ten. Glück ist Pri­vat­sa­che. In dem vor­herr­schen­den mecha­nis­ti­schen Gestal­tungs­prin­zip von Orga­ni­sa­tio­nen ist das auch kon­se­quent: Men­schen wer­den als Zahn­rä­der im Orga­ni­sa­ti­ons­ge­trie­be ange­se­hen und Zahn­rä­der müs­sen ein­fach nur feh­ler­frei funk­tio­nie­ren – Glück spielt für Zahn­rä­der kei­ne Rol­le. Oder doch? Tat­säch­lich zeigt die For­schung, dass es genau umge­kehrt ist und nicht Erfolg zu Glück führt, son­dern glück­li­che Mit­ar­bei­ter ein ganz ent­schei­den­der Erfolgs­fak­tor sind. Doch was macht Mit­ar­bei­ter glück­lich? Ein klei­ner Aus­flug in die noch jun­ge Wis­sen­schaft der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie.

Most peo­p­le cha­se suc­cess at work, thin­king that will make them hap­py. The truth is that hap­pi­ness at work will make you successful.
Alex­an­der Kjerulf

Freu­de am Arbei­ten ist weit mehr als Wohl­fühl-Klim­bim wie sty­li­sche Büros, Tisch­ki­cker, Ster­ne­kö­che in der Kan­ti­ne, Mas­sa­gen und vie­les mehr. An das alles gewöh­nen sich Men­schen sehr schnell. Nach anfäng­li­cher Freu­de sind das wie die Bezah­lung nur noch Hygie­ne­fak­to­ren, ver­hin­dern also nur Unzu­frie­den­heit, machen aber nicht glück­lich. Das hin­dert frei­lich vie­le Orga­ni­sa­tio­nen nicht, genau in die­sen Bereich mas­siv zu inves­tie­ren in der fal­schen Hoff­nung auf glück­li­che Mit­ar­bei­ter und damit ver­bun­den mehr Krea­ti­vi­tät, Pro­duk­ti­vi­tät und Erfolg. Die­se Hygie­ne­fak­to­ren müs­sen stim­men und hel­fen um sich von ande­ren Kon­kur­ren­ten im Kampf um die bes­ten Mit­ar­bei­ter abzu­he­ben, sie machen Mit­ar­bei­ter aber nicht glück­lich und wer­den am Gal­lup-Enga­ge­ment-Index nicht viel ändern. Das hat auch nichts mit Undank­bar­keit zu tun, wie es viel­leicht man­che Füh­rungs­kräf­te in ihrem alten mecha­nis­ti­schem Den­ken unter­stel­len, son­dern liegt ein­fach in der mensch­li­chen Natur begrün­det. In ver­schie­de­nen Expe­ri­men­ten zeigt sich, dass eine Art psy­cho­lo­gi­sches Immun­sys­tem unse­re Zufrie­den­heit nach posi­ti­ven und genau­so nach nega­ti­ven Erleb­nis­sen recht schnell wie­der auf das Niveau vor dem Ereig­nis einpendelt. 

Hap­pi­ness is a choice – not a result. Not­hing will make you hap­py until you choo­se to be hap­py. No per­son will make you hap­py unless you deci­de to be hap­py. Your hap­pi­ness will not come to you. It can only come from you.
Ralph Mar­s­ton

Äuße­re Fak­to­ren spie­len also nur eine gerin­ge Rol­le für unser Glück. Viel wich­ti­ger ist die inne­re Hal­tung. Lei­der ten­die­ren wir dazu, in unse­rer Umwelt eher das Nega­ti­ve wahr­zu­neh­men und uns auf Pro­ble­me zu fokus­sie­ren. Die­ser soge­nann­te Nega­ti­vi­ty Bias lässt uns Nega­ti­ves deut­lich inten­si­ver erle­ben als ent­spre­chend Posi­ti­ves. Die­ser Ten­denz kann man sich bewusst wer­den und man kann ihr ganz bewusst ent­ge­gen­wir­ken. Bei einem sehr inspi­rie­ren­den Vor­trag von Dr. Oli­ver Haas von Cor­po­ra­te Hap­pi­ness durf­te ich die­se Woche dazu die Übung „Ein­wand­frei: A com­plaint-free world“ ken­nen­ler­nen, die auf Will Bowen zurück­geht. Man erhält ein Arm­band und immer wenn man sich dabei ertappt, zu läs­tern, zu nör­geln oder sich zu bekla­gen, muss man sein Arm­band von einem Arm auf den ande­ren wech­seln. Ziel ist es 21 Tage am Stück das Arm­band nicht wech­seln zu müs­sen. Ich übe noch. 

In eine ähn­li­che Rich­tung, aller­dings mit stär­ke­rem Fokus auf die posi­ti­ven Erleb­nis­se, geht die fol­gen­de ein­fa­che Übung von Mar­tin Selig­man, einem der Begrün­der der Posi­ti­ven Psy­cho­lo­gie. Jeden Abend nimmt man sich 10 Minu­ten Zeit, um die drei Din­ge auf­zu­schrei­ben, die heu­te gut waren. Wer das ger­ne moder­ner und öffent­li­cher machen will, dem kann ich die Akti­on #100happydays emp­feh­len, und ver­su­chen 100 Tage in Fol­ge auf Twit­ter oder Face­book wenigs­tens ein posi­ti­ves Erleb­nis mit Bild und Hash­tag #100happydays zu veröffentlichen.

The grea­test was­te is the fail­ure to use the abili­ties of people.
W. Edwards Deming

Die­se Übun­gen an der eige­nen inne­ren Hal­tung sind ohne Fra­ge eine wich­ti­ge Vor­aus­set­zung für das eige­ne Glück, sol­len aber kei­nes­falls so ver­stan­den wer­den, dass Glück eine rein indi­vi­du­el­le Ange­le­gen­heit wäre. Im Gegen­teil, Orga­ni­sa­tio­nen kön­nen viel dafür tun, eine Umge­bung zu schaf­fen in der Men­schen glück­lich sind und die Orga­ni­sa­ti­on davon dann pro­fi­tiert. Es hat nur eben nicht viel mit dem ein­gangs erwähn­ten Wohl­fühl-Klim­bin zu tun. Alex­an­der Kje­rulf, der Grün­der und Chief Hap­pi­ness Offi­cer von Woo­hoo inc, nennt in dem unten fol­gen­den sehr sehens­wer­ten Vor­trag, zwei wesent­li­che Fak­to­ren: Bedeut­sa­me Arbeit bzw. Ergeb­nis­se und bedeut­sa­me Bezie­hun­gen. Wenn Men­schen also an etwas für sie bedeut­sa­men arbei­ten und das in guter Bezie­hung mit groß­ar­ti­gen ande­ren Men­schen tun, sind Men­schen ten­den­zi­ell glück­li­cher. Gera­de für den zwei­ten Teil der guten Bezie­hun­gen nennt Alex­an­der Kje­rulf eini­ge sehr ein­fa­che und den­noch oder gera­de des­we­gen sehr wirk­sa­me Prak­ti­ken wie bei­spiels­wei­se die Lob-Wand bei IKEA, auf der man schrift­lich (ähn­lich den Kudo-Cards von Jur­gen Appe­lo) Kol­le­gen dan­ken kann. Anstatt zu ver­su­chen, mög­lichst viel Gutes für die Mit­ar­bei­ter zu tun, ist es deut­lich erfolg­ver­spre­chen­der, die Mit­ar­bei­ter zu ermu­ti­gen und zu unter­stüt­zen, mög­lichst viel Gutes für­ein­an­der zu tun. Aber seht selbst und lasst euch inspirieren:

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

2 Kommentare

Lie­ber Marcus,

vie­len Dank für den schö­nen Bei­trag. Ich erin­ner­te mich sofort wie­der an Dein ers­tes State­ment für Enjoy­Work, in dem Du unter ande­rem sag­test: „Vie­ler Stu­di­en zum Trotz macht sich noch immer ver­däch­tig, wer in unse­rer Vor­zei­ge-Indus­trie­na­ti­on Spaß bei der Arbeit hat. Man mag die Gene­ra­ti­on Y für welt­frem­de Träu­mer, ein bedin­gungs­lo­ses Grund­ein­kom­men für sozia­lis­ti­sche Uto­pie und die For­de­rung nach dem Sinn der Arbeit für ein Luxus­pro­blem am obe­ren Ende der Maslow­schen Bedürf­nis­py­ra­mi­de hal­ten, alles sind Sym­pto­me eines Umbruchs. Dar­aus erge­ben sich zwei Span­nungs­fel­der: Ers­tens Koope­ra­ti­on und Teil­ha­be und zwei­tens Sinn und eige­ner Bei­trag. Unter­stützt mit der rich­ti­gen Infra­struk­tur ist ein deut­lich agi­le­res Arbei­ten möglich.“

http://www.arbeitswelten-lebenswelten.de/blog-news-und-presse/detail?newsid=67

Er hat auch heu­te (immer­hin drei­ein­halb Jah­re spä­ter) nicht an Bri­sanz ver­lo­ren. Gleich­wohl spü­re ich, dass für „Arbeits­freu­de“ die Zeit gekom­men ist. Und es ist schön, dass Du zur Enjoy­Work-Com­mu­ni­ty gehörst.

In die­sem Sin­ne wün­sche ich Dir, viel Freu­de in Dei­ner Arbeit (und damit mei­ne ich nicht nur die Erwerbs­tä­tig­keit) zu finden.

Es grüßt Dich und Dei­ne Fami­lie herzlich,
Franziska

Lie­be Fran­zis­ka, vie­len Dank für dei­nen Kom­men­tar und damit die Erin­ne­rung an die­ses doch schon lang zurück lie­gen­de State­ment. Ich hat­te es schon ver­ges­sen oder jeden­falls nicht prä­sent beim Schrei­ben die­ses Arti­kels. Span­nend zu sehen, dass mich offen­bar doch immer die­sel­ben Din­ge umtrei­ben – trotz mitt­ler­wei­le völ­lig ande­rer Rol­le. Herz­li­che Grü­ße zurück und auch dir viel Freu­de und Glück!

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